2023-06-02T12:20:29.853Z

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Die Fans des SV Babelsberg engagieren sich gegen Rechts. F: Leifer
Die Fans des SV Babelsberg engagieren sich gegen Rechts. F: Leifer

#wirsindmehr: Vereine engagieren sich gegen Rechts

Es wird immer extremer, jetzt haben sich einige Vereine den Kampf gegen Rechts auf die Fahne geschrieben

Es ist der 28. April 2017, ein Freitagabend, und das Karl-Liebknecht-Stadion kocht. Nicht die Fußballer auf dem Potsdamer Grün bringen es zum Explodieren. Es sind die Fans. Hausherr SV Babelsberg 03 kickt gegen den FC Energie Cottbus. Die Potsdamer hüllen die Ränge in dicke Pyro-Nebelschwaden, die Cottbuser Hools grölen: "Arbeit macht frei, Babelsberg 03". Sie strecken die Arme zu Hitlergrüßen. Irgendwann ist der Spuk vorbei. SVB gewinnt 2:1. Doch das interessiert eigentlich niemanden.

Was folgt, ist ein Prozess vor dem Sportgericht und Diskussionen, dass die Cottbuser nicht für die Neonazi-Gesänge abgestraft wurden. Blechen müssen beide Clubs. Die Lausitzer kraft eines zweiten Urteils auch 2000 Euro für Präventiv-Maßnahmen gegen Rechts. Was aber viel länger hängen bleibt, ist der Eindruck: Fußball ist nicht nur Sport. Fußball ist politisch. Und es gibt eine Dichotomie: Hier die Guten, dort die Bösen. Doch so einfach ist das nicht.

Dem Vorwurf, ein Nazi-Verein zu sein, begegnete eine Lausitzer Fangruppe mit einer Gegenbewegung. "Energiefans gegen Nazis" heißt der Zusammenschluss von Anhängern, der mit einem Stamm von etwa zehn Männern und Frauen ein Zeichen setzen will. Die Fans betreiben eine Facebook-Seite, auf der sie Beiträge, die sich gegen Rassisten und Nationalisten aussprechen, posten. Die Resonanz ist da: Mittlerweile haben die Seite 1300 Menschen mit gefällt-mir markiert.

"Das Image des Vereins wurde von Nazis kaputt gemacht. Aber wenn wir alle als Nazi-Schweine stigmatisiert werden, dann verletzt uns das", begründet eine Sprecherin die Intention der Gruppe. Dass sie anonym bleiben will, hat damit zu tun, dass die Mitglieder der Bewegung attackiert wurden. Eine Fahne, die sie im Stadion aufhängten, wurde abgerissen. Von solchen Rückschlägen lassen sich die Fans nicht unterkriegen. "Wir sind schon immer die Mehrheit", lautet ihre Parole. "Ja, es gab im Stadion Hitlergrüße. Aber die Mehrheit, die da hinkommt, hat das noch nicht erlebt", sagt die Sprecherin. Bald sind in Absprache mit der Vereinsführung kleinere Aktionen im Stadion geplant. Denn: "Wir wollen immer wieder deutliche Zeichen setzen."
Das haben die Babelsberger bereits getan. Der Vorfall im April 2017 war für sie ein Startschuss: Sie begannen die Kampagne "Nazis raus aus den Stadien". Sie verkauften T-Shirts mit dem Aufdruck und sammelten Geld. Über 10 000 Euro sind in einem Jahr zusammengekommen. Damit unterstützte der Verein Fußball-Projekte. Einen Club, der ein Turnier mit Geflüchteten zusammen organisierte zum Beispiel. Fünf Clubs hatten sich gemeldet. Weniger als erwartet. Doch das ist erst der Anfang.

"Wir wollen die Aktion jetzt auf größere Füße stellen und eine bundesweite Aktion starten", sagt Thoralf Höntze. Der Babelsberger erarbeitet gerade ein Konzept, wie das funktionieren soll. Er ist seit 15 Jahren im Verein und beobachtet die Fanszene genau. "Es wird immer extremer und es gibt immer mehr Mitläufer", sagt er. Das führt er darauf zurück, dass Nazis keine Angst mehr haben müssen, rechte Parolen zu skandieren. "Rechts ist salonfähig geworden", sagt er. "Andererseits engagieren sich immer mehr Menschen gegen Rechts."

Ein ostdeutsches Problem seien die Neonazi-Ausschreitungen nicht, eher ein gesamtgesellschaftliches, meint Höntze. Denn auch andere Clubs wie Borussia Dortmund und Werder Bremen hatten Probleme mit rechten Hooligans. Die wurden durch Präventionsarbeit aber größtenteils aus den Blöcken herausgedrängt. Auch im Osten wie bei den Clubs Carl Zeiss Jena oder Dynamo Dresden fruchtet die antirassistische Arbeit der Vereine.

Das beobachtet auch Alexander Kallenbach von SV Concordia Nowawes 06. Der Vorsitzende des Jugend- und Kinderfußballclubs in Potsdam hat sich den Kampf gegen Nazis auf die Fahne geschrieben. "Wir wollen klare Kante zeigen", sagt er. Deshalb meldet sich der Verein bei Demonstrationen gegen den Potsdamer Pegida-Ableger Pogida an und organisiert das Toleranzfest mit. Manche fragen: Muss das denn sein? Ein Jugendfußballclub, der sich politisch engagiert? Ja, es muss, sagt Kallenbach. Und: "Wenn alle Vereine das umsetzen würden, was in ihren Satzungen steht, dann bräuchten wir nicht extra betonen, dass wir für Offenheit sind."

Potsdam sei zwar aufgrund der großen linken Szene ein fruchtbarer Boden für antirassistische Agitationen. Doch Engagement gegen Rechts sei auch in anderen Städten und Clubs möglich. In Cottbus, in Chemnitz, in Dresden. "Wir müssen nur wollen", sagt Kallenbach und spricht damit vielen Engagierten aus dem Herzen.

Aufrufe: 028.9.2018, 11:22 Uhr
Dorothee TorebkoAutor