Vom Stürmer zum Rappen inspiriert

Früher war‘s normal für mich, über euch zu lachen.
Heute ist es normal für mich, es wieder gutzumachen.
Seine Freundschaft zu Jan Schultz hat Lukas Bröcker jetzt in einem Rap-Song thematisiert. Der Titel: "Trisomie 21". Schultz geriet Ende letzten Jahres in die Schlagzeilen, als sein Trainer den Stürmer mit Down-Syndrom in einem Punktspiel der 4. Kreisklasse gegen den TSV Großenwörden einwechselte. Das Wechselkontingent war erschöpft. Der Fußballverband hätte dem MTV Wangersen die sportlich gewonnenen Punkte eigentlich wieder aberkennen müssen. Tat er aber nicht, weil die Entscheider das Regelwerk geflissentlich ignorierten und alle anderen Vereine der Liga zustimmten, dass Jan Schultz fortan immer als fünfter Mann eingewechselt werden durfte. Bröcker schaut mit Stolz auf die Reaktion der Gegner. Sie haben schließlich ein Zeichen gesetzt.
Und wenn mich heute jemand fragt, was ich denk, wie ich war, kann ich sagen, ich schäme mich, wie ich war.
Bröcker selbst geht in seinem Song hart mit sich ins Gericht. "Ich habe Leute wie Jan mit 13, 14 als behindert abgestempelt", sagt Lukas Bröcker heute. Eine Umschulung zum Erzieher habe ihm die Augen geöffnet. Praktika in Kindertagesstätten und Behindertenwerkstätten prägten ihn. Vor drei Jahren lernte er Jan Schultz kennen. Als der heute 19-Jährige schließlich Mitglied beim MTV Wangersen und Teil der Mannschaft wurde, freundeten sich die beiden an. Jeder, der Jan Schultz nicht ernst nimmt oder ihn ob seiner Behinderung belächelt, bekommt von Lukas Bröcker einen Spruch. "Es macht einfach Spaß mit Jan. Er ist immer von Grund auf ehrlich", sagt Lukas Bröcker. Mit seinem Song will er Augen öffnen, einen Appell senden.

Lukas Bröcker singt deutschen Rap. Sein Hobby ist die Musik. Vor zwei Jahren legte er sich den Künstlernamen "SayF" zu. Das steht für "say fuck" und soll bedeuten, dass er nicht der Norm entspricht, gegen den Strom schwimmt, sich quer stellt und sein eigenes Ding macht. Lukas Bröcker nennt sich selbst einen Freidenker. Seine Texte sind tiefgründig und melancholisch.
Arm oder reich, schwarz oder weiß, Trisomie 21 oder du bist wieder high. Mir egal, wir sind alle gleich auf dieser Welt, Dicker, sind alle gleich.
Jan Schultz war Lukas Bröckers musikalische Inspiration. "Ich gehe mit einer bestimmten Gefühlslage ins Studio", sagt Lukas Bröcker. Er therapiert sich selbst im schalldicht isolierten Gästezimmer, am Computer und am Mikrofon. Er verarbeitet positive und negative Geschehnisse. Einst seine Multiple-Sklerose-Diagnose und jetzt die ständige Erinnerung durch die tägliche Dosis Medikamente. Wenn es mit seiner Freundin Lisann richtig gut läuft, seine "stützende Kraft". Oder eben das Leben seines lebensfrohen Freundes mit dem Down-Syndrom. Der Song über Jan Schultz war in wenigen Stunden fertig. Erst stand der Beat. Dann sind die Zeilen aus ihm herausgesprudelt. Jan Schultz sprach einige Sätze im Studio ein. Lukas Bröcker legte die kurzen Tonspuren über seinen Text.

Wie ein ganz normaler Mensch ist er aufgewachsen, hat gelebt. In der Kirche wurd er konfirmiert, danach floss der Köm. Mit dem Köm kam dann auch der Kater am Morgen. So wie jeder andre auch seine Leber versorgen.
Lukas Bröcker hat das Video zum Song auf seinem Youtube-Kanal "Monarch-Studios", den er mit seinem Kumpel Rudolf "Rudi" Schulz betreibt, hochgeladen. Für das Video erhielt er Hilfe von einem Profi namens "Lasko" aus Harburg. Die Aufnahmen entstanden auf dem Fußballplatz in Wangersen, einige in der Umkleidekabine. In zwei Minuten und vierzig Sekunden erzählen Lukas Bröcker und ein paar Fußballer des MTV die Geschichte ihres Stürmers, der glücklich ist, wenn er sich das Trikot mit den Vereinsfarben anziehen und beim Elfmeter an den Strafstoßpunkt gehen darf. "Trisomie 21" wurde in wenigen Tagen knapp 1000 Mal geklickt. Mehr als 5000 Menschen sahen einen früheren Clip. Mit seiner Musik einmal Geld zu verdienen, wäre "ein schöner Nebeneffekt", sagt Lukas Bröcker, aber "nicht meine Intention".
Corona hat die Fußballsaison gestoppt. Jan Schultz kann es nicht erwarten, wieder auf den Platz zu gehen. Vielleicht legt ihm Mittelfeldspieler Lukas Bröcker ein Tor auf im nächsten Spiel. Alle paar Tage treffen sich die beiden. Manchmal kicken sie auf dem Bolzplatz. So wie früher. Ein halbes Dutzend Mal am Tag ruft Jan Schultz seinen Freund an. Fußball ist meistens das Thema. Und jetzt auch die Musik.
Was für‘n Herz er hat, um uns alle reinzulassen.
Für diesen Typen gibt es keine Menschenrassen.

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