2024-04-29T14:34:45.518Z

FuPa Portrait
Friedrich Ottens (links) lotste Andrew Uwuigbe nach Stätzling.  F.: Sebastian Mayr
Friedrich Ottens (links) lotste Andrew Uwuigbe nach Stätzling. F.: Sebastian Mayr

Kreisklasse statt Champions League

Andrew Uwuigbe war Fußball-Profi, dann kam ein Bruch in sein Leben +++ Jetzt kickt der Nigerianer mit seinen Freunden für den FC Stätzling II

Einen Traum hat Andrew Uwuigbe gehabt: einmal von Beginn an auflaufen, das wäre es gewesen. Eigentlich waren da auch andere Träume. Vom AC Mailand, vom FC Barcelona. Geklappt hat beides nicht. In den Jahren als Profi ist der nigerianische Mittelfeldspieler immer nur von der Bank gekommen. Nach Barcelona oder Mailand hat es Uwuigbe nie geschafft. Inzwischen kickt er beim FC Stätzling, in der zweiten Mannschaft und bei den Alten Herren.

Es ist eine andere Art Fußball, die der 38-Jährige jetzt spielt. Eine andere Art von Leben, die er führt. Im November ist sein drittes Kind zur Welt gekommen, ein Mädchen. Seit Kurzem arbeitet er für ein Bauunternehmen, Fußball ist für Andrew Uwuigbe nur noch ein Hobby. Eines, das er mit Freunden ausübt. „Die Leute hier lieben das Spiel“, sagt Uwuigbe, „sie spielen, weil sie spielen wollen.“
Nach Stätzling hat ihn Friedrich Ottens gebracht. Der Immobilienmakler hat ihm bei der Wohnungssuche geholfen und schließlich auch eine Bleibe für Uwuigbe und seine Familie gefunden. Die beiden freundeten sich an, und als Ottens hörte, das Uwuigbe früher Profi war, fragte er: „Lust, mitzukommen?“ Uwuigbe hatte Lust.

Ottens spielt selbst bei den Alten Herren in Stätzling. Andrew Uwuigbe machte dort drei Spiele, bei der zweiten Mannschaft kam er über einen Großteil der abgelaufenen Saison hinweg als Einwechselspieler zum Einsatz: acht Spiele in der Kreisklasse, 272 Minuten, drei Treffer. Am liebsten, sagt der Mittelfeldspieler, würde er jetzt in die Abwehr rücken. Die Mannschaft hat in der Rückrunde einige Spiele verloren, vielleicht könne er hinten helfen. Außerdem, sagt er, brauche man da nicht so viel Energie wie im Mittelfeld. Ein guter Torschütze sei er ohnehin nicht, und jeder solle da spielen, wo er dem Team am besten helfen könne.

Mehr als 20 Jahre ist es her, dass Andrew Uwuigbe zum ersten Mal nach Europa kam. Mit einem Visum reiste er nach Frankreich, um einen Profiklub zu finden. Weil das nicht klappte, machte er sich kurz vor Ablauf des Papiers auf nach Belgien. Ein Bekannter hatte ihm dazu geraten. Dort spielte er mit Freunden bei einem kleinen, selbst organisierten Turnier, als ihn ein Mann ansprach: ob er schon einen Verein habe? Der Mann stellte ihn erst bei einem Team aus der vierten oder fünften Liga vor, dann beim Erstligisten Lierse SK. Uwuigbe überzeugte beim Probetraining. Er bekam einen Vertrag, reiste wieder nach Nigeria und kehrte auf offiziellem Weg zurück nach Belgien.

„Ich hatte Glück, das alles geklappt hat“, erinnert sich der 38-Jährige. Von 1995 bis 1998 spielte er bei Lierse SK, meistens in der zweiten Mannschaft. Dort gehörte er zur Stammelf, bei den Profis kam er nur sporadisch zum Einsatz. Doch das Fußballportal Transfermarkt.de zählt sogar 28 Champions-League-Minuten im Herbst 1997. Drei Mal wurde Uwuigbe eingewechselt, darunter einmal gegen Bayer Leverkusen. Bei einer Niederlage gegen AS Monaco ersetzte er kurz vor Schluss Ralph Hasenhüttl. Der Österreicher trainierte zuletzt den FC Ingolstadt in der Bundesliga und übernimmt nun das Amt bei Aufsteiger RB Leipzig.

„Ich war kein schlechter Spieler“, sagt Uwuigbe. „Ich wollte weit kommen.“ Doch seine Profikarriere endete jäh. Er bekam Schwierigkeiten mit dem Gesetz, musste zwischenzeitlich sogar ins Gefängnis. 2004 kehrte er zurück nach Nigeria, an Fußball war nicht mehr zu denken. Dort gab es keinen Verein, der ihm ein Profigehalt hätte bezahlen können. Uwuigbe suchte sich eine andere Arbeit. Früher, als Schüler, sei er sehr an Bildung interessiert gewesen. Doch dann habe er im Fußball die größeren Chancen für sein Leben gesehen. Bereut habe er diese Entscheidung nicht: „Es war das beste Leben, das ich hatte“, sagt Andrew Uwuigbe. Er bedauere nur, aus der Chance, Profi zu sein, nicht mehr gemacht zu haben.
An diese Chance geglaubt hat er, weil er auch in der U-16-Nationalmannschaft seines Heimatlandes zum Einsatz gekommen war. Als er zu dieser Mannschaft eingeladen wurde, hörte er zum ersten Mal die Frage, wie alt er sei. Andrew Uwuigbes Geburtstag war nie gefeiert worden, sein Alter nie wichtig gewesen. Also legten sie beides fest. Es folgten Junioren-Länderspiele, die Reise nach Europa und drei Jahre als Profi.

Seit acht Jahren lebt Uwuigbe mit einer Aufenthaltsgenehmigung wieder in Europa, wo er arbeitet. In die Augsburger Gegend führten ihn Verwandte, die in Deutschland Asyl suchen und in einer Unterkunft in Neuburg an der Donau leben. Fußball hat Andrew Uwuigbe nach Ende seiner Profikarriere nur noch zum Spaß gespielt. Beim FC Stätzling hat er Freunde gefunden. Dort will er auch in der kommenden Saison weiterspielen. Auch, wenn die Arbeit wichtiger geworden ist als der Sport.

Drei Fragen an Andrew Uwuigbe

Wen würden Sie gerne einmal kennenlernen?

Da gibt es niemanden speziell. Jeder Mensch ist wichtig. Du weißt nie, wem du in der nächsten Stunde begegnest.

Mit welcher Sportart können Sie gar nichts anfangen?

Golf! Ich weiß gar nicht, wie man das einen Sport nennen kann. Aber ich kenne die Regeln auch nicht.

Womit kann man Sie so richtig auf die Palme bringen?

Natürlich gibt es da Sachen, wie bei jedem Menschen. Sogar Tiere werden wütend. Aber die Gründe, aus denen ich sauer werde, weiß ich nicht vorher. Manchmal ist es etwas, was jemand zu mir sagt. Manchmal sind es Dinge, die mir zustoßen. Manchmal sind es auch schlicht und einfach Missverständnisse, über die ich mich ärgere.

Aufrufe: 023.6.2016, 16:01 Uhr
Friedberger Allgemeine / Sebastian MayrAutor