In der Winterpause läuteten bei den Verantwortlichen des SV Germania Ruhland die Alarmglocken: Das Kreisoberliga-Team stand nur knapp über den Abstiegsplätzen. Entsprechend dürftig fiel auch immer wieder die Trainingsbeteiligung aus. Ronny Thümmel, 2. Vorsitzender der Germania: „Wir haben gemerkt, dass wir schlecht dastehen. Einige Einheiten mussten sogar ganz ausfallen. Im Vorstand haben wir deswegen überlegt, wie wir den ganzen Trainings- und Spielbetrieb wieder attraktiver für die Jungs gestalten können.“ Dazu folgte auch die Ankündigung von Coach Christopher Winkler, sich ab der kommenden Saison wieder mehr auf die aktive Karriere als Spieler konzentrieren zu wollen.
Mehrere Wochen wurden im Hintergrund verschiedene Lösungen für die Situation - wie einen neuen Trainer suchen - intensiv diskutiert. Am Ende wurde im Vorstand der Germania die Idee der „selbstorganisierenden Mannschaft“, kurz SORGER, geboren. Thümmel: „Wir erfinden damit nicht das Rad neu. In vielen Kreisklassen gibt es schon zum Beispiel Zweite Mannschaften, die keinen Trainer haben und sich selbst organisieren. Wir sind jetzt aber die Ersten, die das auch auf höherem Niveau probieren wollen.“ Ab der kommenden Saison übernimmt das Kreisoberliga-Team selbst die volle Verantwortung für die sportliche Entwicklung der Mannschaft. Trainingsinhalte, -steuerung, Mannschaftssitzungen, taktische Vorgaben, Saisonziele: Alle wichtigen Entscheidungen sollen in Zukunft gemeinsam getroffen werden. Der bisherige Co-Trainer Jörg Fröhlich wird dafür als Teamassistent bei organisatorischen und bürokratischen Dingen weiter zur Verfügung stehen. Thümmel: „Ob zum Beispiel immer ein Spieler monatlich das Training gestaltet oder wöchentlich gewechselt wird, müssen die Jungs selbst festlegen. Sie sollen sich jetzt mit der Materie auseinandersetzen. Das schult auch deren Persönlichkeit. Sie werden es jetzt auch mit ganz anderen Augen sehen, ob ein Trainer vor der Mannschaft die Ansprache hält oder ob es ein Spieler macht. Sie werden ins kalte Wasser geschmissen und sollen sich in die Haut des Trainers versetzen.“
Damit das auch funktioniert, will der Vorstand in den kommenden Wochen gemeinsam mit der Mannschaft ein inhaltliches Grundkonzept erarbeiten. „In verschiedenen Seminaren sollen die Kernpunkte wie unter anderem die künftige Hierarchie des Teams festgelegt werden“, so Thümmel. Eine Ebene wird dabei auf jeden Fall fehlen: der Trainer ganz an der Spitze. „Viele der großen Bundesliga- oder National-Trainer werden immer als so innovativ hingestellt. Aber oft sind es nur die, die die Inhalte der Öffentlichkeit verkaufen. Denn dahinter arbeitet ein riesiger Betreuerstab, der alles macht. Und die Entscheidungen trifft auch nicht nur der Trainer alleine, sondern das Team. Das können wir aber in ländlichen Regionen mit so einem großen Stab nicht leisten. Die Mannschaft selbst hat aber trotzdem viele Ideen, und wir wollen sie nicht mehr nur von einem Kopf leiten lassen“, erklärt Thümmel.
Grundvoraussetzung für die neue Struktur war der Klassenerhalt in dieser Saison. Nach schwierigen Wochen ist er am vorletzten Spieltag gelungen. Thümmel: „Wir haben das künftige Konzept der Mannschaft bewußt erst später vorgestellt, weil wir sie noch nicht mit irgendwelchen neuen Dingen belasten wollten. Offenbar hatte das aber schon einen positiven Effekt, denn die letzten Wochen lief es ganz gut. Wir sind alle im Verein sehr froh, dass wir die Klasse gehalten haben.“ Der Vorstand hofft, dass dieser Effekt sich auch in den kommenden Wochen und Monaten weiter fortsetzen wird. „Wenn das Konzept funktioniert, ist es eine feine Sache. Es ist aber auch kein Problem, wenn etwas nicht klappt, dann ändern wir es. Alles kann immer offen und frei diskutiert werden. Die Spieler spüren dadurch ein extremes Vertrauen. Damit kann man sicher auch sportlich noch ganz schön was rausholen. Und vielleicht findet sich dadurch auch der eine oder andere neue Spieler, der das cool findet und sich uns anschließen will“, hofft Thümmel auf einen weiteren positiven Nebeneffekt.