2024-04-23T06:39:20.694Z

Interview

Hier spielen alle Fußball, weil Sie den Sport lieben

Die SF Kladow weigert sich Amateurfußballern üppige Gehälter zu zahlen und setzt lieber auf Identifikation.

Ein Bericht von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner Vorstand SF Kladow; Fotos: Chris Ham, Muharrem Yarar, SF Kladow Basti Köpke

Ihr, als Verein SF Kladow, weigert euch Teil des modernen Fußball zu sein, in dessen Amateurligen bei vielen Vereinen üppige Gehälter gezahlt werden. Wieso habt ihr euch für diesen Schritt entschieden?
Ist moderner Fußball im Amateurbereich tatsächlich nur dann modern, wenn üppige Gehälter gezahlt werden? Oder ist moderner Fußball auch von anderen Faktoren abhängig wie Spielsystem, taktische Ausrichtung und neue Trainingsmethoden mit moderner Ausstattung?

Wir zahlen keine üppigen Gehälter, weil die Haushaltskasse das nicht hergibt und wir uns nicht von einem Sponsor abhängig machen wollen wie es in der Vergangenheit schon passiert ist. Aber – und das gehört für uns auch zum modernen Fußball – daraus haben wir gelernt. Uns ist es viel wichtiger als Dorfverein, dass sich die Spieler zu 100% mit dem Verein identifizieren, wobei es in der Abteilung Fußball eben genau um die Ausübung dieses schönen Mannschaftssportes geht. Das ist unserer Meinung nach auf lange Sicht viel wertvoller, als sogenannte „Söldner“, die ein bis zwei Spielzeiten des Geldes wegen das gelb-blaue Trikot tragen. Am Ende des Tages spielen hier alle Fußball, weil sie den Sport lieben und nicht weil sie damit Geld verdienen wollen. Wer das will ist hier tatsächlich falsch.

Würdet ihr, wenn mehrere oder auch ein einzelner reicher Sponsor, bei euch Vorsprechen würden, weil sie den Verein in ihrer Region unterstützen wollen, einen anderen Weg einschlagen?
Ohne Sponsoren kann kein Verein überleben, das ist natürlich auch klar. Die Spielregeln hier kennen auch wir. Je attraktiver der Fußball ist, desto erfolgreicher ist er und damit auch interessanter für mögliche Sponsoren. Wir planen daher langfristig, um Sponsoren zu gewinnen, die auch wirklich passen und setzen die Gelder dann aber gezielt und fair verteilt ein. Wichtig ist uns hier vor allem die Jugendarbeit und eine fundierte Ausbildung der Nachwuchsfußballer. Die Einnahmen unserer Abteilung werden gezielt mannschaftsbezogen zur Förderung des Teamgeistes eingesetzt, wobei es natürlich auch Aufwandsentschädigungen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten gibt. Allerdings werden wir uns nicht von einem Sponsor abhängig machen und sicher auch nicht Punkt- oder Siegprämien zahlen.

Wie schafft ihr es trotz nicht vorhandener Prämien, als Verein der auch nicht im Ballungsgebiet liegt, sondern eher am äußersten Rand von Berlin, Spieler für drei Herrenmannschaften zusammen zu bekommen?
Das liegt vor allem an den oben genannten Punkten. Wichtig ist uns und wie man sieht, auch den Mitgliedern unserer Abteilung, die Identifikation. Viele Spieler sind bereits seit dem Jugendbereich bei uns im Verein. Sie machen das Vereinsleben aus und sind sehr wichtig für uns. Unsere Dritte zum Beispiel ist aus einem Freundeskreis heraus entstanden und bindet viele „alte“ Kladower und das auch sehr erfolgreich, wie der Berliner Meister Titel 2016 und der Pokalsieg 2017 im Bereich der unteren Herren zeigt. Nicht unerwähnt darf hier bleiben, dass wir auch sehr gute Mannschaften im Senioren, 40’er und 50’er Bereich haben, die unsere Vereinsatmosphäre schon seit Jahren zu schätzen wissen.

Gibt es bei auch Spieler, die sich mit außergewöhnlichen Forderungen melden und was gebt ihr Ihnen mit auf den Weg?
Glücklicherweise gibt es bei uns auch Spieler, die sich vorstellen und nach einer Probetrainingswoche wird dann beidseitig entschieden, ob es passt oder nicht. Natürlich muss sich ein Spieler bei uns wohl fühlen, aber nicht um jeden Preis. Wir machen recht schnell klar worauf es uns ankommt. Wenn es dann aufgrund finanzieller Vorstellungen des Spielers nicht passt und wir auch mit unserem familiären Umfeld nicht punkten können, ist das so.

Im Endeffekt ist es euer Weg, der gesünder und langfristig angelegt ist. Warum aber gibt es aber immer wieder Vereine mit Sponsoren die nur auf den kurzfristigen Erfolg aus sind und nach wenigen Jahren in der Bedeutungslosigkeit verschwinden? Gibt es da kein Sponsor und Team, das auch langfristig denkt?

Berlin hat eine Vielzahl von Vereinen, so dass es auch eine Vielzahl von Vorständen gibt, in denen sehr unterschiedliche Personen agieren. Somit gibt es, wie im sonstigen Leben auch, offenbar welche mit äußerst ehrgeizigen Zielen, die auf den, wenn auch vielleicht nur kurzfristig erzielbaren Erfolg aus sind und dafür quasi alles tun. Langfristigkeit und Nachhaltigkeit sind dabei dann wohl eher nicht die Themen bei diesen Vereinen, wie es scheint, oder es ist vielleicht auch der Glaube an eine Langfristigkeit vorhanden, der dann aber in der Realität, beispielsweise durch das Abspringen eines sicher geglaubten Sponsors, nicht wahr wird.

Generell wechseln heutzutage die Spieler ihre Vereine wie Unterhosen. Meistens weil es bei einem anderen mehr Hand oder Festgeld gibt. Ist die "Geldgier" ein generelles Gesellschaftliches Problem oder nur bei Vereinen und Spielern zu suchen?

Geld ist im Leben unserer Gesellschaft natürlich stets wichtig, so dass dieser Faktor angemessen berücksichtigt werden muss. Schließlich kosten sowohl die eigene Ausrüstung und die Fahrten zur Spiel- und/oder Trainingsstätte ebenfalls Geld, das nicht unbedingt jeder in ausreichendem Maße besitzt oder sich erarbeiten kann. Insofern wird es stets in erster Linie von jedem Einzelnen abhängen, welchen Fokus er im Spannungsfeld „Fußballspielwunsch-Aufwand-erzielbare Einnahmen“ setzt. Fußballspielwunsch und Aufwand können bei den Spielern durchaus gleich sein, aber erzielbare Einnahmen hängt natürlich sehr stark von der realen individuellen Leistungsfähigkeit ab und inwieweit man einen Verein finden kann, der diese Leistungen zu einem Entgelt haben möchte. Selbst dann aber, muss sich der Spieler immer noch entscheiden, ob er dort spielen möchte. Ist seine Prämisse Geld, wird er sich wohl dafür entscheiden, ist seine Prämisse aber überwiegend der Fußballspielwunsch, wird er sich wohl eher für ein Umfeld, also einen Verein entscheiden, bei dem dies für ihn am freudvollsten sein kann, womit wir wieder beim Team-und Mannschaftsgeist und der Vereinsidentifikation sind. Der Geldgier unterliegen ja bei weitem nicht alle Menschen und zumeist vor allem diejenigen nicht, die sich in einem guten gemeinschaftlichen Umfeld befinden und sich dort insoweit geborgen fühlen.

Auch im Profigeschäft werden immer schwindelerregendere Summen, die sich eigentlich niemand vorstellen kann, gezahlt. Steht das in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wandel im Amateurfußball?

Das ist schwer zu sagen. Es liegt aber vor allem am demografischen Wandeln. Die jetzt jungen Jahrgänge zum Übergang in den Männerbereich sind im Vergleich zu den letzten Jahren recht klein. Es ist ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt. Gute Spieler sind gefragt. Das merken die Jungs ganz schnell. Natürlich ist der Profifußball für die meisten aber auch ein Vorbild und man eifert seinem Idol eben gern nach.

Bleibt zu hoffen, dass viele Vereine dem Beispiel der SF Kladow folgen und den Spielern nicht immer das schnelle Geld anbieten. Langfristig ist es einfach der klügere und gesündere Weg, den ein Verein einschlagen kann. Die Gelder könnten zum Beispiel in die Jugendarbeit fließen. Ich wünsche den SF Kladow mit allen drei Mannschaften viel Erfolg für die kommenden Jahre.

Aufrufe: 016.8.2017, 14:30 Uhr
Marcel PetersAutor