Erst die eigene 1:4-Schlappe beim neuen Meister Calcio Leinfelden-Echterdingen, dann die Siege der Konkurrenz aus Köngen und Nürtingen als Zugabe – so stehen die Schwarz-Weißen einen Spieltag vor dem Rundenende am Abgrund. Abstieg in die Bezirksliga? Man fühlt sich gerade ein bisschen an den VfB erinnert: es ist das eigentlich Undenkbare, das aber immer konkretere Formen annimmt. Nach wie vor belegen die Bonlandener zwar den zwölften Tabellenplatz, der nach jetzigem Stand den Gang in die Relegation bedeutete. Doch haben sie von den Mannschaften, die noch um den Klassenverbleib bangen, am nächsten Wochenende die vom Papier her mit Abstand schwerste Aufgabe. Finaler Gegner ist der Zweite TSV Bad Boll, der die Punkte selbst braucht.
Im Wissen, dass also noch Schlimmeres droht, erschiene ein Nachsitzen eben in der Relegation mittlerweile weniger als Strafarbeit denn als möglicher letzter Rettungsanker. Empfand man die für das Wochenende 18./19. Juni angesetzte Zusatzschicht beim Filderclub bis vor kurzem so erstrebenswert wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt, würde inzwischen der Trainer Klaus Kämmerer gerne annehmen. „Wir hätten damit eine weitere Option“, sagt der Coach, der ansonsten das sagt, was er in einer Situation wie der jetzigen sagen muss. Er geht „unverändert davon aus, dass wir es noch packen“.
Freilich: die ermutigenden Aspekte der aktuellen Partie hielten sich in Grenzen. Nein, es ist nicht so, dass man den Bonlandenern in puncto Einsatz etwas vorwerfen könnte. Auch war das Kräftemessen mit dem künftigen Verbandsligisten aus Echterdingen lange mitnichten eine so klare Sache, wie es das Endresultat vermuten lässt. Aber: zwei auf diesem Niveau dann verhängnisvolle Mankos schleppen Kämmerers Kicker halt weiter durch ihre Begegnungen. Erstens: sie nutzen ihre Torchancen nicht. Zweitens: die Abwehr ist immer für ein paar Aussetzer gut.
Vorne scheiterten die Gäste ganz anders als von ihnen befürchtet nicht etwa am Bollwerk Calcio – die Defensive des Titelträgers, in der Christopher Paurevic den gelb-rot-gesperrten Niko Zalac ersetzte, tat sich offensichtlich schwer, vom Feiermodus der vergangenen Woche noch einmal in den Normalbetrieb zu finden. Zum Bonlandener Problem wurde vielmehr die eigene Abschlussschwäche. „Fünf, sechs Hochkaräter“ zählte Kämmerer – „mehr als du gegen einen solchen Gegner normalerweise bekommst“. Doch nur Felix Böses an und für sich harmloser Flachschuss, den der Calcio-Keeper Denis Grgic auf dem regennassen Boden durchrutschen ließ, landete zur frühen Führung im Netz.
Ansonsten avancierte vor allem Maximilian Schwarz zum Pechvogel. Dreimal vergab er in Szenen, in denen die Anhänger seiner Elf bereits den Torschrei auf den Lippen hatten (7., 38., 61.). Darüber hinaus landete ein Kopfball von Ronald Ried am Innenpfosten (72.). „Dass wir diese Dinger nicht gemacht haben, war der eine Knackpunkt“, befand Kämmerer.
Der andere, wie erwähnt, ergab sich aus dem Defensivverhalten bei den Gegentoren. Symptomatisch dabei das erste – ein Nackenschlag aus dem Nichts. Zunächst versäumte es Mike Baradel, Emrah Basol am Flanken zu hindern, worauf im Zentrum Wlasios Kotaidis auch noch das Kopfballduell gegen Fatih Özkahraman verlor. Bis dahin hatten die Echterdinger Gastgeber nicht den Eindruck gemacht, im für sie bedeutungslosen letzten Heimspiel der Saison Bäume ausreißen zu wollen. Erst mit diesem Treffer und einem Pausen-Hallo-Wach-Ruf des Trainers Cataldo Diletto („Ich habe ihnen gesagt: Jungs, zeigt noch einmal, was ihr könnt!“) war der Calcio-Spieltrieb geweckt.
Die weitere Statistik zum letztlichen Bonlandener K.o.: beim 1:2 gab Sebastian Liebenstein dem heraneilenden Özkahraman Geleitschutz, statt ihn zu attackieren – was der Torjäger mit einem sehenswerten Lupfer zu seinem 19. Saisontreffer nutzte. Beim 1:3 durfte Gentian Lekaj einen Eckball unbehelligt einköpfen. Und bei seinem Flachschuss zum 1:4 aus Bonlandener Sicht hatte der ebenfalls eingewechselte Shkemb Miftari derart viel Platz am Strafraum, dass dort auch ein Lkw mühelos hätte rangieren können.
Zu diesem Zeitpunkt war es dann hüben doch noch Meisterkür, ein bisschen Echterdinger Ballzauber zum Ausbau der eindrucksvollen Serie, die sich nun auf acht Siege nacheinander beläuft – drüben stand derweil ein in den Keller gerauschtes Barometer der Hoffnungen.
„We are the champions“ dröhnte zuletzt aus den Calcio-Boxen, als die Bonlandener am Boden lagen. Ob sie noch einmal aufstehen? Der nächste Samstag muss es zeigen. „Jetzt brauchen wir einen Sahnetag“, weiß Kämmerer. Mithin einen anderen als beim gerade absolvierten Spiel.
Calcio Leinfelden-Echterdingen:Grgic – Manafis, Paurevic, Ege, Avdiu – Pranjic, Candan (67. Berger) – Basol (74. Lekaj), Gümüssu, Parrinello (79. Orfanidis) – Özkahraman (53. Miftari).
SV Bonlanden:Günther – Liebenstein, (81. Lapeschi) Kotaidis, Ried, Baradel – Adam – Pottmeyer, Maximilian Schwarz (81. Julian Schwarz), Schmidt, Großhans (77. Stannull) – Böse (57. Pehlivan).