Um zu verstehen, was den Erfolg so überraschend macht, lohnt sich ein kleiner Blick zurück. Im vergangenen Sommer verlassen gleich drei Stammspieler den Verein: Manuel Kilger, Stephan Baumüller und Erhan Gezici. Einen „Schock“ nennt der Trainer das heute. Hörte man sich damals in Röttenbach um, war von einem Umbruch die Rede. Die Mannschaft muss einige junge Spieler integrieren.
Nach mehreren Jahren in der Spitzengruppe der Kreisliga scheint ein Übergangsjahr unvermeidbar. Und auch die Konkurrenz schätzt den TSV diesmal nicht besonders hoch ein. „Bei manchen galten wir sogar als Abstiegskandidat, das hat schon weh getan“, blickt Müller zurück. Was damals kaum einer weiß: Der Trainer hat längst einen Plan im Kopf, eine Idee, um die Abgänge aufzufangen. Zu Beginn der Vorbereitung fährt die Mannschaft nach Österreich ins Trainingslager. Dort feilen sie an einer neuen Taktik. „Durchaus gefährlich“, nennt Müller die rückblickend. Dreierkette. Warum sie die Antwort auf den Umbruch werden konnte, wird klar, wenn man die Bundesliga betrachtet. Die Dreierkette feiert in Deutschland derzeit ihre Renaissance. Denn die formativen Vorteile sind offensichtlich: Ein zusätzlicher Aufbauspieler mit dem Ball, ein zusätzlicher Verteidiger gegen den Ball. Überzahl im Zentrum. Doch gerade im Amateurfußball werden neue Ideen nicht immer positiv aufgenommen.
Und so beäugt der Verein die Umstellung auch intern zunächst kritisch. Röttenbach verliert die ersten beiden Saisonspiele, die Skeptiker scheinen bestätigt. Doch dann startet das Team aus dem Nichts eine Serie: Zwölf Spiele bleibt der TSV ungeschlagen, stellt ligaweit die beste Defensive und setzt sich an der Tabellenspitze fest. Dabei ist die neue Taktik nur einer von mehreren Mosaiksteinen, die den Röttenbacher Aufschwung erklären. „Die Mannschaft ist nochmal enger zusammengerückt“, sagt Müller. „Es gab eine ,Jetzt erst recht‘-Einstellung.“ Denn die Spieler wollten ebenfalls beweisen, dass sie alles, aber kein Abstiegskandidat sind. „Es war auch Glück dabei“, sagt der Trainer. „Wir haben absolut am Limit gespielt“.
Reicht das? Gibt es den richtigen Zeitpunkt, um aufzusteigen? Im Fall vom TSV Röttenbach ist es in der Tat schwierig sich einen besseren vorzustellen. Nach dem Abstieg aus der Bezirksliga in 2012 zeigte der Verein immer wieder ansehnlichen Fußball, immer wieder mischte er ganz oben mit – und immer wieder scheiterte er. Mal in der Relegation gegen Kalchreuth, mal in selbiger gegen den Post SV Nürnberg. "Jojo" Müller muss sich zeitweise wie Sisyphos gefühlt haben. Wie in dem griechischen Mythos versuchte er immer wieder von Neuem den Röttenbacher Fels den Kreisliga-Berg hinauf zu wälzen. Nur um mitansehen zu müssen, wie der Fels kurz vor dem Gipfel zurück ins Tal rollt. Jetzt steht der fünfte Versuch an. Sollte der Aufstieg tatsächlichausgerechnet diesmal gelingen, wo doch niemand dem TSV Röttenbach etwas zutraute, es wäre bemerkenswert. Und der perfekte Abschied für den Trainer. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: „Ein Obertraum!“. Und manche Träume werden bekanntlich wahr.