2024-03-28T15:56:44.387Z

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Für "Jojo" Müller wäre es ein "Obertraum" mit seinem TSV Röttenbach (weiß) zum Abschied aufzusteigen. F: Roland Huber
Für "Jojo" Müller wäre es ein "Obertraum" mit seinem TSV Röttenbach (weiß) zum Abschied aufzusteigen. F: Roland Huber

Schafft "Jojo" Müller es, mit Röttenbach aufzusteigen?

Für den Trainer, der den TSV im Sommer verlässt, wäre es der perfekt Abschied

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Manchmal grüßt das Überraschende von ganz oben: Der TSV Röttenbach hat bisher alle Erwartungen übertroffen. Dennoch geht Coach "Jojo" Müller auf Abschiedstour. Warum ein Trainer "Tschüss" sagt, der sein Team ins Herz geschlossen hat. Und warum das Geschenk zum Abgang genau zur rich­tigen Zeit kommen könnte.
Was wir heutzuta­ge nicht alles von Fußballtrainern ver­langen. Analytiker sollen sie sein, aber bitte bloß nicht zu analytisch. Die Emotionen dürfen ja auch nicht zu kurz kommen. Ein gutes Verhältnis zu ihrer Mannschaft sollen sie haben, aber bitte bloß nicht zu gut. Die Distanz müssen sie schon auch bewah­ren. Das Trainer-Dasein strotzt nur so vor Widersprüchen. Auch Joachim Müller kennt das. In dieser Saison hat er einen dieser vielen Widersprüche ein­seitig aufgelöst. „Ich habe mein Team einfach zu lieb gewonnen“, erzählt der Trainer. Sein Team, das sich trotz vieler Widrigkeiten in all den Jahren nie hat hängen lassen. „Der Abstand ist verloren gegangen“, erklärt Mül­ler. Das Nähe-Distanz-Problem: Des­halb verlässt er den Verein im Sommer nach über fünf Jahren. Trotz der Tabellenführung, mit der niemand so wirklich gerechnet hat.

Um zu verstehen, was den Erfolg so überraschend macht, lohnt sich ein kleiner Blick zurück. Im vergangenen Sommer verlassen gleich drei Stamm­spieler den Verein: Manuel Kilger, Ste­phan Baumüller und Erhan Gezici. Einen „Schock“ nennt der Trainer das heute. Hörte man sich damals in Röttenbach um, war von einem Umbruch die Rede. Die Mannschaft muss einige junge Spieler integrie­ren.

„Hat weh getan“

Nach mehreren Jahren in der Spitzengruppe der Kreisliga scheint ein Übergangsjahr unver­meidbar. Und auch die Konkurrenz schätzt den TSV diesmal nicht beson­ders hoch ein. „Bei man­chen galten wir sogar als Abstiegskandidat, das hat schon weh getan“, blickt Müller zurück. Was damals kaum einer weiß: Der Trainer hat längst einen Plan im Kopf, eine Idee, um die Abgänge aufzufangen. Zu Beginn der Vorberei­tung fährt die Mann­schaft nach Österreich ins Trainingslager. Dort feilen sie an einer neuen Taktik. „Durchaus ge­fährlich“, nennt Müller die rückblickend. Dreierkette. Warum sie die Antwort auf den Umbruch wer­den konnte, wird klar, wenn man die Bundesliga betrachtet. Die Dreierket­te feiert in Deutschland derzeit ihre Renaissance. Denn die formativen Vor­teile sind offensichtlich: Ein zusätzli­cher Aufbauspieler mit dem Ball, ein zusätzlicher Verteidiger gegen den Ball. Überzahl im Zentrum. Doch gerade im Amateurfußball werden neue Ideen nicht immer positiv aufge­nommen.

Auch intern kritisch beäugt

Und so beäugt der Verein die Umstellung auch intern zunächst kritisch. Röttenbach verliert die ers­ten beiden Saisonspiele, die Skeptiker scheinen bestätigt. Doch dann startet das Team aus dem Nichts eine Serie: Zwölf Spiele bleibt der TSV unge­schlagen, stellt ligaweit die beste Defensive und setzt sich an der Tabel­lenspitze fest. Dabei ist die neue Taktik nur einer von mehreren Mosaiksteinen, die den Röttenbacher Aufschwung erklären. „Die Mannschaft ist nochmal enger zusammengerückt“, sagt Müller. „Es gab eine ,Jetzt erst recht‘-Einstel­lung.“ Denn die Spieler wollten eben­falls beweisen, dass sie alles, aber kein Abstiegskandidat sind. „Es war auch Glück dabei“, sagt der Trainer. „Wir haben absolut am Limit gespielt“.

Reicht das? Gibt es den richtigen Zeitpunkt, um aufzusteigen? Im Fall vom TSV Röttenbach ist es in der Tat schwierig sich einen besseren vorzu­stellen. Nach dem Abstieg aus der Bezirksliga in 2012 zeigte der Verein immer wieder ansehnlichen Fußball, immer wieder mischte er ganz oben mit – und immer wieder scheiterte er. Mal in der Relegation gegen Kalch­reuth, mal in selbiger gegen den Post SV Nürnberg. "Jojo" Müller muss sich zeit­weise wie Sisyphos gefühlt haben. Wie in dem griechischen Mythos ver­suchte er immer wieder von Neuem den Röttenbacher Fels den Kreisliga-Berg hinauf zu wälzen. Nur um mitan­sehen zu müssen, wie der Fels kurz vor dem Gipfel zurück ins Tal rollt. Jetzt steht der fünfte Versuch an. Sollte der Aufstieg tatsächlichausgerechnet diesmal gelingen, wo doch nie­mand dem TSV Röttenbach etwas zutraute, es wäre bemerkenswert. Und der perfekte Abschied für den Trainer. Oder um es mit seinen Wor­ten zu sagen: „Ein Obertraum!“. Und manche Träume werden bekanntlich wahr.

Aufrufe: 023.2.2017, 09:56 Uhr
Oliver Koprivnjak (NN Herzogenaurach)Autor