2024-06-14T14:12:32.331Z

Interview
Zählt zu den jungen Trainern im Fußballkreis Prignitz-Ruppin: Der 25-jährige Sebastian Stendel ist optimistisch, mit dem Lindower SV den Klassenerhalt in der Landesklasse West zu schaffen. © Foto: MZV/Matthias Haack
Zählt zu den jungen Trainern im Fußballkreis Prignitz-Ruppin: Der 25-jährige Sebastian Stendel ist optimistisch, mit dem Lindower SV den Klassenerhalt in der Landesklasse West zu schaffen. © Foto: MZV/Matthias Haack

"Man spürt plötzlich Druck"

Die Unkenrufe nach seinem Ende waren schon laut geworden, aber Sebastian Stendel hat Lindow im Griff. Ein Interview über Oswaldo Proenca, das Dauerthema Hannes Göhlke personelle Veränderungen und eine Suspendierung beim LSV.

Viele hatten ein frühes Ende seiner Trainertätigkeit beim Lindower SV vorausgesagt. Erst recht nach dem überaus holprigen Start in der Landesklasse West. Doch Sebastian Stendel hat den Lindower SV auf Kurs gebracht. Die Abstiegsgefahr besteht dennoch. Der 25-jährige Jung-Trainer erklärte im Gespräch mit Sportredakteur Gunnar Reblin den aus seiner Sicht erwartet schweren Findungsprozess in der Hinrunde. Und er redet über Ziele, Oswaldo Proenca, das Dauerthema Hannes Göhlke und kündigt Veränderungen an.
Herr Stendel, wie haben Sie zu Ihrer aktiven Fußballer-Zeit die Vorbereitungsphase, vor allem die im Winter, empfunden, als ungeliebte Pflicht?

Alles was in der Halle war, vor allem die spielerischen Sachen haben Spaß gemacht. Was die Einheiten für die Fitness betrifft, war es immer eine Qual. Damals in Pritzwalk, unter Jan Kistenmacher, hat er uns durch den Schnee gescheucht - hoch und runter. Aber ich weiß ja, auf was Sie anspielen. Und als Spieler habe ich auch die Erfahrung gemacht - es bringt was, diese Plackerei. Man merkt es dann auf dem Platz, vieles geht einfacher, weil die Puste dafür vorhanden ist. Die Vorbereitung ist sinnvoll, ein absolutes Muss.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit nach dem Trainingsauftakt Mitte Januar bis heute aus?

Die ersten zwei Wochen waren echt prima. Natürlich haben wir viele Laufeinheiten gemacht. Zuletzt lief es eher schleppend, weil auch die Witterungsbedingungen ein Arbeiten auf dem Platz nicht zu lassen. Wir wollten auch viele taktische Dinge einstudieren. Doch ein Ausweichen auf den Kunstrasenplatz in der benachbarten Sportschule ist auch eine Kostenfrage.

Wenn Sie Ihrer Mannschaft eine Schulnote für die gezeigten Leistungen in der Hinrunde geben müssten, welche wäre das? Und warum genau diese Note?

Ich denke, eine Drei plus wäre gerechtfertigt. Zum Ende der Hinrunde hat die Mannschaft das umgesetzt, was ich gefordert hatte: hinten kompakt stehen, vorne die wenigen Chancen eiskalt nutzen. Man darf nicht vergessen, es ist nach wie vor ein Prozess, gerade die Umsetzung einer Viererkette. Das benötigt Zeit. Und wir werden uns weiter verbessern.

Welche Gedanken gingen Ihnen nach dem misslungen Saisonauftakt mit sechs Niederlagen aus sieben Spielen, darunter das 0:10-Debakel in Golm, durch den Kopf?

Wenn ich zurückblicke, war es ein unangenehmes Gefühl, keine wirklich schöne Zeit. So ehrlich muss man sein. Gerade nach dem angesprochenen Debakel wollte der Vorstand schon Erklärungen von mir hören - zu Recht. Man spürt plötzlich Druck. Dennoch war ich weiter davon überzeugt, dass die Umstellung auf eine Viererkette beziehungsweise das neue System uns weiterbringt. Die Frage ist doch dann: Will ich als Mannschaft stehen bleiben oder mich weiterentwickeln? Es dauert halt, bis jeder weiß, was er auf seiner Position zu tun hat. Und die Mannschaft stand immer und steht auch nach wie vor voll hinter diesem eingeschlagenen Weg, den ich mit meinem Amtsantritt angeschoben hatte. Das ist mir auch sehr wichtig.

Anschließend holte Ihr Team noch zwölf Zähler, liegt mit aktuell 15 Zählern über dem Strich. Provokativ gefragt: Gehört der Lindower SV in die Landesklasse?

Eine schwierige Frage.

Dann bin ich auf Ihre Antwort gespannt!

Ich sage Ja, der Verein gehört in die Landesklasse. Es gibt aber auch ein Aber. Mit Blick auf die Zukunft muss noch einiges getan werden. Wir müssen aus sportlicher Sicht und was die Strukturen angeht, professioneller werden. Da beziehe ich meine Aufgaben auch ausdrücklich mit ein. Spieler aus der Region zu finden, die die Qualität für die Landesklasse mitbringen und auch auf diesem Niveau trainieren und spielen wollen, da fängt es an.

Können Sie in etwa beschreiben, wie viel von Ihrer Spiel-Philosophie schon im Team steckt und an welchen Stellschrauben noch weiter gedreht werden muss Richtung Idealvorstellung?

Ich wiederhole mich gerne noch einmal. Es braucht alles Zeit. Ich denke, wir sind bei fünfzig Prozent, also fehlen noch fünfzig Prozent. Die letzten Spiele in der Hinrunde haben gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Kompakt verteidigen, bei Ballgewinn schnell umschalten, ob im 4-4-2- oder 4-2-3-1-System. An bestimmten Abläufen auf dem Platz kann man immer feilen.

Mit Toni Maschitzke konnte im Winter nur ein Zugang vermeldet werden. Reicht die vorhandene Qualität, um die Klasse zu halten?

Bei Toni brauchen wir Geduld, er hat lange pausiert. Wir werden sehen, wie er uns am besten weiterhelfen kann. Ich hätte im Winter gerne noch ein, zwei Spieler mehr dazugeholt, aber das war nicht machbar. Grundsätzlich ist die Qualität aber da, um die Klasse halten zu können. Und mit Jens Schmidt, der wieder eingestiegen ist, haben wir ja auch einen gefühlten Neuzugang, der eine absolute Verstärkung sein kann und auch ist.

Lange Zeit war mit Oswaldo Proenca ein hier bekannter Name als Zugang im Gespräch, der aktuell für Templin in der Landesklasse Nord kickt. Nur ein Gerücht oder hatte der LSV tatsächlich die Fühler nach dem erfahrenen Brasilianer ausgestreckt?

Es war nicht nur ein Gerücht. Ich habe Kontakt zu Oswaldo aufgenommen. Aber er hat selbst signalisiert, die Saison mit Templin zu Ende spielen zu wollen. Und auch sein Verein hat klar zu verstehen gegeben, dass er Ossi nicht abgeben will. Ohnehin ist es ja schwierig, im Winter einen Wechsel abzuwickeln.

Natürlich fällt im Zusammenhang mit dem Lindower SV auch immer der Name Hannes Göhlke. Strebt der Verein oder auch der Spieler selbst eine Rückkehr ins Team an?

Zu Hannes kann ich nur sagen, dass er jederzeit willkommen ist. Es ist seine Entscheidung. Aber im Moment setzt er andere Prioritäten. Eine Tendenz für eine Rückkehr ist nicht erkennbar. Wir planen klar ohne ihn. Das Thema Göhlke darf aber auch kein Dauerthema bleiben. Vielmehr würde ich den Fokus gern auf die aktuellen Spieler lenken. Da gab es zuletzt beispielsweise mit Phillip Wolff, Mostafa Babakhani oder auch Youngster Tom Pahl ein paar Jungs, die es richtig gut gemacht haben und ihre Leistungen mehr Beachtung verdient gehabt hätten.

Gibt es Abgänge?

Nein. Aber mit Adem Dauti haben wir einen Spieler vorerst suspendiert.

Wieso das?

Da brauche ich kein Blatt vor den Mund nehmen. Er hat Forderungen gestellt, die wir nicht erfüllen können, nämlich eine Einsatzgarantie. Wir wollen uns aber noch einmal mit ihm zusammensetzen.

In zwei Wochen startet die zweite Saisonhälfte mit der Auswärtspartie beim Teltower FV, der als Tabellensechster derzeit nur fünf Zähler mehr auf dem Konto hat. Wie wichtig wäre ein erfolgreicher Auftakt und was ist von den Grün-Weißen in der Rückrunde zu erwarten?

Natürlich ist ein erfolgreicher Start wichtig. Unser Ziel ist es, die ersten Spiele nicht zu verlieren, wichtiger wäre gar noch, sie zu gewinnen. Jeder Punkt zählt, für das Konto und fürs Selbstvertrauen. Meine Hoffnung ist, dass wir in den ersten fünf, sechs Partien den Grundstein für den Klassenerhalt legen. Da können auch gerne dreckige Siege dabei sein. In unserer Situation sind Punkte wichtiger als schöner Fußball. Den wollen wir natürlich dennoch gerne zeigen. Weniger Gegentore (bisher 35, d. Red.) kriegen, dafür umso mehr Tore schießen als bisher (16). Und wir wollen ins Kreispokalfinale einziehen und nach Möglichkeit auch den Titel holen. In jedem Fall wird es mit Beginn der Rückrunde auch einige Veränderungen geben was das Team betrifft.

Sie machen mich neugierig. Heraus mit der Sprache!

Nein. Wir werden erst intern alles besprechen und kommunizieren. Sie können mich gerne zum Rückrundenstart noch einmal dazu befragen.

Die Fragen stellte Gunnar Reblin.

Trainerprofil: Sebastian Stendel

Aufrufe: 010.2.2018, 17:21 Uhr
MOZ.de / Gunnar ReblinAutor