2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Thomas Keller (mi.) hat sich seinen Platz im Abwehrzentrum der Ingolstädter erkämpft.
Thomas Keller (mi.) hat sich seinen Platz im Abwehrzentrum der Ingolstädter erkämpft. – Foto: Sven Leifer

Thomas Keller: Nach der »bittersten Erfahrung« startet er durch

Der 21-Jährige Münchner ist auf dem besten Weg, in Ingolstadt den Durchbruch zu schaffen

Bodenständig und fokussiert - Thomas Keller ist eine der Entdeckungen in der 3. Liga. Der 21-Jährige Münchner hat sich beim FC Ingolstadt 04 einen Stammplatz erkämpft und will mit den Schanzern die schmerzvolle Erinnerung an den vergangenen Juli ausmerzen. FuPa hat mit dem Defensivmann gesprochen.

FuPa: Thomas, in einem denkwürdigen Relegations-Rückspiel gegen den 1. FC Nürnberg hattet ihr den Aufstieg in die 2. Liga schon so gut wie sicher. Dann kam die 96. Minute - und der Traum löste sich vor euren Augen in Luft auf. Hast du den 11. Juli 2020 aus deinem Gedächtnis gelöscht?
Thomas Keller (21): Das war sicher die bitterste Erfahrung, die ich bisher im Fußball erlebt habe. Sehr, sehr schmerzhaft. Und wir haben in der Sommerpause alle ein wenig Zeit gebraucht, uns davon zu erholen.

So bitter die Erfahrung auch war, bringt das einem jungen Spieler auf lange Sicht sogar mehr als ein Erfolgserlebnis?
So ein Tiefschlag kann dich als Mannschaft noch mehr zusammenschweißen. Wir haben uns alle geschworen, stärker zurückzukommen. Wir wollen dahin kommen, dass uns sowas in der Relegation erst gar nicht mehr passiert.

Heißt: Der direkte Aufstieg ist das große Ziel in Ingolstadt?
Ja!

Klare Aussage. Persönlich hast du die Enttäuschung im Sommer sehr gut weggesteckt. Mittlerweile hast du dich zum Stammspieler gemausert. Wie beurteilst du deine Entwicklung?
Es läuft bisher richtig gut für mich. Ich konnte bisher viele Spiele von Beginn an bestreiten. Es ist sehr wichtig, das Vertrauen des Trainers zu spüren. Und mit jedem Einsatz über die volle Distanz steigt auch das Selbstbewusstsein. Zudem bin ich der Meinung, dass ich mehr Konstanz in meine Leistungen reingebracht habe.

Ziel ist der Aufstieg: Dafür wollen Thomas Keller und Co. auch die Münchner Löwen um Stefan Lex hinter sich lassen.
Ziel ist der Aufstieg: Dafür wollen Thomas Keller und Co. auch die Münchner Löwen um Stefan Lex hinter sich lassen. – Foto: Sven Leifer

"Ich weiß gar nicht, ob sich der Blutdruck vom "Thommy" über die 90 Minuten überhaupt verändert. Der hat so eine Ruhe und Ballsicherheit, dass es ihn nicht interessiert, ob ihn gerade ein Spieler, zwei oder drei Spieler anlaufen" - dieser Satz stammt von deinem ehemaligen Teamkollegen Sebastian Süß. Ist Nervosität für dich ein Fremdwort?
Ja, ja, der Basti, ein guter Junge, der wird das schon wissen. (lacht) Nein im Ernst, das ist eine gute Frage. Eine gewisse Grundanspannung ist immer da, aber ich bin tatsächlich sehr darauf bedacht, Ruhe auszustrahlen. Basti spielt bestimmt auf unsere gemeinsame Zeit in der U17 und U19 in Unterhaching an. Da bin ich gerne hinten drin mal ins Dribbling gegangen, was wohl dem jugendlichen Leichtsinn geschuldet war. (lacht) Ich gehe in der dritten Liga wesentlich seltener ins Eins-gegen-Eins.

Ein FCI-Slogan lautet "Junge Spieler groß machen". Ist Ingolstadt, wo es ein wenig beschaulicher zugeht als vielleicht in München oder Nürnberg, der ideale Standort für Talente?
Man braucht sich ja nur ansehen, wie viele junge Spieler hier ihre Chancen und Einsatzzeiten bekommen. Die Mannschaft ist ausgewogen zusammengestellt, wir haben einen guten Mix. Und du weißt als junger Spieler: Hier habe ich die Möglichkeit, mich kontinuierlich zu entwickeln.

Die Schanzer-Philosophie lautet: Bodenständig und regional verwurzelt. Werte, die auch zu dir passen?
Ich würde mich als sehr bodenständig bezeichnen. Das habe ich von meinen Eltern vorgelebt bekommen. Deswegen kann ich mich damit voll identifizieren.

Keller debütierte 2019 in der U20-Nationalmannschaft.

Im September 2019 bist hast du unter Trainer Manuel Baum viermal in die U20-Nationalmannschaft berufen worden. Das legt die Messlatte für die weitere Karriere ziemlich hoch. Wo soll es für dich hingehen?
Ich würde jetzt nicht sagen, dass eine Berufung in eine Nachwuchs-Nationalmannschaft die Messlatte um so viel höher legt. Ein konkretes Karriereziel im Fußball zu benennen ist prinzipiell schwer. Aber eines ist klar: Ich will nicht für immer in der dritten Liga spielen. Deswegen würde ein Aufstieg in diesem Jahr genau passen. (schmunzelt)

Mittlerweile ist es traurige Gewohnheit geworden: Spiele vor leeren Rängen. Beeinflußt dich das?
Mir fehlen die Fans brutal. Zwischendurch waren ja wieder Zuschauer zugelassen, wenn auch stark eingeschränkt. Selbst wenn nur 1.000 oder 2.000 im Stadion waren, war das ein ganz anderes Feeling.

Aber ist es für die Spieler nicht sogar einfacher, wenn man nicht permanent den Lärm von den Rängen in den Ohren hat? Stichwort Kommunikation.
Für uns Spieler ist es tatsächlich einfacher, wenn Ruhe herrscht. Du verstehst jedes Wort. Aber die Leidenschaft der Fans macht doch Fußball aus, gerade in den Heimspielen. Wenn uns die Zuschauer anpeitschen, das beflügelt uns und setzt Kräfte frei.

Zweites Standbein neben dem Profifußball?

Du hast erwähnt, du seist ein sehr bodenständiger Typ. Wenn es sich mal ausgeht, sieht man dich dann mal am Spielfeldrand eines Kreisliga-Spiels?
Ehrlich gesagt bin ich froh, wenn ich vom Fußball auch mal abschalten kann. Trainingseinheiten, Spiele - unser Terminplan ist gerade in dieser außergewöhnlichen Saison sehr dicht getastet. Wenn wir dann wirklich mal frei haben, versuche ich bei meiner Familie und bei meiner Freundin auf andere Gedanken zu kommen.

Profifußball ist schwer planbar, es kann schnell in die eine oder andere Richtung gehen. Hast du deshalb schon mal daran gedacht, dir ein zweites berufliches Standbein aufzubauen?
Nach dem Abitur habe ich ein freiwilliges soziales Jahr eingelegt. Im Moment bin ich auf der Suche nach einem Online-Studiengang, der zu mir passen könnte. Da Sport meine große Leidenschaft ist, könnte ich es mir vorstellen, auch in die Richtung Sportmanagement was zu machen. Wenn ich etwas passendes gefunden habe, werde ich das in Angriff nehmen.

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.

Aufrufe: 05.2.2021, 07:00 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor