2024-05-02T16:12:49.858Z

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Seine schönste Zeit hatte Julian Börner (links) bei Arminia Bielefeld - hier mit Fabian Klos.
Seine schönste Zeit hatte Julian Börner (links) bei Arminia Bielefeld - hier mit Fabian Klos. – Foto: Getty Images

Im Land, in dem niemand eine Bratwurst im VIP-Bereich isst

Julian Börner hat gleich mehrfach seinen Traum erfüllt. Der aus Weimar stammende Fußballer machte sein Hobby zum Beruf und realisierte mit dem Sprung in den englischen Profi-Fußball einen zweiten Kindheitswunsch!

Grundsympathisch und offen erzählt Julian Börner von seiner Fußball-Karriere, sein Familienglück in Bielefeld und den Unterschied zwischen der deutschen und englischen Fankultur.

„In England wird man es nicht erleben, dass jemand während des Spiels in der VIP-Lounge sitzt und eine Bratwurst ist. Die englischen Fans gehen ins Stadion, um ausschließlich Fußball zu sehen. Dafür kommen sie auch weit vor dem Anpfiff. Es ist das Geburtsland des Fußballs. Die Fans sind nah dran, es ist eine geile Stimmung und Fußball wird einfach gelebt“, gerät Julian Börner ins Schwärmen, wenn er von der Zeit beim Sheffield Wednesday Football Club in der Football League Championship (2. Liga Englands) erzählt. Unterschiede sieht er auch in der Spielweise. „Wenn du in England ein Kopfballduell vor 30.000 Zuschauern gewinnst und den Ball dabei ins Aus köpfst, wirst du vom ganzen Stadion gefeiert. In Deutschland sagen alle dann noch: Warum hat er den Ball ins Aus geköpft? Die Anhänger haben ein ganz feines Gespür dafür, wenn jemand alles für den Verein gibt, rackert und tut. Dass zahlen sie zurück und pushen dich umso mehr.“

Das Ankommen in England ist dem gebürtigen Weimarer nicht schwergefallen. Bereits nach vier, fünf Spielen sangen die Fans einen Song nur für ihn. „Das war schon außergewöhnlich und meine Mitspieler haben gesagt, dass so früh noch keinem ein Lied gewidmet wurde. Das macht mich natürlich stolz. In Deutschland singen die Fans Lieder für ihren Verein, in England eher für die Spieler.“, erklärt er seinen „Borner-Song“. Und auch sonst liegt ihm der englische Fußball von der Spielweise, auch wenn schon mal ein paar „richtige Büffel auf dich zukommen. Aber es wird gleich nicht jeder Ellbogen am Kopf abgepfiffen. Das gibt einen als Stürmer aber auch Abwehrspieler ganz andere Möglichkeiten. Was in Deutschland manchmal dunkelgelb ist, kann in England nicht mal einen Freistoß bedeuten. Das ist schon der Wahnsinn wie auf einem Kontinent die Regeln so differenziert ausgelegt werden.“, bestätigt er die „englischen Fußball-Klischees“. Mehr als 50 Spiele hat Julian in einer Saison. „Das ist dann von der Trainingssteuerung auch anders als im deutschen Fußball. In Deutschland kann mehr Taktik trainiert werden, wir sind zwischen den Spielen eigentlich nur mit Regeneration beschäftigt, weil wir alle drei Tage auf dem Feld stehen.“, benennt der Defensivakteur weitere Unterschiede. Seit Anfang der Saison spielt Julian im Mutterland des runden Leders. „Es war immer ein Traum von mir eines Tages in England zu spielen. Ich bin dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe.“ Diesen Traum hat Julian Börner sich erfüllt, doch es ist bei Weitem nicht der Einzige.

Seine erste Profistation war Energie Cottbus.
Seine erste Profistation war Energie Cottbus.

„Wie viele andere Jungs auch, habe ich mit 13 Jahren davon geträumt einmal Profifußballer zu werden. Als ich mit 18 Jahren dann meinen ersten Profi-Vertrag bei Energie Cottbus unterschrieben habe, war ich natürlich stolz wie Oskar.“, blickt er zurück auf den ersten Traum, den er sich erfüllt hat und sagt: „Es ist schon ein absolutes Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.“ Und diesen Beruf geht Julian jeden Tag mit viel Leidenschaft und Ehrgeiz an. Konstanz ist ihm dabei wichtig, wie seine fünf Jahre in Cottbus und anschließende fünf Jahre in Bielefeld zeigen. Mit der Arminia stieg er in die 2. Bundesliga auf und hielt vier Mal die Liga. Unvergessen dabei das Saisonfinale 2016/17. „Eigentlich waren wir für die meisten schon abgestiegen. Am vorletzten Spieltag haben wir gegen Braunschweig 6:0 gewonnen, wodurch wir dem Gegner den Aufstieg vermasselt haben. Der Höhepunkt war dann das 1:1 in Dresden, wo ich das Tor erzielte habe und wir die Liga halten konnten.“, blickt er zurück auf die größten Spiele seiner bisherigen Karriere. Die fußballerische Entwicklung ging ständig weiter bei Julian, der im Laufe der Zeit auch die Kapitänsbinde auf der Bielefelder Alm trug. Der Wunsch noch einmal in England zu kicken, bestand schon länger bei ihm. Vor etwa drei Jahren schlug er ein Angebot noch aus, doch im letzten Sommer packte er die Möglichkeit am Schopfe. „Da ich wohl nicht mehr Deutscher Meister werde oder die Champions League gewinne, wollte ich mir den Traum erfüllen und in England Fußball spielen.“

Und ohne große Anpassungsschwierigkeiten fand sich Julian direkt auf der Insel zurecht. Dabei spielte auch die Unterstützung der Familie eine große Rolle. Mit Kristina Börner (geborene Gessat) hat der 29-Jährige eine Frau an der Seite, die das Profigeschäft bestens kennt und so mitfühlen kann. Denn sie spielte selber bis 2013 mit Gütersloh in der Bundesliga der Frauen. „Das erleichtert natürlich vieles. Meine Frau weiß wie man als Fußballer tickt und steht voll hinter mir. Der Wechsel nach England war auch deshalb eine gemeinsame Entscheidung.“ Neben einer Frau mit Fußballblut bereitet seit drei Jahren auch seine kleine Tochter Julian viel Freude. „Für sie ist es natürlich auch nicht verkehrt, wenn sie jetzt zweisprachig aufwächst.“, so Julian. Und im August hat sich weiterer Nachwuchs im Hause Börner angekündigt. Es ist alles perfekt, woran auch die aktuelle Fußballpause aufgrund eines Virus, das die ganze Welt in Atem hält, nichts ändern kann.

Lufthochheit im eigenen Strafraum - dafür wird er auch bei Sheffield in England von den Fans geliebt.
Lufthochheit im eigenen Strafraum - dafür wird er auch bei Sheffield in England von den Fans geliebt. – Foto: Sascha Janne

Vor zwei Wochen ist Julian mit seiner Familie zurück nach Deutschland gekommen und hat das Haus in Bielefeld wieder eingenommen. “Das hatte vor allem medizinische Gründe. Meine Frau wurde während ihrer Schwangerschaft nur noch per Video-Gesprächen beraten. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist da schon deutlich besser.“ Nahezu den gleichen Satz, sagt der 1,88 Meter große Innenverteidiger auch mit Blick auf die Corona-Krise. „Die Engländer haben das Problem ziemlich unterschätzt und ihr Gesundheitssystem ist auch nicht so gut. Da sind wir in Deutschland schon verwöhnt.“ Kontakt hält er in der aktuellen Zeit über eine WhatsApp-Gruppe des Vereins. „Neben Trainingsplänen und Informationen werden dort auch die Nachrichten vom Trainer vom Kapitän weitergeleitet.“, so der 29-Jährige. Bis in England wieder der Ball rollt, vergeht aber wohl auch etwas Zeit. Der Trainingsstart ist aktuell für den 11. Mai anberaumt. In der Premier League und Championship soll es am 6. Juni weitergehen – natürlich ohne Zuschauer, die in England aber so viel ausmachen. „Ob dieser Schritt richtig oder falsch ist, mag ich nicht zu beurteilen. Dafür gibt es genug Experten.“ Bis 2022 hat Julian noch Vertrag in Sheffield und möchte diesen auch erfüllen – so wie bei allen Stationen zuvor auch. Danach wird er sich wohl langsam aber sicher der Karriere nach der Karriere widmen. Eine Rückkehr nach Thüringen scheint dabei allerdings ausgeschlossen, auch wenn die Verbindungen in die Heimat nie abreißen.

Denn hier hat Julian Börner schließlich erst beim SC 1903 Weimar und dann bei Vimaria Weimar das Fußball-ABC erlernt. Engen Kontakt pflegt der Abwehrspieler mit Patrick Naumann – Torwart vom FC Empor Weimar. „Mit Patrick bin ich im ständigen Austausch. Wir sind schon seit dem Kindergarten zusammen und unzertrennlich. Aber auch mit den Haubold-Brüdern oder mit „Matz“ Happe halte ich gerne mal einen Small Talk, wenn man sich beim Zwiebel- oder Weihnachtsmarkt in Weimar trifft“, erzählt er aus dem Nähkästchen. Angesprochen auf die Thüringer Vergangenheit blutet aber auch Julian sein Fußballerherz, wenn es um die acht Jahre im Nachwuchsleistungszentrum beim FC Rot-Weiß Erfurt geht. „Damals waren wir ein Leistungszentrum. Die A- und B-Junioren kickten in der Bundesliga. Nun ist der Fortbestand des ganzen Vereins in der Schwebe. Das kann ich nicht verstehen und habe auch keine Erklärung dafür. Es wird schon seine Gründe haben, aber ich denke, dass auch die Fans ein wenig an der langen Leine gezogen wurden.“, sagt er zur Entwicklung von RWE.

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Für seine persönliche Entwicklung hat Julian auch schon Pläne geknüpft. „Wenn mein Körper mitmacht, will ich noch drei, vier Jahre Fußball spielen.“, so der Verteidiger. Sein Wechsel nach England spielt hier auch eine Rolle, da auch wirtschaftliche Komponenten damit verbunden sind. Daraus macht Julian auch keinen Hehl, denn schließlich ist Fußballspielen auch sein Beruf, der ihm Rücklagen für die Zeit nach dem Ende der Fußball-Karriere geben soll. Die Rückkehr nach Bielefeld ist dabei schon beschlossene Sache. Nicht umsonst hat er dort schon Haus und Hof erworben und mit den Schwiegereltern auch familiären Background um die Ecke. Wie es beruflich nach der aktiven Zeit als Fußballer bei Julian weitergeht, darüber habe er sich noch nicht so viele Gedanken gemacht. „Es wäre schon schön in irgendeiner Form den Fußball verbunden zu bleiben.“ Vitamin B im Fußball-Business hilft bekanntlich und öffnet Türen und Tore. Und wer weiß, ob nicht bald in Bielefeld Fachpersonal gebraucht wird, wenn der Weg zurück in die Bundesliga führt?!

Aufrufe: 022.4.2020, 18:00 Uhr
André HofmannAutor