2024-06-14T06:55:53.576Z

Interview
Wolfgang Walz bewahrt in seinem Keller die Andenken an seine Bundesliga-Zeit auf. An den Wänden hängt eine beeindruckende Kollektion an Trikots, Wimpeln und Bildern. Dieses Trikot bekam er zu seinem 200. Bundesliga-Einsatz als Schiedsrichter-Assistent vom gastgebenden 1. FC Nürnberg.   Ufuk Arslan
Wolfgang Walz bewahrt in seinem Keller die Andenken an seine Bundesliga-Zeit auf. An den Wänden hängt eine beeindruckende Kollektion an Trikots, Wimpeln und Bildern. Dieses Trikot bekam er zu seinem 200. Bundesliga-Einsatz als Schiedsrichter-Assistent vom gastgebenden 1. FC Nürnberg. Ufuk Arslan

VfL Mainhardt: Trainer Wolfgang Walz im Interview

„Profis wissen, wo die Grenze ist“

Mehr als 200 Spiele als Schiedsrichter-Assistent in der Bundesliga: Wolfgang Walz hat die Faszination der Beletage des deutschen Fußballs hautnah miterlebt. Mittlerweile trainiert Walz in der Bezirksliga. Nach drei Jahren in Niedernhall hat er im Sommer 2018 den Aufsteiger VfL Mainhardt übernommen.

Herr Walz, Mainhardt gehört zu den schneereicheren Gemeinden im Winter. War die Vorbereitung auf die Rückrunde dementsprechend schwierig?

Wolfgang Walz: Das Wetter war nicht das größte Problem. Wir konnten auf den Kunstrasen in Sulzbach/Murr ausweichen. Mehr Sorgen bereitet mir, wie schon die ganze Saison, unser kleiner Kader. Ich habe nur 18 Spieler zur Verfügung. Berufs- oder krankheitsbedingt steht man dann manchmal nur mit neun Spielern im Training da.

In der Vorrunde hat Ihr Team gut losgelegt mit vier Siegen und zwei Unentschieden. Danach folgten aber nur noch zwei Siege und neun Niederlagen. Warum?

Da kamen mehrere Dinge zusammen. Die Anfangseuphorie als Aufsteiger hat uns getragen. Vielleicht hat uns der ein oder andere Gegner unterschätzt. Danach hatten wir aber ein paar Verletzungen, unter anderem den Handbruch von Fabian Schlepple, der dann lange ausfiel. Die anderen Mannschaften wurden dann auch vorsichtiger gegen uns und stürmten nicht gleich drauflos. Außerdem war unser Auftaktprogramm mit zum Beispiel Braunsbach und Hessental einfacher als die folgenden Spiele.

Zum Rückrundenstart fährt der VfL zum abgeschlagenen Tabellenletzten Braunsbach. Im Sport kann man nichts erzwingen, aber „müssen“ Sie dieses Spiel gewinnen?

Egal wie, aber diese drei Punkte sind Pflicht. Wenn wir dort nicht gewinnen, dann fehlen uns am Ende ganz wichtige Punkte, weil unsere Konkurrenten dort wahrscheinlich einen Sieg einfahren.

Der Druck liegt aber so komplett auf Ihrem Team. Hätten Sie sich einen anderen Gegner zum Start gewünscht?

Ich hätte mir jemand anderen gewünscht, weil wir eine suboptimale Vorbereitung hatten und gleich das erste Spiel gewinnen müssen. Deswegen wäre mir zum Beispiel Tabellenführer Sindringen lieber gewesen (lacht).

Regen Sie sich als Trainer über Schiedsrichterentscheidungen auf oder machen Sie das grundsätzlich nicht, weil Sie aus eigener Erfahrung wissen, wie schwer der Job ist?

Natürlich weiß ich das, aber wenn der Schiedsrichter klare Fehler macht, dann sage ich ihm das auch. Aber ich werde nie beleidigend oder persönlich. Auch gegenüber den Spielern nicht. Natürlich bin ich emotional eingebunden ins Spiel als Trainer, ich kann ja nicht draußen stehen wie ein regungsloser Baum. Ich lebe das Ganze schon mit. Aber vielleicht nicht ganz so wie Freiburgs Christian Streich (lacht).

Ja, er ist oft impulsiv …

Aber er ist nicht der Einzige. Ich erinnere mich an ein Spiel Frankfurt gegen Dortmund. Ich war vierter Offizieller am Spielfeldrand. Friedhelm Funkel war Eintracht-­Trainer, Jürgen Klopp bei Dortmund, also zwei emotionale Typen. Ich erinnere mich, wie ich zu einem sich echauffierenden Klopp sagte: „Einen Moment, ich bin gleich wieder da, der Herr Funkel ist auch schon wieder am Rennen (lacht).“

Verhalten sich Profis auf dem Feld anders als Amateurspieler?

Es ist ziemlich gleich. Die Profis wissen aber eher, wann Schluss ist. Bei den Amateuren sind die Sanktionen weitaus geringer. Deswegen treiben die es meiner Meinung nach auch weiter.

Und muss ein Schiedsrichter ein Amateurspiel anders leiten als ein Profispiel?

Im Grunde nicht. Man muss eine klare Linie fahren, um als Autorität anerkannt zu werden. Wenn man früher die Bayern gepfiffen hat, dann wusste man: Den Mark van Bommel hole ich mir in den ersten 25 Minuten auf meine Seite. Ansonsten kann er einem das Spiel entgleiten lassen. Solche Anführer gibt es in jeder Mannschaft. Wenn man die kontrolliert, dann hat man die Partie praktisch durch. Aber keiner ist fehlerfrei, auch der Schiedsrichter nicht. Trotzdem darf ich nicht einen Fehler mit einem zweiten Fehler wiedergutmachen wollen. Sonst muss ich den wieder korrigieren und bin nur noch am Fehlermachen.

Was war das Beeindruckendste in der Bundesliga für Sie?

Das allererste Spiel. Das war Wolfsburg gegen Gladbach. Man kommt aus der Umkleidekabine heraus und sofort geht das rote Licht an der TV-Kamera an. Überall sind Kabel und Schläuche und Sicherheitsbeamte. Ohne Akkreditierung kommt man im Stadion nirgends hin. Die riesige Medienpräsenz von Fotografen und Reportern, das war schon überwältigend.

Wo war es am schwierigsten als Schiedsrichtergespann in der Bundesliga?

Cottbus, das war immer ein ganz heißes Pflaster. Auch Kaiserslautern war nicht einfach. Zum einen die Enge und zum anderen haben viele Fans an den Zäunen massiv agiert.

Welche waren die schönsten
Stadien?

Da gab es viele. Hamburg, Gladbach, Leverkusen, auch das Olympiastadion in Berlin. Wir haben in Deutschland richtig viele tolle Stadien. Und die Bundesliga-Spiele sind ja fast alle gut besucht. Und natürlich ist es überragend, wenn man in Dortmund einläuft und es sind mehr als 80 000 Zuschauer da und man schaut links hoch auf die Südtribüne und 30 000 Leute in Schwarz-Gelb singen und schreien. Da läuft einem schon ein Kribbeln über den Rücken.

Was war das kurioseste Erlebnis als Schiedsrichtergespann?

Wir sind vor sechs oder sieben Jahren vom saudischen König angefragt worden, ob wir das entscheidende Meisterschaftsspiel des Ersten gegen den Zweiten leiten wollen. Die Saudis wollten ein ganz neutrales Schiedsrichterteam aus Deutschland haben. Knut Kircher war der Schiedsrichter, ich einer der beiden Assistenten. Am Frankfurter Flughafen wurden wir aber gestoppt, weil wir keine Visa hatten, sondern nur ein Empfehlungsschreiben des Königs. Alle anderen warteten schon im Flugzeug, nur wir drei durften nicht an Bord. Nach einem langen Telefonat durften wir doch reisen.

Wie sehen Sie die Einführung des Videobeweises?

Ich habe neulich das Spiel Wolfsburg gegen Hertha angeschaut. Ein Schiedsrichter-Assistent, den ich sehr gut kenne, hat zwei Abseitstore nicht abgewunken. Ich habe ihn danach angerufen und aus Spaß gefragt, ob die Assistenten jetzt gar nicht mehr winken. Er hat geantwortet, dass er bei knappen Entscheidung die Fahne unten lässt, weil es den Videobeweis gibt. Da dacht ich mir dann: Das hätte ich mir früher auch gewünscht (lacht).

Im heimischen Amateurfußball beklagen sich die Schiedsrichtergruppen über fehlenden Nachwuchs. Viele Vereine bezahlen lieber die Geldstrafe, als nach neuen Schiedsrichtern zu suchen. Haben Sie eine Idee, wie man dieser Entwicklung gegensteuern kann?

Wenn man Fußball zum Beispiel mit Handball vergleicht, dann sind im Handball die Sanktionen viel stärker. Die Spieler bekommen Zwei-Minuten-Zeitstrafen, nach der dritten Strafe folgt die Rote Karte. Im Fußball ist das viel lockerer. Ich bin der Meinung, die Regeln gehören geändert. In dem Sinne, dass zum Beispiel nur der Spielführer während des Spiels mit dem Schiedsrichter reden darf oder dass es unterschiedlich lange Zeitstrafen gibt: 5, 10 oder auch 30 Minuten. Wer fährt denn gerne jeden Sonntag irgendwohin und lässt sich anpöbeln und beleidigen? Oft ist es nur verbal, aber manchmal wird man auch noch körperlich angegriffen. Und das für 18 Euro Verdienst. Da verbringe ich doch lieber einen schönen Tag mit der Familie. Wie ich vorhin schon gesagt habe: Die Profis wissen, wo die Grenzen sind, aber manche Amateure eben nicht.

Aufrufe: 09.3.2019, 06:13 Uhr
HT / Viktor TaschnerAutor