2024-05-10T08:19:16.237Z

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Der Schlussstrich ist gezogen: Die Saison 2019/20/21 ist beendet – mit Auf- und Absteigern.
Der Schlussstrich ist gezogen: Die Saison 2019/20/21 ist beendet – mit Auf- und Absteigern. – Foto: Andreas Mayr

Oberbayern: Die Gewinner und Verlierer der Quotientenregel

Die Umsetzung von Paragraph 93 bringt auch einige Verlierer

Die Entscheidung ist gefallen. Die Saison wird nach dem Modell der Quotientenregel beendet. Dies hat zufolge, dass einigen Vereinen nun der Abstieg bevorsteht.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Das Hin und Her, das Für und Wider hat nun ein Ende. Die Amateurfußballer haben sich entschieden: Mit deutlicher Mehrheit haben sie für die Variante des Saisonabbruchs mit Auf- und Absteigern gestimmt. Sollte nun kein Verein mehr Klage einreichen, oder eine solche scheitern, ist die Saison 2019/20/21 endgültig beendet.

Die Abstimmung

Ein Spiel dauert 90 Minuten. Und die entscheidende Abstimmung über die Wertung dieser ultralangen, zerfahrenen Saison dauerte exakt 90 Stunden. Ob Zufall oder ein Wert mit Symbolcharakter bei diesem für viele Klubs so entscheidenden Voting: Die Vereine hatten von vergangenem Freitag, 16 Uhr, bis zum Dienstag um 10 Uhr Zeit, sich ihre Entscheidung zu überlegen. Jeder Verein, der eine Mannschaft im Senioren-Spielbetrieb gemeldet hat, konnte seine Stimme abgeben. Diese Voraussetzung erfüllen innerhalb des Bayerischen Fußballverbandes (BFV) 3695 Klubs. 2973 davon machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 80,46 Prozent. Ein stolzer Wert. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 76,2 Prozent.

Dass der Verband in den vergangenen Tagen seinen Vereinen die Konsequenzen der Variante „Auf- aber keine Absteiger“ – nämlich aufgeblähte XXL-Ligen mit zahlreichen Absteigern – deutlich vor Augen führte, schlug sich im Endergebnis der Wahl nieder. 71,14 Prozent stimmten dafür, die Saison anhand der Quotientenregelung sowohl mit Auf- als auch mit Absteigern zu werten. Eine deutliche Zweidrittel-Mehrheit. 2115 Klubs sind also damit einverstanden, dass es neben Gewinnern auch viele Verlierer gibt. Lediglich 858 Stimmen (28,86 Prozent) erhielt die Variante ohne Absteiger.

Die Verlierer des Votums

Für einige Mannschaften waren die vergangenen Wochen bis zur Entscheidung eine wahre Gefühlsachterbahn. Von Enttäuschung über Hoffnung bis hin zur Resignation war alles dabei. Als feststand, dass die Saison im Amateurfußball abgebrochen werden muss und anhand der Quotientenregelung gewertet werden wird, herrschte Enttäuschung. Ein Hoffnungsschimmer war die Nachricht, dass der Verband die Vereine anhand einer Abstimmung in die Entscheidungsfindung mit einbinden wird. Nun ist das Wahlergebnis da und das Szenario für jeden Freizeitkicker besiegelt: der SC Gaißach muss absteigen, die Zweitplatzierten SC Rot-Weiß, Lenggrieser SC und SF Bichl dürfen sich nicht in der Aufstiegsrelegation versuchen. Im Landkreisnorden dagegen waren die Positionen ohnehin von vorneherein klarer abgesteckt: Die meisten Vereine waren bereits im gesicherten Mittelfeld, die abgeschlagenen SF Egling-Straßlach hätten die Kurve Richtung Kreisliga-Erhalt ohnehin nicht mehr gekriegt.

Gelassen nimmt man die Tatsachenentscheidung beim Lenggrieser SC. „Wie man ein Voting auch anlegt – Recht machen kann man es ohnehin keinem“, stellt Alois Gerg, stellvertretender Fußball-Abteilungsleiter klar. „Natürlich hätten wir gerne in der Relegation um den Aufstieg mitgespielt. Aber die Bezirksliga genießt bei uns nicht die oberste Priorität. Da haben wir andere Probleme.“ Denn derzeit gibt es einige Baustellen in der ersten Mannschaft; die größte: die Trainerstelle. Andreas Riesch hätte die Erste ohnehin nur interimsweise bis Saisonende gecoacht. „Nun“, so Gerg, „haben wir Zeit, um den Posten langfristig zu besetzen.“ Generell steht der Mannschaft ein Generationswechsel ins Haus, da einige Stammkräfte über das Karriereende nachdenken, oder selbiges bereits beschlossen haben. „Bei diesem Umbruch steht im Vordergrund, dass wir Talente aus unserer Jugend einbauen“, erklärt Gerg, „drum sind wir in der Kreisliga gut aufgehoben.“

Auch ein paar Kilometer weiter isarabwärts steht eine Neuorientierung an: beim SC Gaißach. Als einziger Verein aus dem Landkreissüden muss der ehemalige Bezirksoberligist absteigen – in die A-Klasse. „Das Kapitel Kreisklasse hatten wir ohnehin so gut wie abgehakt“, gesteht Fußball-Chef Rainer Größwang. Zu viele Ausfälle und nur wenige Aufrücker aus der Reserve hatten die Saison sowieso zu einem Spießrutenlauf gemacht. „Selbst wenn wir durch irgendeine günstige Abstimmung den Klassenerhalt geschafft hätten, hätten wir in der kommenden Saison vermutlich wieder hinten mitgespielt.“ Nun aber, mit neuem Trainer – Thomas Gärner hatte auch für den Fall des Abstiegs zugesagt – soll mit jungem Personal ein spielerischer Re-Start gewagt werden. „Den jungen Burschen macht es sicherlich mehr Spaß, wenn sie sich erst einmal in der A-Klasse etablieren können und nicht in der Kreisklasse dauernd eins auf die Mütze kriegen.“

Seinem Ärger richtig Luft macht indessen Sepp Demmel, Sportlicher Leiter der SF Bichl – und zwar in zweierlei Hinsicht. Demmel hatte am Webinar teilgenommen, bei dem die beiden Varianten diskutiert wurden. „Da hat man deutlich gemerkt, wie sehr die Funktionäre den Paragraph 93 gepusht haben.“ Also die Option mit Auf- und Absteiger. „Natürlich ist es auf den ersten Blick abschreckend, wenn aus einer 20er-Liga acht Mannschaften absteigen. Aber diese großen Ligen hätte man auch über mehrere Spielzeiten verkleinern können. Aber das hätte ja Mehrarbeit bedeutet...“, echauffiert sich Demmel. Sein zweiter Kritikpunkt: „Warum werden wir als Zweitplatzierter der A-Klasse nicht mit dem Dritt- oder Viertletzten der Liga darüber gleichgestellt? Das ist unfair.“ Verständlich ist der Ärger bei den Sportfreunden, denn Relegant ist Relegant – ganz gleich, ob es nach oben oder unten geht.

Ein Sonderfall

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht man das Umfrageergebnis indessen beim SV Eurasburg-Beuerberg. Durch die Quotientenregelung ist die erste Mannschaft der Abstiegsrelegation entgangen. „Dafür ist unsere Zweite in die C-Klasse abgestiegen“, bedauert Andreas Mathäus, Trainer der ersten Mannschaft und neben Sepp Mair und Josef Geiger auch Abteilungsleiter. „Drum hatten wir für Option zwei votiert. Doch auch so ist’s kein Beinbruch“, meint Mathäus. „In unserer Zweiten steckt so viel Potenzial, dass sie wieder aufsteigt.“

Die Gewinner

Bei vielen Vereinen in der Region herrscht Einigkeit darüber, dass der Verband beziehungsweise die Mehrheit der abstimmenden Klubs die richtige Entscheidung getroffen haben. „Die klar bessere der beiden Varianten“, sagt Daniel Heidemann, Trainer des Kreisklassisten SV Bad Tölz, der sonst möglicherweise in die Abstiegsrelegation hätte müssen. Die Quotientenregel ohne Relegation komme einer normalen Wertung am nächsten. „So hat es zumindest einen sportlichen Wert“, meint auch sein Kollege Maxi Wagner vom FC Kochelsee Schlehdorf aus der Kreisklasse 3. „Immerhin waren drei Viertel der Saison gespielt, die Tabelle ist also durchaus kein Zufall.“ Die „fairste Lösung“, findet auch Martin Grelics, Trainer des Geretsrieder Landesligisten. Die Konsequenzen der zweiten Variante ohne Absteiger wären für Walter Lang „haarsträubend“ gewesen. „Das hätte den ganzen Corona-Rattenschwanz in die Zukunft verlagert“, sagt der Trainer des Landesligisten SV Bad Heilbrunn. „Aufgeblähte Ligen, die dann wieder ausgedünnt werden müssen“, befürchtet Grelics. Wagner: „So gibt es wenigstens einen ordentlichen Cut.“

Die Zukunft des Amateurfußball

Die Zukunft beginnt jetzt. Oder zumindest bald. In der Landesliga werden bereits in den nächsten Tagen die Gruppeneinteilungen vorgenommen. „Und dann können wir in die Vorbereitung für die nächste Saison starten, Spiele ausmachen“, sagt Lang. Allerdings steht noch nicht fest, ob wenigstens die nächste Spielzeit 2021/22 eine normale Saison wird. Daran hat Grelics seine Zweifel. „Nicht sehr wahrscheinlich“, glaubt der TuS-Trainer.

Zumindest ein Training wäre schon jetzt wieder möglich – theoretisch. Und mit Tests. Für Lang kommt es aber zu früh. „Wir gehen erst zum Start der Vorbereitung ins Training, jetzt macht es keinen Sinn.“ Bei den Tölzern und Schlehdorfern möchten sie dagegen schon wieder auf den Platz. Allerdings erst bei Inzidenzwerten von unter 50. Es geht mehr um Spaß, als um ernsthafte Vorbereitung. „Darum, dass wir mal wieder am Ball sind“, sagt Heidemann, dem allerdings schon auch einige analytische und technische Aspekte vorschweben. „Grundlagen schaffen. Wann hat man dafür sonst schon mal Zeit?“ Wagner sieht es ähnlich: „Es geht darum, dass man sich mal wieder treffen und Fußball spielen kann.“ Und auch Grelics möchte seine Spieler zu Lauftests und Standortbestimmung einbestellen, wenn Training wieder in voller Teamstärke möglich ist. „Die Spieler selbst haben auch Lust drauf.“

Befürchtungen, dass seine Kicker während der Corona-Zwangspause aus dem Leim gegangen seien, hat FCKS-Coach Wagner nicht. „Ich habe zwar noch nicht alle wieder gesehen“, sagt er grinsend. „Aber ich glaube, die Spieler haben für sich gut etwas getan, haben sich einigermaßen fit gehalten.“

(VON NICK SCHEDER UND WOLFGANG STAUNER)

Aufrufe: 020.5.2021, 09:27 Uhr
Tölzer Kurier / Nick Wolfgang Scheder Stauner (RedAutor