2024-05-17T14:19:24.476Z

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Balldienst und Getränke schleppen - das gehört noch zu den milderen Strafen im Amateurfußball. Foto: Sigel
Balldienst und Getränke schleppen - das gehört noch zu den milderen Strafen im Amateurfußball. Foto: Sigel

Strafenkataloge im Amateurfußball

Mannschaftsinterne disziplinarische Maßnahmen sorgen im Fußball neben dem Platz für Ordnung

Für eine Tätlichkeit gibt es vom Referee die Rote Karte. Aber wer garantiert einen ordnungsgemäßen Trainingsablauf? Auch Amateurvereine regeln das mittels detaillierten Strafenkatalogen. Wir haben uns einmal in der Szene umgehört...

Nebel liegt über dem Trainingsplatz des Landesligisten TV Echterdingen. Die Spieler sind schwer auseinanderzuhalten. Nur einer sticht heraus: David Milojkovic trägt ein giftgrünes Leibchen, das „Eselstrikot“. Gerechte Strafe für eine jüngst begangene Eselei: Milojkovic wurde beim letzten 5-gegen-2 von einem Teamkameraden getunnelt. Deshalb trägt er das grüne Shirt. Milojkovic ist nicht geknickt: Gelingt ihm selbst ein Beinschuss, darf er das Trikot an den Getunnelten abgeben.

Solche Neckereien sind fantasievolle Ergänzungen zu ganzen Katalogen mannschaftsinterner Maßnahmen, die ernsteren Zielen dienen: der Sanktionierung sozialen Fehlverhaltens. Kodizes existieren von der Bundesliga bis in die Kreisklasse. „Das ist gang und gäbe“, bestätigt Mark Stütz, Spielleiter des B-Ligisten PSV Stuttgart: „Im Fußball ist das immer üblich gewesen.“

Bußgeldkatalog des TV Echterdingen umfasst 20 Posten

Der Echterdinger Bußgeldkatalog umfasst 20 Posten – einschließlich der Frage, was geschieht, wenn Strafen zu spät berappt werden. Der PSV Stuttgart kommt mit einem halben Dutzend grundlegender Benimmregeln aus, deren Beachtung im Alltag selbstverständlich sein sollte. Beschlossen hat den Katalog die PSV-Mannschaftsversammlung, basisdemokratisch. Damit auch alle voll dahinter stehen und sich jeder zur Einhaltung wie auch zur Einforderung der Regeln verpflichtet fühlt. Mit geringem Aufwand herrscht eine hohe Selbstkontrolle, die nicht an die Person eines Trainers gebunden ist. Neben allerlei Nachlässigkeiten in Training und Spiel wie verlorenen Rundläufen und verschossenen Elfmetern ahnden solche Regularien die kleinen und größeren Disziplinlosigkeiten auf und neben dem Platz.

Wer beim TV Echterdingen seine Trainingsklamotten vergisst, zahlt zwei Euro pro Teil in die Mannschaftskasse. Klingelt das Handy in der Kabine, kostet das fünf Euro, genauso wie der Konsum von Alkohol oder Zigaretten auf dem Sportgelände. Wer seinen Balldienst nicht erledigt, muss zur Strafe die Leibchen waschen. Ebenso ärgerlich ist Unpünktlichkeit: Zuspätkommen zum Training kostet fünf Euro, unentschuldigtes Fehlen das Achtfache. Bei Nichterscheinen zum Spiel werden bis zu 50 Euro fällig. Am schwersten wiegen verbale oder tätliche Angriffe im Spiel: Zusätzlich zur Roten Karte durch den Schiedsrichter ­fließen vom Sünder 100 Euro in die Kasse, die der Vizekapitän verwaltet. Eine enorme Summe in der Landesliga, wo das Fußballspiel primär ein Zeitvertreib ist.

Geldstrafen in der B-Liga halb so hoch wie in der Landesliga

So sind die Geldstrafen beim PSV Stuttgart in der B-Liga in etwa halb so hoch. Dort ist man sich auch des Umstands bewusst, dass für Kreisligaspieler berufliche und ­familiäre Verpflichtungen Vorrang haben. Stütz betont daher die Dehnbarkeit der Regelungen: „Wenn einer im Stau steht, dann sagt er Bescheid. Das ist gar kein Thema.“

Jugendspielern Geldstrafen anzudrohen ist psychologisch, pädagogisch und rechtlich heikel. Hier werden in aller Regel Sondertrainings und Mannschaftsdienste verhängt. Kollektivstrafen verstoßen gegen das gerechte Prinzip von Ursache und Wirkung. Deshalb stehen sie in den vorgestellten Mannschaften nicht auf der Tagesordnung.

Freizeitbeschäftigung und Professionalität, Spieldrang und System, Eigensinn und Gehorsam, Integration und Abschreckung stehen im Interessenkonflikt. Dass bei Amateuren der Spaß im Vordergrund steht, zeigen kreative Ergänzungen: Am Geburtstag wird der Geehrte beim TV Echterdingen ­verpflichtet, eine Kleinigkeit mitzubringen oder ein Kabinenfest zu organisieren. Der Kasten Bier gilt als anerkannte Währung.

Teambuildende Maßnahmen stärken den Mannschaftsgeist

Solche teambildenden Maßnahmen sollen den Mannschaftsgeist stärken – und auch die Kasse füllen. Alle Einnahmen werden in die Mannschaft reinvestiert: Der TV Echterdingen finanziert von den internen Strafgeldern Mannschaftspullis und die bevorstehende Weihnachtsfeier, der PSV Stuttgart organisiert davon Tagesausflüge. Beim Saisonabschluss lässt man es richtig krachen.

Im Halbprofibereich erreichen Disziplin und Professionalität eine andere Dimension. So auch das Niveau der Geldforderungen. Beim SSV Reutlingen in der Oberliga unterschreiten sie selten 100 Euro. Das „tut weh“, sagt Kapitän Giuseppe Ricciardi, und das soll es auch: „Das sind grundlegende Dinge, die einfach passen müssen.“ Alle Angaben sind nur Richtwerte: Über jede Verfehlung urteilt der Mannschaftsrat, Wiederholungstäter werden vom Trainer behandelt.

Zusätzlich erlässt der SSV einen Ehrenkodex, der die Basics verantwortungsbewussten und mannschaftsdienlichen Benehmens umreißt. Der wird von allen Mitspielern unterzeichnet: „Das ist einfach Ehrensache.“ Eine sportliche Sichtweise, die, von jedem Sportsmann verinnerlicht, einige Maßnahmen überflüssig, die Sause zum Saisonabschluss aber öde machen würde.

Strafenkatalog des TV Echterdingen

  1. Zuspätkommen zum Training kostet fünf Euro, unentschuldigtes Fehlen 40 Euro.
  2. Trainingsklamotten zu Hause vergessen? Bitte zwei Euro – pro Teil!
  3. Man spricht Deutsch? Hoffentlich: Fremdsprachige Konversation wird mit fünf Euro plus Balldienst gesühnt.
  4. Wird dann der Balldienst nicht korrekt erledigt, muss der Sünder alle Leibchen waschen.
  5. Bei Nichterscheinen zu Treffen werden 50 Euro fällig, bis zu zehn Minuten Verspätung zehn Euro.
  6. Vorsicht beim „Eckle“: Wer getunnelt wird, trägt das „Eselstrikot“ – bis zum nächsten Beinschuss.
  7. Und der Esel, der sein Eselstrikot vergisst, zahlt gleich noch mal fünf Euro in die Kasse.
  8. Handyklingeln nervt! Fünf Euro für den, der in der Kabine musiziert.
  9. Die Rekordstrafe gibt es für Unsportlichkeiten: Eine Rote Karte hierfür kostet den Sünder 100 Euro.
Aufrufe: 019.11.2015, 11:00 Uhr
StN/ Torsten BücheleAutor