2024-06-14T14:12:32.331Z

Ligabericht

Pott hat feines Gespür für die Malocher

Wolfgang Beller und die ersten hundert Tage als Co-Trainer auf Schalke +++ Ehemaliger Chamer und Bad Kötztinger bleibt gelassen

Die, die den Bundesadler auf der Brust tragen, denken nur an den WM-Quali-Kick gegen die Nordiren, doch im beschaulichen Aiterhofen ist alles ruhig. Was sollte Wolfgang Beller auch aus der Ruhe bringen. In sich ruhend, wie immer, wirkt der „Wolfi“, wie ihn auch die Kicker-Szene des Bayerwaldes kennt: „Morgen fahren wir wieder rauf nach Gelsenkirchen“, ist der Dienstplan des ehemaligen Trainers und Spielers beim FC Bad Kötzting und ASV Cham dennoch fixiert auf die, die den Bundesadler tragen. Dann beginnt für den „Co“ von Schalkes neuem Übungsleiter Markus Weinzierl wie für „Tobi“ Zellner der zweite Abschnitt des Groß-Unternehmens im Pott.

Teil zwei des Findungsprozesses in Königsblau nach vier Niederlagen zum Start und jenem ersten Sieg gegen die Gladbacher, dem so viele noch folgen müssen, um die Ruhrpott-Seele zu beruhigen. Wenngleich Wolfgang Beller uns erzählt, dass die oberflächlichen Eindrücke, die uns die vielfältige Medienlandschaft bietet, trögen: „Das Umfeld auf Schalke ist für uns sehr angenehm, ausgezeichnete Bedingungen“, der vielzitierte Mega-Druck durch die gigantischen Ansprüche beim Traditionsverein im Revier werde eher von außen reingetragen. Auch der neue Manager Christian Heidel „lässt uns freie Hand“, weiß Beller aus Augsburger Zeiten zu gut, dass man in der Bundesliga „überall Druck hat“.

„Hart arbeiten“, laute das Credo auch auf Schalke, ehrliche Arbeit gemäß der Malocher-Mentalität aus Zeiten der Bergwerksarbeit. Trugschluss, so Beller, sei überdies, eine bisweilen leblos wirkende Schalker Mannschaft habe diesen Fehlstart in erster Linie selber zu verantworten: „Wir haben eine sehr angenehme Mannschaft, guten Einfluss auf die Spieler“. Jener Findungsprozess sei noch am Laufen, weil „wir viele neue Spieler haben und ganz andere als beim Trainingsstart vor dem August.“ Der Schalker, ob nun in der Führungsetage oder auf der Stehtribüne mit dem Bierbecher in der Rechten, habe für Beller jedenfalls ein Gespür dafür, dass die Mannschaft zur Einheit reifen werde, rackern wolle und damit Erfolg haben werde. So müsse das ostbayerische Trio nicht fürchten, dass irgendwann die Tür aufgehe fürs „Ihr seid entlassen“.


Pendel schlägt schnell anders aus

Weil die Bundesliga als eine der stärksten Ligen der Welt so ausgeglichen ist, entscheiden Nuancen: „Zuerst war jeder Schuss ein Treffer gegen uns wie gegen Hoffenheim“, dann lächelt Glücksgöttin Fortuna plötzlich schelmisch vom Spielfeldrand, wenn die Gladbacher einen völlig überraschenden Elfer fabrizieren, an dessen Ende ein 4:0 für die Königsblauen steht. Nach einigen Jahren weiß man eben, wie schnell das Pendel in die andere Richtung ausschlagen kann. In eine Grube eingefahren mit der ganzen Mannschaft, wie angeblich üblich bei der Begrüßung auf Schalke, ist Wolfgang Beller als Kind des superflachen Gäubodens zwar noch nicht, wie er uns verrät, will das aber nachholen: „Einer unserer Zeugwarte war Arbeiter im Bergwerk“, kennen die drei Ostbayern längst die Bedeutung jenes „Glück auf, der Steiger kommt“ als Kernthema des Schalker Vereinsliedes.

Dass es in der Europa League mit zwei Siegen in ebenso vielen Spielen bisher besser geklappt hat für Ernst Kuzorras Erben als in der (allerdings weitaus wichtigeren) Liga, liegt für Beller auf der Hand: „Da sind durchaus Qualitätsunterschiede zwischen Bundesliga und Europacup zu erkennen.“ Obwohl vor der Länderspiel-Pause der erste Liga-Sieg gelungen war, gilt die Unterbrechung als willkommen. So ließ sich weiter an Feinheiten der Mannschaft arbeiten, die es anfangs vielleicht doch etwas „zu leicht genommen hatte“ (Beller). Wäre da nicht diese hohe Erwartungshaltung beim Dortmunder Erzfeind, der so lange keinen Titel mehr gewonnen hat. Dass die Mannschaft in ein paar Tagen wieder liefern muss, erlaubt keine Sentimentalitäten. Beim Treffen mit der Vergangenheit, „wenn wir in unser Stadion zurückkehren“, so der (gewollte?) Freud’sche Versprecher Bellers, wenn seine Schalker auch in Augsburg gewinnen müssten, um die Knappen-Seelen weiter zu balsamieren. Bundesliga hat bekanntlich keinen Raum für Sentimentalitäten.

Dass der Chamer Christoph Janker unter dem neuen FCA-Trainer Dirk Schuster ebenfalls nur selten von Anfang spiele, sieht Beller nicht als Makel: „Kann gut sein, dass er gegen uns dabei ist bei den vielen Verletzten“, würde es Beller dem „Django“ (der für uns neue Spitzname Jankers) gönnen. Sofern er nicht in der Nachspielzeit zum Augsburger Ausgleich trifft. Spaß beiseite, Realist Beller räumt ein, es sei „traumhaft“, diese Steigerung der persönlichen Entwicklung mit dem Job auf Schalke erleben zu dürfen. Weitere Steigerung will der 52-Jährige gar nicht benennen, Arbeit ist genug im Pott. Lange aufhalten kann er sich ohnehin nicht: „Ich frage halt meine Buam, wie es war ...“

Aufrufe: 010.10.2016, 12:00 Uhr
Markus GüntherAutor