2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Technisch und taktisch durchaus versiert, aber mit körperlichen Defiziten. So beschreibt DJK-Pionier Fritz Deiner den Frauenfußball.
Technisch und taktisch durchaus versiert, aber mit körperlichen Defiziten. So beschreibt DJK-Pionier Fritz Deiner den Frauenfußball. – Foto: Robert Geisler

»Ladies first« ist in Oberkümmering gelebte Tradition

Egal ob genereller Boom oder Flaute im Frauenfußball: Die DJK Eintracht Oberkümmering zählt seit 1986 zu den niederbayerischen Aushängeschildern

Nia Künzer - dieser Name dürfte bekannt sein. Nicht nur wegen ihres Jobs als TV-Fußballexpertin, sondern vor allem wegen ihres weltmeisterlichen Golden Goals im Jahr 2003. Auch der globale Titel 2007 sowie die Heim-WM 2011 sind in Erinnerung geblieben. All diese Ereignisse sorgten für einen kurzzeitigen Boom des Frauenfußballs in Deutschland, in Bayern und auch in Niederbayern. Aber nur kurzzeitig. Denn mit etwas Abstand verschwand die weibliche Ausführung der beliebsten Sportart wieder in der altbekannten Nische. Nicht so bei der DJK Eintracht Oberkümmering. Seit 1986 wird in unmittelbarer Nähe zum Nachbarort Hauzenberg Frauenfußball geradezu zelebriert - mal weniger erfolgreich, mal sehr erfolgreich.

34 Jahre gibt es also die DJK Oberkümmering inzwischen. Gegründet wurde der 330 Mitglieder starke Verein als gesellschaftlicher Treffpunkt der Dörfler, nach und nach sind einige Abteilungen - wie auch die Frauenfußballerinnen - hinzugekommen. In diesen mehr als drei Jahrzehnten erlebte die Eintracht zahlreiche Auf und Abs - kollektiv und individuell. "Wir sind wieder mal am Scheideweg", berichtet Vorsitzender Gerhard Müller. "Sportlich ist die Situation alles andere als zufriedenstellend. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir diese Talsohle wieder durchschreiten."

Fernab aller sportlichen Ambitionen und Erfolge zeichnet Oberkümmering zuallervorderst sein Durchhaltevermögen aus. Im Gegensatz zu den Herren fristet die weibliche Form des Fußballs - bis auf Ausnahmen - ein Mauerblümchendasein. Viele Spielerinnen konnten sich nur kurzzeitig dazu aufraufen, dem Ball hinterherzujagen. Viele Vereine versuchten sich beim Frauenfußball, scheiterten aber aus unterschiedlichen Gründen. Über 206 Damen- und Mädchen-Mannschaften waren 2010/11 niederbayernweit gemeldet, wie Gisela Raml, Vorsitzende des Bezirksfrauen und Mädchenausschusses, berichtet. Inzwischen sind es nur noch 155. Immer dabei: Die DJK Eintracht Oberkümmering.


Von der »Katastrophe« in die Landesliga

"In den letzten Jahren gingen die Zahlen rapide zurück. Dies liegt sicherlich an den vielfältigen Angeboten für Jugendlichen in anderen Bereichen aber auch am schlechten Abschneiden der Frauennationalmannschaft bei der EM 2017 und vor allem bei der WM 2019", erklärt die BFV-Funktionärin. In Anbetracht der Zahlen und dieser Aussage wird die Leistung der Oberkümmeringer noch wertiger. "Die DJK Oberkümmering hat mehrere Jahre höherklassig gespielt und war seit jeher ein Aushängeschild im Frauenfußball in Niederbayern. Die Vereinsführung hat die Frauenfußballmannschaft voll akzeptiert und in das gesellschaftliche Vereinsleben integriert."

Eng verbunden mit der Geschichte der Eintracht ist der Name Fritz Deiner. Der 67-Jährige war es, der auf dem Bolzplatz im kleinen Dörfchen im Bayerwald 1986 von Hobbyfußballerinnen angesprochen wurde, ob er sie denn nicht trainieren möchte. "Der Spaß an der Sache der Mädls war unbeschreiblich groß", erinnert er sich. "Technisch und taktisch war das Ganze aber eine Katastrophe." In vielen Trainingseinheiten und Gauditurnieren brachte Deiner, der zuvor bereits Erfahrung im Herrenbereich sammeln konnte, das Fußball ABC näher, die Vereinssparte wurde gegründet, eine Mannschaft für den Spielbetrieb gemeldet.


Dass die Eintracht-Spielerinnen mit ordentlich Spaß an der Freude Fußball spielen, zeigt dieses Mannschaftsfoto aus dem Jahr 2015.
Dass die Eintracht-Spielerinnen mit ordentlich Spaß an der Freude Fußball spielen, zeigt dieses Mannschaftsfoto aus dem Jahr 2015. – Foto: DJK Oberkümmering


Von Fürstenzell, von Thurmansbang und Grafenau kamen interessierte Mädchen und Frauen nach Oberkümmering, um Fußball zu spielen. Mit diesen Neuzugängen, die teilweise im Vorfeld höherklassige Erfahrung gesammelt hatten, kam zudem fußballerische Qualität ins Hauzenberger Land. "Es entwickelte sich eine ganz besondere Stimmung", blickt Fritz Deiner zurück. "Der Zusammenhalt suchte seinesgleichen und auch die Erfolge stellten sich langsam aber sicher ein." Diese Aussage darf in Anbetracht der ellenlange Siegesliste durchaus als Untertreibung eingestuft werden.

Anfang der 90er begann die sportlich beste Zeit der DJK Oberkümmering. Innerhalb von drei Jahren marschierte die Deiner-Truppe von der Kreis- in die Bezirksoberliga. Auch das niederbayerische Oberhaus dominierten die Bayerwädler nach belieben. Dreimal in Folge sicherten sich die Mädls den Titel, verzichteten aber aus logistischen und organisatorischen Gründen auf den Aufstieg. Erst nach der Jahrtausendwende wagte man den Schritt in die Landesliga. Erwähnenswert ist darüber hinaus der dreifache Gewinn des niederbayerischen DFB-Pokals.


Das größte Problem: Die fehlende Heimstätte

Schon damals machte die Verantwortlichen eine Begebenheit zu schaffen, die auch noch heute das größte Problem des Vereins darstellt. Die DJK verfügt in Oberkümmering nur über einen kleinen Bolzplatz. Offizielle Spiele müssen aus diesem Grund seit jeher in den Nachbarortschaften ausgetragen werden - überwiegend in Oberdiendorf, Eberhardsberg und Sonnen sowie außerdem in Haag, Hauzenberg und Thyrnau. "Die Tatsache, dass wir praktisch heimatlos sind, hat mit dazu beitragen, dass sich der Verein nicht weiterentwickeln konnte", verdeutlicht Vorsitzender Gerhard Müller. "Sogar das Gegenteil ist der Fall. Die große Euphorie ist längst abgeflacht."

Hinzu komme der generelle Rückgang des Interesses am Frauenfußballs sowie eine Damenoffensive vieler Vereine im Bayerischen Wald, die auch eine Herrenmannschaft stellen und deshalb einen komplett anderen Hintergrund haben als Oberkümmering. An der Attraktivität des Spiels liege es sicherlich nicht, dass sich nur wenige Zuschauer zu den Spielen der DJK einfinden, wie Fritz Deiner betont. "Technisch und taktisch ist das nicht ohne. Nur im körperlichen Bereich haben die Frauen Defizite gegenüber den Männern."

Inzwischen ist der einstige Landesligist wieder in der Bezirksliga angekommen, der zweitniedrigsten Spielklasse. Und auch dort ziert das Team von Trainerin Anke Fesl ohne Punktgewinn in sechs Spielen das Tabellenende. Dieses bittere Momentum ist aber für die Verantwortlichen kein Grund zu verzagen oder gar aufzugeben. Denn ähnlich wie im Herrenfußball herrscht auch beim weiblichen Geschlecht ein eklatanter Personalmangel in den unteren Ligen. Deshalb ist Gerhard Müller überhaupt froh, noch eine Mannschaft stellen zu können. Zu verdanken sei das dem großen Engagement der Abteilungsleiterin Elisabeth Bauer, die jedes Jahr mit großem Eifer versucht, Spielerinnen für die Eintracht zu überzeugen. Uns es gibt auch Hoffnung: "Inzwischen haben wir wieder eine Jugendmannschaft. Es geht wieder aufwärts."

Die DJK Oberkümmering ist also bereit, weiter an seiner (erfolgreichen) Geschichte zu schreiben. Mehr als Punkte und Titel wünschen sich die Spielerinnen jedoch Anerkennung in Form von positiven Reaktionen auf ihr Spiel und steigende Zuschauerzahlen. Und dann könnte selbst Nia Künzer in Vergessenheit geraten und sich Magdalena Stemplinger, Verena Schmalhofer & Co. in den Vordergrund dribbeln, passen und schießen...


Aufrufe: 011.5.2020, 11:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor