2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview
– Foto: Thies Meyer

»Hatten einen radikalen Umbruch«

RL SÜDWEST: +++ Großaspachs Trainer Hans-Jürgen Boysen über familiäre Bande, Gesundheit, 17 Neuzugänge und Englische Wochen +++

Wetzlar. Er gehört zur Familie. Wenn er davon spricht, die SG Sonnenhof Großaspach „als Freundschaftsdienst“ übernommen zu haben, dann ist dies keine Floskel. Denn Hans-Jürgen Boysen lebt seit 20 Jahren in Kleinaspach. Er ist verheiratet mit Katrin Boysen-Ferber, der Nichte von Mitgründer und Aufsichtsrat Uli Ferber.

„Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich eine so kurze Anreise zum Arbeitsplatz“, lacht der 63-Jährige, der seit Februar bei den Württembergern auf der Bank sitzt. Zunächst als Coach des Fußball-Drittligisten, nach dem Abstieg nun als Trainer des Südwest-Regionalligisten, der an diesem Freitag (18.30 Uhr) beim TSV Steinbach Haiger zu Gast ist. Grund genug, mit dem früheren Bundesliga-Profi einige Worte zu wechseln.

Herr Boysen, ist es richtig, dass trotz wieder drastisch steigender Coronazahlen Fußball gespielt wird?

Darüber mache ich mir sehr viele Gedanken. Natürlich haben wir uns alle gefreut, dass es nach einem halben Jahr der Untätigkeit endlich wieder losgegangen ist. Doch die Gesundheit muss an allererster Stelle stehen, wir dürfen uns keiner Gefahr aussetzen.

Glauben Sie, dass die Spielzeit ein normales Ende nehmen wird?

Nach vier Spieltagen haben wir mit dem FC Gießen, Rot-Weiß Koblenz und dem Bahlinger SC bereits drei Clubs, die Corona-Fälle haben, deshalb in Quarantäne müssen und ihre Partien nicht austragen können. Muss ich noch mehr sagen? Ich kann nur hoffen, dass die Saison unter einigermaßen fairen Bedingungen verläuft. Wir befinden uns in Liga vier genau auf der Schwelle zwischen Profi- und Amateurfußball. Viele Spieler in dieser Klasse gehen auch noch arbeiten. Deshalb ist es nicht durchführbar, nur noch Englische Wochen zu haben.

Ein Sieg aus den ersten vier Partien klingt nach einem Saisonstart, der ausbaufähig ist ...

Da haben Sie recht! Sicher haben wir noch Luft nach oben. Wenn ein Team wie unseres 22 Ab- und 18 Zugänge hatte, dann ist es doch normal, dass wir uns erst noch finden müssen. Wir hatten einen radikalen Umbruch und stecken mitten in der Aufbauarbeit. Andere Teams wie Offenbach, Steinbach, Elversberg oder Ulm sind eingespielt, wir aber brauchen noch einige Wochen.

Woran krankt es zur Zeit noch bei Ihrem Club?

Bisher vier Partien, in denen wir nicht zu Null gespielt haben, zeigen, wo es hängt. Die Abwehr ist das Herzstück einer Mannschaft. Wenn die gut steht, läuft es nach vorne fast von alleine. Diese Stabilität fehlt uns momentan noch, sie wird aber noch kommen.

Ihr Team nennt sich „Dorfclub“: Treten Sie in Haiger also zum Duell der beiden kleinsten Vereine, die die Liga zu bieten hat, an?

Wer wie viele Einwohner hat, ist nicht entscheidend. Steinbach hat eine hohe Qualität und wird am Ende auf den ersten drei oder vier Plätzen landen. Ich habe sie im Pokal gegen Sandhausen gesehen und in Bahlingen sogar live vor Ort beobachten können. Aktuell können wir uns mit denen noch nicht vergleichen, wenngleich wir ihnen das Leben möglichst schwer machen wollen.

Sie waren vor 13 Jahren schon einmal bei der SG. Was hat sich verändert?

Sechs Jahre in der 3. Liga gespielt zu haben, ist für einen kleinen Verein wie die SG Sonnenhof schon beachtlich. Ein neues Stadion, ein echtes Schmuckkästchen, wurde gebaut, außerdem ist viel in die Nachwuchsarbeit investiert worden. Auf diesem Niveau ist es nicht selbstverständlich, dass wir in jeder Runde Jungs aus dem eigenen Nachwuchs nach oben ziehen können und sie sich sogar zum Leistungsträger entwickeln.

Wo sehen Sie Großaspach am Ende der Runde?

Wir wollen nicht nach unten durchgereicht werden. Unsere Qualität, die sich im Laufe der Wochen noch zeigen wird, reicht sicher für einen einstelligen Tabellenplatz. Um ganz oben anzugreifen und die Rückkehr in die 3. Liga anzustreben, dauert es noch ein bisschen. Diese Runde betrachten wir als Übergangsjahr, als Jahr der Entwicklung, als Jahr der Findung. 2021/22 darf es dann ein wenig mehr sein, wenngleich ich betonen möchte, dass wir natürlich jedes Spiel gewinnen möchten, auch das in Haiger.

Ihr Club hat in den vergangenen gut zwei Jahren inklusive Interimslösungen neun Trainer beschäftigt. Wie sicher ist Ihr Arbeitsplatz?

Entscheidend ist, dass wir eine Entwicklung der Mannschaft sehen. Dazu müssen natürlich auch die Ergebnisse stimmen, das ist im Fußball immer so. Bei der SG Sonnenhof Großaspach bin ich aber kein Trainer im herkömmlichen Sinne, denn ich gehöre zur Familie. Insofern sehe ich der Zukunft relativ gelassen entgegen.

Das Interview führte Alexander Fischer.



TSV Steinbach Haiger über den kommenden Gegner: „Überragendes Umschaltspiel“

-Der TSV Steinbach Haiger ist bereit für die nächste Heimaufgabe in der Fußball-Regionalliga Südwest. Die wichtigste Nachricht am Donnerstagmorgen kam dabei vom zuständigen Gesundheitsamt. „Alle Tests sind negativ. Darüber bin ich sehr erleichtert“, sagte Trainer Adrian Alipour knapp 36 Stunden vor dem Punktspiel an diesem Freitag (18.30 Uhr) gegen die SG Sonnenhof Großaspach. Als die Nachricht vom letzten Gegner aus Bahlingen mit den dort bestätigten Corona-Fällen in den nördlichen Lahn-Dill-Kreis gesendet wurde, „haben wir uns natürlich kurz geschüttelt. Aber dann haben wir uns wieder hundertprozentig auf die kommende Aufgabe konzentriert“, blickt Alipour nach vorne. Der TSV will nach drei Siegen in Folge den „richtig guten Flow“, wie es der Trainer ausdrückt, nun auch gegen den Drittliga-Absteiger aus dem württembergischen Rems-Murr-Kreis fortsetzen. Gegen ein Team, das Steinbachs Coach „mit einem überragenden offensiven Umschaltspiel“ ausgestattet sieht. „Die SG hat einige Straßenfußballer, die auf engstem Raum die richtigen Lösungen finden können. Ein sehr unangenehmer Gegner“, so Alipour – der personell wieder auf eine wichtige „Comebacker“ zurückgreifen kann. Stürmer Enis Bytyqi, Mittelfeldmotor Dino Bisanovic und Abwehrrecke David Al-Azzawe sind zurück im Kader des aktuellen Tabellendritten. Ob Philipp Hankes lädierter Oberschenkel bereits einen Einsatz des Außenverteidigers gegen Großaspach zulässt, war am Donnerstag noch offen. (vsch)

Aufrufe: 024.9.2020, 21:09 Uhr
Dill-Post / Dill ZeitungAutor