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Volker Stellmach, Obmann der Haller Schiedsrichtergruppe, im Gespräch mit Knut Kircher (rechts).  Guido Seyerle
Volker Stellmach, Obmann der Haller Schiedsrichtergruppe, im Gespräch mit Knut Kircher (rechts). Guido Seyerle

Knut Kircher mit Vortrag in der Haller Feuerwache Ost

So pfeift man nicht in der Bundesliga!“ Knut Kircher lächelt. „Ich musste mir in der Bundesliga als Novize von Stefan Effenberg gleich etwas anhören.“ Der Schiedsrichter gibt den 80 Zuhörern in der Haller Feuerwache Ost am Montag einen Einblick in seine damaligen Überlegungen

„Was sollte ich machen, den Anführer der Bayern deshalb zu mir zitieren? Ich habe die Situation laufen lassen.“ Wenige Minuten später trat Effenberg zu einem Freistoß an. „Der Anlauf, die Schusstechnik, es sah perfekt aus.“ Das Lächeln von Kircher verrät, dass noch etwas passierte. „Doch sein Schuss ging weit vorbei. Danach sagte ich zu ihm: ‚Herr Effenberg, so schießt man nicht in der Bundesliga‘.“ Das Eis zwischen Effenberg und Kircher war gebrochen, fortan akzeptierten sie sich.

Der Ex-Fifa-Schiedsrichter kündigt einen 90-minütigen Vortrag an – und genau so lang wird er auch. Zwar spürt man, dass der 49-Jährige seine Präsentation oft vorgetragen hat. Doch der gebürtige Tübinger ist ein Profi durch und durch. Er bezieht das Publikum – „die Schiedsrichter an der Basis“, wie er sie nennt – regelmäßig ein, lobt und motiviert. „Ich hätte ihm stundenlang zuhören können“, sagt Volker Schmidt vom SV Tüngental später. „Er versteht es, spannende Erlebnisse zu berichten.“ Die Schiedsrichtererlebnisse aus 15 Jahren Bundesliga und acht Jahren Fifa-Spielleitungen kommen nicht oberlehrerhaft daher, sondern Kircher vermittelt die Lehren aus besonderen Situationen. „Schiedsrichter sein, das ist die Freude an Entscheidungen“, sagt er.

Beständig nach oben

Profi-Schiedsrichter ist Kircher nie gewesen. „Das geht in Deutschland nicht“, erklärt der Entwicklungsingenieur bei Daimler, der mit seinem Team für alle Dachöffnungen wie Schiebedach und Co. zuständig ist. Seit 1986 leitet er Spiele. Mit Graus erinnert er sich an seine zweite Partie unter Beobachtung. „Da bekam ich 30 von 50 möglichen Punkten, die Saison war durch.“ Doch von der Bezirksliga ging es beständig nach oben, 1998 war die 2. Bundesliga erreicht. Letztlich wurden es 244 Mal Bundesliga, bis Kircher 2016 die Altersgrenze erreicht hatte.

In Erinnerung sind ihm unter anderem fünfeinhalb Wochen in Südkorea geblieben. Und eine Partie in Libyen. „Nach 80 Minuten stand es 1:0 für die Gäste. Mein Assistent winkte in der 81. Minute Abseits, als die Gastgeber vermeintlich den Ausgleich schossen. Danach flog ein Dolch knapp an ihm vorbei und blieb im Boden stecken.“ Kirchers Tipp: „Ruhe bewahren!“ Doch das gelang ihm auch nicht immer – zum Beispiel im Relegations-Rückspiel 1860 München gegen Holstein Kiel. Er schob den Löwen-Kapitän Christopher Schindler nach einer strittigen Situation energisch mit der Faust von sich. „Er hat nicht reagiert, als ich ihn mit dem Finger angetippt habe. So etwas darf trotzdem nicht passieren. Am nächsten Tag hat mich die Bild-Zeitung angerufen.“

Keine Scheuklappen aufsetzen, den Lärm auf dem Spielfeld ertragen und sich auf die Spielertypen einlassen: Kircher hat viele Tipps. Sein Fazit: „Jeder Schiedsrichter muss seinen Weg im Umgang finden. Das ist ein ständiges Probieren und Herantasten.“

Aufrufe: 05.10.2018, 08:35 Uhr
HT / Guido SeyerleAutor