2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Der frühere Bundesliga-Profi Thomas Schneider, der seit über 15 Jahren in Straubing lebt, ist seit Jahren für den DFB im Einsatz.
Der frühere Bundesliga-Profi Thomas Schneider, der seit über 15 Jahren in Straubing lebt, ist seit Jahren für den DFB im Einsatz. – Foto: DFB/Philipp Reinhard

Thomas Schneider - Straubing als Basis, Deutschland als Aufgabe

Niederbayerische Exportschlager: Thomas Schneider - Teil 1: Der ehemalige Bundesliga-Profi und jetzige DFB-Chefscout ist ganz bewusst nach Straubing gezogen und fühlt sich dort heimisch

Zunächst war Thomas Schneider ein Importschlager. Nach seiner aktiven Karriere zog der Schwabe mit rheinischen Wurzeln nach Straubing, wo seine Frau aufgewachsen ist. Den Gäuboden bezeichnet der 48-Jährige inzwischen als seine Heimat, von der aus er seine Karriere als Trainer und DFB-Chefscout gestartet hat - und er somit zum Niederbayerischen Exportschlager geworden ist. Nur allzu gerne erinnert er sich an seine erste Station als Chef an der Linie beim FC Dingolfing...

Herr Schneider, sind Sie wegen ihres Geburtsortes Rheinhausen Ruhrpottler, sind sie wegen Ihrer Jugendzeit in Höfingen und Stuttgart Schwabe oder sind Sie, weil Sie seit einigen Jahren in Straubing leben, Niederbayer?
Gute und schwierige Frage. (überlegt) Ich bin bereits mit einem Jahr mit meinen Eltern ins Schwabenland gezogen und dort aufgewachsen. Von daher ist der schwäbische Einfluss auf mich wohl am größten. Schwabe mit rheinischen Wurzeln trifft es wohl am besten.

Wenn Sie von "Zuhause" sprechen, welcher Ort ist dann gemeint?
Auf alle Fälle Straubing. Straubing ist für mich Zuhause und Rückzugsort. Corona einmal ausgeklammert bin ich normalerweise sehr viel unterwegs, sitze im Flieger oder Stadion. Das ist oft mit einer gewissen Hektik verbunden. Da ist Straubing mit seiner Gemütlichkeit und Unaufgeregtheit der perfekte Ausgleich für mich.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie in Niederbayern und sportlich dann beim FC Dingolfing gelandet sind?
Nach meinem Karriereende in Hannover haben wir als Familie überlegt, wohin wir ziehen. Nachdem meine Frau in Straubing aufgewachsen ist und wir gute Kontakte in die Region hatten, haben wir uns für Straubing entschieden. Die Geschichte, wie ich beim FC Dingolfing gelandet bin, ist mittlerweile schon legendär (lacht).

Engagement bei Dingolfing: »Habe mich überzeugen lassen«

Jetzt sind wir aber gespannt.
Als wir nach Straubing gezogen sind, stand eines Tages eine Nachbarin mit ihrem Sohn vor der Tür und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, dessen Mannschaft zu trainieren - und das war der FC Dingolfing. So richtig konnte ich mir das im ersten Moment nicht vorstellen, habe mich dann aber überzeugen lassen und mir ein Spiel der Jungs angeschaut. Der Rest der Geschichte ist dann, glaube ich, bekannt.

Holen wir etwas weiter aus: Ihre aktive Karriere ist eng verbunden mit dem VfB Stuttgart, mit dem Sie 1992 den Meistertitel und 1997 den DFB-Pokalsieg feiern konnten. Zunächst einmal ganz allgemein: Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Mit sehr großer Dankbarkeit und vielen schönen Erinnerungen. Ich bin damals bereits mit zehn Jahren zum VfB gewechselt, habe dort alle Jugendteams durchlaufen, mit achtzehn das erste Mal Bundesliga gespielt und, wie oben genannt, auch den ein oder anderen Titel gewonnen. 20 Jahre als Spieler bei einem so tollen Verein spielen zu dürfen, ist ein absolutes Privileg.

Wie aktuellen Querelen auf Führungsebene des VfB tun dann doppelt weh, oder?
Sie sind auf alle Fälle nicht förderlich. Umso bemerkenswerter, dass sich das Team davon nicht beeindrucken lässt und weiter erfolgreich Fußball spielt. Man kann dem Verein nur wünschen, dass bald wieder Ruhe einkehrt.

Zunächst war der 48-Jährige beim DFB Co-Trainer von Jogi Löw, inzwischen ist er als Chefscout aktiv.
Zunächst war der 48-Jährige beim DFB Co-Trainer von Jogi Löw, inzwischen ist er als Chefscout aktiv. – Foto: DFB/Philipp Reinhard


Zurück zu Ihnen: Trotz ihrer auf nationaler Ebene sehr erfolgreichen Spielerkarriere blieb ihnen eine Karriere in der Nationalmannschaft verwehrt. Sie wurden zwar vom damaligen Bundestrainer Berti Vogts eingeladen, kamen aber nie zum Einsatz. Hadern Sie über diese verpasste Chance?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr dankbar dafür, wie es gelaufen ist. Denn was viele nicht wissen: Als 18-Jährige habe ich mir in meinem zweiten Bundesliga-Spiel eine schwere Rückenverletzung zugezogen. Ein Rückenwirbel war gebrochen, ein Nerv beschädigt. Ich war quasi Sportinvalide. Erst nach einer Operation und mehreren Monaten Reha konnte ich meinen Fuß wieder bewegen. Es dauerte zwei Jahre, bis ich wieder spielen konnte. Aufgrund dieser Vorgeschichte hatte ich immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und konnte selten viele Spiele hintereinander absolvieren. Deshalb bin ich insgesamt sehr stolz auf das, was ich erreicht habe.

Nicht das einzige Kapitel in ihrer Verletztenakte: Wegen einer lange nicht erkannten Borreliose-Erkrankung mussten Sie nach ihrem Wechsel nach Hannover frühzeitig Ihre Karriere beenden. Keinesfalls das Ende als Spieler, das Sie sich gewünscht haben...
Auf alle Fälle. Leider hat man den Zeckenbiss zu spät erkannt, eine Behandlung konnte in der Folge erst relativ spät begonnen werden. Grundsätzlich bin ich aber froh, dass diese Erkrankung überhaupt erkannt und entsprechend behandelt werden konnte, so dass ich heute ein normales Leben führen kann. Meine Karriere musste ich damals allerdings beenden.

Steile These in diesem Zusammenhang: Nicht einmal zehn Jahre später wäre durch den Fortschritt der medizinischen Betreuung der Bundesliga-Spieler diese Erkrankung sofort erkannt worden. Wären Sie etwas jünger hätte Sie nicht nur länger spielen können, sondern hätten auch deutlich mehr verdient...
Richtig ist, dass mit einer schnelleren Antibiotika-Therapie die Aussicht besser gewesen wäre, weiter zu spielen. Eine 100-prozentige Sicherheit hätte es aber auch nicht gegeben. Deshalb ist es müßig, darüber zu spekulieren.

Messi-Gehalt: »Solche Summen sind nicht mehr greifbar«

Sie waren noch Teil einer 1. Liga, in der noch mehr der Sport im Mittelpunkt stand als das Event. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Profigeschäftes hin zur Unterhaltungsmaschinerie?
Dass Fußball Unterhaltungscharakter hat und viele am Fußball partizipieren wollen, das war auch schon früher so. Auch damals gab es Berichterstattung durch die Medien, Werbung mit Spielern oder Home-Stories. In den letzten dreißig Jahren hat sich einfach die Technik und auch die Medienlandschaft radikal verändert, das Internet spielt eine große Rolle. Infos, Bilder und Stories können innerhalb von Sekunden einer großen Masse an Menschen zur Verfügung gestellt werden und zwar weltweit, Print wurde durch digitale Medien erweitert, Fans haben über soziale Netzwerke direkten Zugriff auf ihre Lieblingsspieler etc. etc.; Also würde ich eher sagen, das ist der Lauf der Zeit und der Fußball hat sich angepasst - die Vereine dementsprechend auch.

Verstehen Sie es irgendwie, wenn der Fan wegen der gigantischen Summen, die im Spiel sind, die Lust am Fußball verlieren?
Natürlich kann man das verstehen. Solche Summen, wie zum Beispiel die jetzt bei Messi kolportierte, sind ja nicht mehr greifbar. Allerdings glaube ich nicht, dass sich das in Zukunft gravierend ändern wird, durch die Folgen der Pandemie eventuell vorübergehend und gezwungenermaßen, aber sicher nicht dauerhaft. Eine faire Lösung könnte nur eine für alle europäischen Ligen sein und die sehe ich im Moment nicht.

Würden Sie tauschen wollen mit der jetzigen Generation?
Nicht wirklich, ich bin ganz froh, dass ich nicht den ganzen Tag Fotos von mir schießen muss, um mein Follower zufrieden zu stellen. Die 90er Jahre waren in dieser Hinsicht eine wunderbare entspannte Zeit.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Thomas Schneider über seine Engagement beim DFB - zunächst als Co-Trainer von Jogi Löw, nun als Chefscout. Außerdem erklärt er, warum das derzeitige Tief der Nationalmannschaft keinesfalls besorgniserregend sein muss.

Aufrufe: 027.3.2021, 07:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor