2024-06-14T14:12:32.331Z

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Im Fokus des Publikums: die Gesprächsrunde mit (von links) Moderator Florian Naß, Heribert Bruchhagen, Matthias Hagner und Karl-Heinz Wagner. Foto: Schepp
Im Fokus des Publikums: die Gesprächsrunde mit (von links) Moderator Florian Naß, Heribert Bruchhagen, Matthias Hagner und Karl-Heinz Wagner. Foto: Schepp

Kurzweilige Plauderrunde

Heribert Bruchhagen, Matthias Hagner und Karl-Heinz Wagner über Profi- und Amateur-Fußball und die WM

GIESSEN. Allzu lange dauerte es nicht, ehe am Montagabend zum ersten Mal die unnachahmliche Art von Heribert Bruchhagen zum Vorschein kam. Als es um die jüngste sportliche Krise bei der Frankfurter Eintracht und die diesbezüglichen öffentlichen Diskussionen ging, brachte der Vorstandsvorsitzende des einzigen hessischen Bundesligisten die rund 100 geladenen Gäste im Verlagsgebäude des Gießener Anzeigers erstmals zum Lachen.

„Lesen Sie die Frankfurter Rundschau?“, fragte der gebürtige Düsseldorfer Moderator Florian Naß. Der reagierte mit einem Schmunzeln, während Bruchhagen keine Miene verzog. „Ich arbeite in Frankfurt“, entgegnete der Fernsehjournalist. Bruchhagens Reaktion: „Lesen Sie mal die Frankfurter Rundschau von Montag bis Freitag. Da fällt Ihnen gar nichts mehr ein“, sagte Bruchhagen und verwies auf die jüngste Berichterstattung des Traditionsblattes über die Frankfurter Eintracht. Dies war nur eins von vielen Themen aus dem Fußball, über das am Montagabend in Gießen-Wieseck intensiv diskutiert wurde.

Kritisch beleuchtet wurde neben der schwierigen Situation von Bundesliga-Trainern unter anderem auch die Entwicklung des Amateurfußballs und dessen schwieriges Verhältnis zum Profifußball. Für eine solche Diskussion hatte der Gießener Anzeiger genau die richtigen Gäste eingeladen.

Neben Heribert Bruchhagen, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert als Funktionär in der Bundesliga arbeitet, nahmen nämlich die Gießener Fußballikone Karl-Heinz Wagner und Matthias Hagner (ehemaliger Bundesliga-Profi) an der Gesprächsrunde teil. Während Ersterer seit vielen Jahrzehnten in verschiedenen Funktionen für den Verbandsligisten VfB 1900 Gießen tätig und ein absoluter Kenner des Amateurfußballs ist, kennt der frühere Spieler von Eintracht Frankfurt den deutschen Fußball nicht nur aus Spieler-, sondern auch aus Trainerperspektive. Bis Anfang November arbeitete der gebürtige Gießener und Ex-Coach des VfB 1900 Gießen für die Sportfreunde Siegen, ehe er entlassen wurde. Das Thema Trainerwechsel war freilich eines der weiteren Themen, die auf dem Zettel von Moderator Naß standen. Am Sonntag hatte schließlich Stefan Hassler seinen Platz als Trainer des VfB 1900 räumen müssen, keine 24 Stunden später war auch Armin Veh seinen Job als Trainer beim derzeitigen Bundesligaschlusslicht VfB Stuttgart los.

„Meines Erachtens war das eine logische Konsequenz. Der Veh hat gemerkt, dass er mit dem VfB unter den derzeitigen Bedingungen nicht so erfolgreich sein kann, wie es sein Anspruch ist“, sagte Wagner und schob nach: „Er hatte schließlich bei Eintracht Frankfurt aufgehört, weil er nicht mehr so viele Hände schütteln wollte.“ Bis heute haftet diese unglückliche Aussage an Armin Veh, was Bruchhagen am Montagabend kritisch kommentierte. „Fakt ist, dass wir im Guten auseinandergegangen sind.Armin Veh hat gemerkt, dass er in Frankfurt nach dem Erreichen der Europa-League nichts mehr erreichen konnte und hatte mit dieser Einschätzung auch recht“, betonte Bruchhagen, der während seiner langen Laufbahn als Fußballfunktionär erst zwei Trainer entlassen hat. Der ehemalige Gymnasiallehrer Bruchhagen ist nicht für Schnellschüsse bekannt, was Matthias Hagner lobte. „Man hat das Gefühl, dass er nicht auf alle Strömungen von außen reagiert und stets die Ruhe behält. Deswegen mache ich mir um die Eintracht auch keine Sorgen, obwohl sie zuletzt einige Spiele am Stück verloren hat.“ Bruchhagen kennt das Geschäft Bundesliga längst wie seine Westentasche, nimmt daher nicht mehr alles so ernst - und diese Gelassenheit trug er auch am Montagabend zur Schau, als es um Störfeuer von außen ging. „Man darf nicht vergessen, dass man im Fußball-Geschäft schnell in Vergessenheit gerät. Ich kenne die Motivation dieser Experten, ich kenne die Fragensteller - und ich kenne auch die Durchlauferhitzer.“ Das Publikum lachte wieder einmal - und wieder einmal verzog Bruchhagen keine Miene.

Gleichwohl wurde im Verlauf der rund anderthalbstündigen Gesprächsrunde aber auch sehr ernst und vor allem kontrovers diskutiert. Unter anderem über den Stellenwert und Einfluss von Spielerberatern und über die Perspektiven sowie Probleme des Amateurfußballs. „Früher kamen in Frankfurt zum Derby Niederrad gegen Oberrad 1500 Zuschauer, heute sind es 50. Das ist natürlich eine sehr traurige Entwicklung“, äußerte sich Bruchhagen zu den flächendeckend sinkenden Zuschauerzahlen im Amateurbereich. Karl-Heinz Wagner forderte angesichts der erdrückenden Dominanz des Profifußballs die Etablierung eines eigenen Amateurverbands - und die Rückkehr zu alten Strukturen. „Es wäre sinnvoll, wenn es wieder eine Amateurmeisterschaft und den Länderpokal geben würde. Das Problem ist doch, dass es die meisten jungen Spieler nicht in den Profifußball schaffen und ihnen im Amateurbereich derzeit die Perspektive fehlt.“

Die Entwicklungsbedingungen von jungen Spielern war ein weiteres zentrales Thema des Abends. Ist die Belastung in den Leistungszentren zu groß? Werden Nachwuchsspieler heute mehr umsorgt als früher? „Ich habe den Eindruck, dass man sich um Nachwuchsspieler heute generell wesentlich mehr kümmert. Allerdings ist der Erwartungsdruck größer geworden“, meinte Hagner. Und auch Heribert Bruchhagen hatte zu diesem Thema einiges beizutragen. Denn der heutige Funktionär war ja schließlich selbst aktiver Fußballer, lernte das Kicken auf der Straße und bei seinem Heimatverein TSG Harsewinkel. Irgendwann hatte es Bruchhagen dann in die Regionalligamannschaft des FC Gütersloh geschafft. Karl-Heinz Feldkamp war damals sein Coach - und der wurde später so berühmt, dass er eine Biografie schrieb. „Die zwei Jahre, die er bei uns war, tauchen aber aus irgendeinem Grund leider nicht auf“, sagte Bruchhagen trocken. Und verzog keine Miene. Aber das Publikum lachte.

Aufrufe: 025.11.2014, 21:48 Uhr
Daniel SeehuberAutor