2024-05-24T11:28:31.627Z

Interview
Dieter Kurth liegt nach seinem Herzifarkt weiterhin im Krankenhaus F: Kolb
Dieter Kurth liegt nach seinem Herzifarkt weiterhin im Krankenhaus F: Kolb

Stress im Traineramt

Hat seine Arbeit den Herzinfarkt von SpVgg Bayreuth-Trainer Dieter Kurth mitverursacht?

Dieter Kurth, Trainer der SpVgg Bayreuth, befindet sich nach seinem Herzinfarkt auf dem Weg der Besserung. Zwei Fragen beiben aber: Wie konnte es so weit kommen, und hat eventuell auch der Job von Dieter Kurth etwas mit dieser Erkrankung zu tun? FuPa-Oberfranken-Partner Nordbayerischer Kurier hat bei anderen Trainern nachgefragt, wie sie auf die Nachricht reagiert haben, und für wie gefährlich sie die nervliche Beanspruchung durch den Trainerjob halten.

Detlef Hugel (TSV Neudrossenfeld, Fußball Bayernliga Nord)


Foto: Kolb

„Der Mülleimer der Gesellschaft“

„Ich bin fürchterlich erschrocken, als ich von Kurths Herzinfarkt erfahren habe. Ich habe erst kürzlich erlebt, mit welchem Eifer Dieter bei der Sache ist, als er mit seiner Mannschaft auf unserem Gelände trainiert hat. Trainer sehe ich manchmal als Mülleimer der Gesellschaft, in den jeder seinen angestauten Frust hineinwerfen kann. Der Fußball und seine Emotionen sind zwar wichtig, aber oftmals geht die Kritik unter die Gürtellinie. Als Rückhalt spielt bei mir der engste Umkreis eine besondere Rolle. Wenn ich mich von Vertrauten beobachten lasse, sehe ich, ob der Druck meiner Gesundheit noch gut tut.

Weil die Hauptkonzentration auf meinem Beruf liegt, ist der Fußball für mich nur ein Hobby – ich kann die sportlichen Probleme meiner Mannschaft also auch mal ausblenden. Gerade seit dem Aufstieg in die Bayernliga und nach dem durchwachsenen Saisonstart gab es aber auch bei mir Situationen, in denen ich an meine persönlichen Grenzen gestoßen bin. Der Druck lastet letztlich beim Trainer am stärksten – er ist das schwächste Glied in der Kette. Ich versuche, mir deshalb ein paar Auszeiten zu nehmen und einfach mal nicht erreichbar zu sein. Wenn wir freitags spielen, fahre ich am freien Wochenende auch mal weiter weg und kann so die Gedanken zu Hause lassen.“ lab


Armin Eck (ATS Kulmbach, Bezirksliga Oberfranken Ost)


Foto: Kolb

„Nicht jeden Bericht in die Waagschale legen“

„Das ist natürlich eine Horrormeldung, durch die die sportlichen Ereignisse in den Hintergrund rücken. Aus gemeinsamen Trainerzeiten kenne ich Dieter Kurth als netten, umgänglichen Menschen und wünsche ihm, dass er bald wieder fit wird.

Im Gegensatz zum Spieler, der sich „nur“ auf seine Leistung konzentrieren muss, hat ein Trainer die Aufgabe, mehrere Spielertypen und Charaktere unter einen Hut zu bringen. Da ist der Druck aufgrund der höheren Verantwortung automatisch größer. Wenn man kurz nach dem Spiel schon wieder ein paar knifflige Fragen beantworten soll, ist der richtige Umgang mit den Medien von besonderer Bedeutung. Als Profi-Spieler habe ich beim Hamburger SV und bei Bayern München täglich gesehen, wie die Zeitungen die kleinste Geschichte zu einer Riesenstory machen – und inzwischen hat das Reininterpretieren in der Medienlandschaft noch stärker zugenommen. Aufgrund dieser Erfahrung habe ich mir inzwischen angeeignet, nicht jeden Bericht auf die Waagschale zu legen und das Drumherum etwas gelassener zu sehen. Es müssen sich aber auch die Journalisten einmal hinterfragen, schließlich sollen beide Seiten von der Berichterstattung profitieren – und wenn meine Worte umgedreht werden, muss ich überlegen, ob ich das nächste Mal noch etwas sage.“ lab



Michael Koch (Medi Bayreuth, Basketball-Bundesliga)


Foto: Kolb
„Man muss auch mal Abstand gewinnen“
„Ich denke nicht, dass man als Trainer grundsätzlich durch solche Schicksalsschläge gefährdet ist. Es ist von Person zu Person unterschiedlich und hängt davon ab, wie man mit dem Druck umgehen kann. Es ist wichtig, dass man Basketball auch mal liegen lassen kann und an einem freien Tag eben nicht das Spiel vom Vortag analysiert und das Training vom nächsten Tag vorbereitet. Ich mache da gern mal einen Spaziergang, oder lege auf dem Sofa die Füße hoch und lese ein Buch. Man muss einfach auch mal Abstand gewinnen. Denn das ist ein Job über volle zwölf Monate, und der Druck ist immer gegenwärtig. Das muss jedem klar sein, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet – wenn man verliert sowieso, und wenn man gewinnt, wollen die Zuschauer auch immer mehr. Als Trainer ist man immer die erste Person, die dabei im Blickpunkt steht. Da muss man auch auf den Druck vorbereitet sein, der von außen aufgebaut wird. Ich denke dabei nicht nur an die klassischen Medien. Es gibt ja auch im Internet reichlich Foren, wo ungestraft jeder über jeden beliebig herziehen kann, ohne auch nur seinen Namen nennen zu müssen. Und wenn man so etwas infrage stellt, dann ist man auch noch selbst der Buhmann. Da gibt es keinen anderen Weg: Man muss das einfach ausblenden können.“ es


Sergej Waßmiller, EHC Bayreuth (Eishockey Oberliga Süd)


Foto: Lammel

„Druck muss kanalisiert werden“
„Als ich von der Nachricht gehört habe, war ich völlig geschockt. Ich wünsche Dieter Kurth alles Gute und drücke ihm die Daumen, dass er sehr bald wieder gesund wird. Leider ist das im Sport nicht der erste Fall, dass ein Trainer einen Herzinfarkt bekommt oder an Burn-out erkrankt. Das zeigt auch, wie sehr man in diesem Job unter Druck steht. Man feiert bei Siegen und leidet bei Niederlagen. Ein Spieler trauert bei einer Niederlage meist nur kurz über das verlorene Spiel, aber ein Trainer beschäftigt sich damit 24 Stunden am Tag. Wenn ich an die Playoff-Serie gegen Klostersee denke, da stand ich völlig unter Strom. Ich war unter Dauerdruck, das Duell hat mich sehr viele Nerven gekostet. Man muss lernen, mit diesem Druck umzugehen. Und da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Wenn ich an einem Spieltag nach Hause komme, brauche ich eine Stunde Ruhe. Vor den Kamin setzen, keine Gespräche, einfach Ruhe. Das ist meine Art, den Druck zu kanalisieren, das respektiert auch meine Familie. Druck durch die Medien oder Aussagen der Fans ist da, das weiß jeder Trainer. Je höher die Liga, desto größer wird er. Ist Kritik an der eigenen Person oder am Team gerechtfertigt, dann kann man als Trainer damit umgehen. Schwierig wird es aber, wenn Kritik völlig aus der Luft gegriffen ist.“ ter



Aufrufe: 024.9.2014, 16:08 Uhr
Nordbayerischer KurierAutor