2024-06-14T14:12:32.331Z

Ligabericht
Lanz
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Licht am Horizont

FRAUEN: +++ SV Ehringshausen sieht nach einigen Rückschlägen positiv in die Zukunft / Mädchenteam reaktivieren +++

Ehringshausen. Albrecht Well, Vorsitzender des SV Ehringshausen, hat schon einiges erlebt. Noch immer erinnert er sich gerne an die Hoch-Zeiten des Frauenfußballs beim SVE, als dem Team 1989 der Aufstieg in die Landesliga, damals die zweithöchste Spielklasse Deutschlands, gelungen war. Drei Jahre spielte Ehringshausen in der später in Verbandsliga umbenannten Klasse und Albrecht Well gesteht: „Ich bin dankbar, dass ich diese tolle Zeit miterleben durfte.“

Heute ist die Situation eine andere. Der Frauenfußball kämpft – im wahrsten Sinne des Wortes – im heimischen Fußballkreis ums Überleben. Nach der Abmeldung der Frauenmannschaft des TV Storndorf vor einem Jahr gibt es im gesamten Fußballkreis Alsfeld nur noch ein Damenteam – das des SV Ehringshausen. „Wir sind noch da und das möglichst lange“, formulieren Albrecht Well sowie Jugendleiterin und Trainerin Vanessa Lanz ein klares Ziel. Dabei liegen auch hinter dem SVE schwere Zeiten. In der vergangenen Saison musste man während der laufenden Spielzeit die zweite Damenmannschaft vom Spielbetrieb abmelden. Ein Mädchenteam konnte man für diese Runde nicht mehr stellen und die in der Gruppenliga aktive „Erste“ wurde – freiwillig – vor Rundenbeginn in die Kreisoberliga zurückgezogen.

Rückzug als Fortschritt

„Uns blieb nichts anderes übrig, nachdem einige Spielerinnen aufgehört, beziehungsweise zu einem anderen Verein im Raum Gießen gewechselt waren. Wir mussten eine ganz neue Mannschaft ausbauen, dabei viele Spielerinnen aus dem Jugendbereich einbauen. In der Gruppenliga hätten sie gleich mit dem Rücken zur Wand gestanden. So haben wir uns für die Kreisoberliga als Spielklasse entschieden, da uns klar war, dass das neuformierte Team da besser zurecht kommen würde“, erzählt Albrecht Well. Und heute ist ihm klar: „Diese Entscheidung war genau richtig.“

In der Tat: Die Mannschaft, die weiterhin von Benjamin May (Merzhausen) trainiert wird, schlägt sich prächtig in der Kreisoberliga. In den ersten Spielen tat sich das junge, unerfahrene Team noch schwer – speziell mit dem Toreschießen. Doch als auch in dieser Hinsicht der Knoten geplatzt war, ging es steil bergauf. Der Lohn: Tabellenplatz zwei, nur eine Saisonniederlage und ein überragendes Torverhältnis von 17:3. Mit 21 Punkten rangiert Ehringshausen auf dem zweiten Tabellenplatz, ledigliech einen Zähler mehr weist Spitzenreiter Reiskirchen/Saasen II auf. „Wenn man in der Winterpause so nah dran ist, will man auch oben dabei bleiben. Ich bin sicher, dass die Mädels jetzt hochmotiviert sind“, ist sich Vanessa Lanz sicher. Doch Albrecht Well beteuert: „Druck von Vereinsseite gibt es nicht – überhaupt nicht.“ Aktuell läuft die Vorbereitung auf die Restrunde, trainiert wird aktuell in Lehrbach. „Da können wir uns nur bedanken, dass wir den dortigen Platz benutzen dürfen. Bei uns geht aktuell nämlich gar nichts, da haben wir Hochwasser“, so Well. In der Liga geht es am 7. März mit der Partie bei Hermannstein II weiter, das erste Heimspiel des Jahres steht eine Woche später am 14. März gegen Lang-Göns an. Dann dürfte sich zeigen, wie gut das Team aus der Winterpause gekommen ist und ob man tatsächlich um den Meistertitel mitspielen kann.

Gelingt der Titelcoup?

Doch viel wichtiger als die Endplatzierung in der Kreisoberliga ist Well und Lanz, dass es in Sachen Frauenfußball wieder aufwärts geht. „Die Planungen sind immer sehr schwierig, da für viele heutzutage der Fußball nicht mehr die Bedeutung hat, wie das bei uns früher vielleicht der Fall war. Zudem haben wir viele junge Spielerinnen, da kann man nicht abschätzen, wie es bei ihnen weiter geht. Studieren sie? Wenn ja, wo? Erst wenn das alles abgeklärt ist, lässt sich sagen, wie groß der Kader für die neue Saison sein wird“, schildert Vanessa Lanz die Problematik einer frühzeitigen Planung. Immerhin: Derzeit spricht alles dafür, dass der SV Ehringshausen in der nächsten Saison wieder eine Mädchenmannschaft melden wird. Aktuell trainieren zwölf Mädchen beim SVE und geht es nach Well und Lanz, kommen noch einige dazu. Zu Verdanken hat man das dem Engagement einer Ehringshäuserin, die mächtig Werbung machte – und hier auch die Nachbargemeinden abklapperte. Mit Erfolg. Und was Well besonders freut: Mit Felicitas Harres ist auch eine waschechte Ehringshäuserin mit dabei.

„Wir machen schon sehr viel, um Mädchen für uns zu gewinnen“, erzählt Vanessa Lanz. Gerade die Kooperation mit den Schulen spielt dabei eine wichtige Rolle. Lanz selbst ist Lehrerin an der Gerhart-Hauptmann-Schule in Alsfeld, versucht auch hier Mädchen für den Fußball zu begeistern. Die Kooperation mit der Schule in Homberg ist derzeit schwieriger – nicht da kein Interesse besteht, sondern vielmehr, da in der dortigen Fußball-AG aktuell kein einziges Mädchen mitmacht.

Trotzdem: „Tendenziell sieht es dank des Engagements im Nachwuchsbereich wieder besser aus. Wir investieren viel, es macht aber auch Spaß“, so Lanz, die in ihren acht Jahren als Jugendtrainerin schon einige Mädchen an den Frauenfußball herangeführt hat. „Das waren schon eine ganze Menge, aber manchmal ist es auch frustrierend, wenn man sich alle Mühe gibt, viel Freizeit investiert und es kommt nichts zurück.“ Ganz bitter war für sie, als sich in der vergangenen Saison abzeichnete, dass für diese Spielzeit keine Mädchenmannschaft gestellt werden konnte. Da musste sie den Eltern der verbliebenen Spielerinnen erklären, dass es besser wäre, wenn diese den Verein wechseln würden. Ganz der Devise: Lieber sollen die Mädels bei einem anderen Club spielen, als ganz mit dem Fußball aufzuhören.

Doch jetzt richtet man den Blick in Ehringshausen wieder nach vorne. „Nicht jammern, sondern machen“, lautet einer der Leitsprüche von Albrecht Well. Und so lässt er mit seinen Vorstandskollegen nichts unversucht, den Frauenfußball wieder nach vorne zu bringen. „Schließlich haben wir im Fußballkreis ein Alleinstellungsmerkmal“, macht er Werbung in eigener Sache. Und wer weiß, vielleicht steht ja auch schon bald wieder eine Fahrt nach Spanien an. Dort war der SV Ehringshausen in der Vergangenheit schon zweimal mit seinen Mädchenmannschaften. Auch das eines der Aktionen und Investitionen, die man bereit ist zu tätigen, um den Frauen- und Mädchenfußball wieder nach vorne zu bringen.

Schon jetzt weisen Well und Lanz zudem auf den im Frühjahr geplanten Mädchenfußballtag hin, bei dem man interessierte Mädchen den Fußballsport näher bringen möchte. Wer Interesse hat, kann aber auch jetzt schon einmal beim Training vorbei schauen. Die Mädchen trainieren aktuell noch in der Halle (donnerstags ab 18 Uhr in Nieder-Gemünden), bei besseren Platzverhältnissen wieder auf dem Sportplatz in Ehringshausen, dann aber montags ab 18 Uhr. Das Frauenteam trainiert montags und donnerstags. Und wer weiß, vielleicht gibt es nächste Saison nicht nur wieder eine Mädchenfußballmannschaft beim SV Ehringshausen, sondern auch ein Meisterteam zu feiern. Nämlich dann, wenn die Truppe von Trainer Benjamin May noch den Kreisoberliga-Teil holt.



Aufrufe: 09.2.2020, 10:00 Uhr
Volker Lehr (Oberhessische Zeitung)Autor