2024-06-14T14:12:32.331Z

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Mannschaftsfoto des Schwaben Athletic Club aus den 1940er-Jahren. 1967 wurde man US-amerikanischer Amateurmeister. Foto: Schwaben AC/Montage FuPa
Mannschaftsfoto des Schwaben Athletic Club aus den 1940er-Jahren. 1967 wurde man US-amerikanischer Amateurmeister. Foto: Schwaben AC/Montage FuPa

Schwaben AC: Fußball mit schwäbischen Wurzeln in Chicago

Fußballclub mit schwäbischem Migrationshintergrund +++ Großes Jubiläum steht an

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In Chicago gibt es einen Club, der Schwaben AC heißt. Der 76-jährige Horst Lichtenberger ist darum bemüht, die schwäbischen Wurzeln im Verein zu wahren. Das wird von Jahr zu Jahr schwerer. Ein ehemaliger Bundesligaspieler macht Hoffnung.

Fünf Rasenplätze strahlen in der Sonne, ein paar Kinder tollen auf ihnen umher, Herbstlaub rahmt die Plätze ein. Die Anlage ist das kleine Heiligtum des Vereins, der sich Schwaben AC nennt. Als einer von wenigen Klubs aus der Millionenmetropole Chicago ist er im Besitz eines eigenen Grundstücks. Die neuen Clubs, die nach dem beginnenden Fußball-Boom aus dem Boden sprießen, müssen sich Plätze mieten und teilen. Der Schwaben Athletic Club hat Glück gehabt. Er profitiert von den Vorteilen einer langen Vereinsgeschichte, von Zeiten, in denen Grundstücke noch erschwinglich waren.

Horst Lichtenberger ist der starke Mann hinter dem Schwaben Athletic Club

Geschichte ist einem Mann besonders wichtig. Horst Lichtenbeger mustert die Anlage, den Arm hat er in die Seite gestützt. Der Schwaben Athletic Club ist sein Verein. Er ist für den Schwaben, geboren in einem kleinen Ort bei Pforzheim, ein Stück Erinnerung an das alte Zuhause in seiner neuen Heimat. Bis heute ist er das. Und es ist ein jährlicher Kampf, dass das so bleibt. „Anders als in Deutschland, gibt es wenige Mitglieder, die mitmachen. Von 500 sind vielleicht 25 aktiv“, sagt der 76-Jährige, der trotz des hohen Alters noch als Vizepräsident aktiv ist.

Als Lichtenberger 1957 auf Einladung seines Onkels nach Chicago kommt, besteht der Schwaben AC bereits seit 31 Jahren. Europäische Immigranten trafen sich in Siedlungen der Großstädte zum Fußballspielen und gründeten ihre Vereine. In Chicago gab es zu dieser Zeit viele Teams, die nur aus Einwanderern bestanden. Mit den Vereinsnamen erinnerten sich diese an ihre Heimat. So auch beim Schwaben AC. Von zwölf eingewanderten Schwaben und einem Bayer wurde der Verein gegründet. Die Schwaben wählten den Namen, der Bayer durfte sich die Vereinsfarben aussuchen. Natürlich bestimmte dieser die bayrischen Landesfarben blau und weiß.

Tausende Zuschauer kamen zu den Stadtliga-Spielen

Der Amateurfußball ist damals sehr beliebt, in der Stadtliga kamen manchmal tausende zu den Spielen. Besonders wenn Teams mit europäischen Migrationshintergrund gegeneinander spielten. Es waren kleine Länderspiele, die damals stattfanden, gegen Jugoslawen oder Italiener. „Viele Meisterschaften haben wir früher gewonnen“, sagt Lichtenberger.

Die Zeiten, in denen die Seitenränder der Plätze überquollen, sind lange vorbei. Viele Teams verwurzelten sich mit den Jahren in Amerika, verloren ihre Identität oder darbten dahin. Schwaben AC heißt der Verein zwar immer noch, doch ist es auch um Lichtenberger einsam geworden. Die Gründungsmitglieder starben vor langer Zeit, die anderen Alten werden von Jahr zu Jahr weniger. In der ersten Mannschaft spielt nur noch ein Aktiver, der schwäbische Wurzeln hat. Aber auch der Torhüter sei eigentlich in der vierten Generation US-Amerikaner, so Lichtenberger.

Lange Zeit musste sich der Schwabe nicht nur um die schwäbischen Wurzeln seines Vereins sorgen, sondern um das gesamte Fortbestehen des Schwaben AC. Vereinssport ist in den USA nicht allzu populär, gerade im Jugendbereich wurde mit der ansteigenden Beliebtheit des Soccers immer schwieriger, genügend Nachwuchs zu finden. In den Staaten spielen die meisten Talente in Jugendteams ihrer Highschools, später für die Teams ihrer Colleges.

Rostocker Ex-Profi Thomas Gansauge sorgt für Aufschwung

Ausrechnet ein anderer Einwanderer aus Deutschland sorgte dafür, dass die Sorgen um die Zukunft des Schwaben ACs allmählich schwinden. Thomas Gansauge spielte in den Neunzigerjahren für Hansa Rostock in der Bundesliga, nach den Ausklängen seiner Karriere ging er nach Chicago. „Eigentlich nur um ein Praktikum zu machen und das Land kennenzulernen“, sagt Gansauge.

Heute ist 45-Jährige Director of Coaching, wie es in den USA heißt, und vor allem ein guter Mann, wie es Lichtenberger ausdrückt. Unter seiner Leitung gibt es 21 Mannschaften, Jugendteams aus dem Mädchen- und Jungenbereich, Herrenmannschaften. „Das ist eine spannende Aufgabe“, sagt Gansauge, der beim Schwaben AC vier Teams betreut und die anderen Trainer koodiniert. Für die „spannende Aufgabe“ war Gansauge ins Risiko gegangen. Eigentlich als Abenteuer für ein paar Monate geplant, reiften mit den Aufgaben beim Schwaben AC und dem Gefallen am amerikanischen Lebensstil die Pläne, dauerhaft im Land zu bleiben. Gansauge lernt englisch, trainiert beim Schwaben AC immer mehr Mannschaften. Um sich finanziell abzusichern, gründet er eine Fußballschule, die er „Hansa-Soccer-Accademy“ tauft. Nachdem er fast vier Jahre von den Reserven seiner Karriere lebt, wird seine Jugendakademie erfolgreich. Gansauge bekommt das Business-Visum, wenig später trifft er seine künftige Ehefrau.

Hansa-Soccer und Schwaben AC arbeiten seit zehn Jahren zusammen, ein enges Bündnis ist zwischen dem alten Schwaben und dem Nordlicht von der Insel Rügen entstanden. Kinder, die Gansauge mit seinen Fußballcamps im Sommer anlockt, begeistert er für den Kernverein, mit seinem Trainergeschick hält er sie dort dauerhaft.

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Aus dem Schwaben AC soll kein reines Business-Modell werden

In den USA ist das nicht selbstverständlich. Jugendfußball ist in den USA anders organisiert, nicht nur in den Schulen, sondern auch in Vereinen wie dem Schwaben AC. Eltern schicken ihre Kinder zum Fußball wie andere zum Tennis oder ins Fitnessstudio. „Sie kommen nicht, um am Vereinsgestaltung teilzunehmen“, sagt Lichtenberger. Fußballvereine erbringen in den USA eine Leistung, sie statten Kinder aus, trainieren sie und organisieren Plätze, im Winter Hallen. Dafür zahlen die Eltern, bei den Schwaben 1300 bis 2000 Dollar pro 11-Monats Programm. Sind die Kinder unzufrieden, wechseln sie ohne Skrupel den Verein. „Das ist wie ein Business. Wenn wir nicht gut sind, bekommen wir Probleme“, ergänzt Gansauge.

Ein reines Business-Modell soll aus dem Schwaben AC nicht werden. Im nächsten Jahr hat Lichtenberger Großes vor, das neunzigjährige Vereins-Jubiläum steht an. Nachdem die Idee des jährlichen „schwäbischen Schlachtfestes“ schnell verpuffte, will der Verein im Jahr 2016 ein großes Vereinsfest veranstalten. Auch an die alten Schwaben solle dann erinnert werden, und er hätte schon was in Arbeit, sagt Lichtenberger. Er hofft: „Das wir neues Blut für den Verein gewinnen. Er soll noch lange bestehen. Und das wollen wir feiern.

Aufrufe: 022.11.2015, 11:00 Uhr
Hannes HilbrechtAutor