2024-05-02T16:12:49.858Z

Aufreger der Woche
Sollen für Sicherheit sorgen: Ordner und Security-Mitarbeiter. Dass sie im Amateurfußball überhaupt nötig sind, zeigt schon einmal die Grundrichtung des Problems. Foto: FuPa Stuttgart
Sollen für Sicherheit sorgen: Ordner und Security-Mitarbeiter. Dass sie im Amateurfußball überhaupt nötig sind, zeigt schon einmal die Grundrichtung des Problems. Foto: FuPa Stuttgart

Freunde, lasst uns Fußball spielen!

Vergangenes Wochenende in Weißensee, Wilmersdorf oder bei Berolina Stralau. Vor einigen Wochen Norden Nordwest, Basdorf, Bruchmühle, Rehberge oder Sachsenhausen: Immer wieder eskaliert die Situation im Amateurfußball.

Im Berliner und Brandenburger Amateurfußball kommt es immer wieder zu heftigen Konfrontationen. Zwischen Teams, Spielern und Schiedsrichtern und auch zwischen Anhängern. Womit ist das ansteigende Gewaltpotential zu erklären? Oder ist es gar nicht gestiegen, sondern wird von den Medien nur deutlich häufiger thematisiert? Eine Bestandsaufnahme.

„Vielmehr erfüllt mich mit Sorge, dass die Hemmschwelle bei direkten Angriffen auf die Unparteiischen gesunken ist“, sagte Sören Kalz, Vorsitzender des Schiedsrichter-Ausschusses Uckermark, vor einigen Tagen im FuPa-Interview. Ein Satz, der die Situation auf den Sportplätzen in Berlin und Brandenburg sehr passend beschreibt. Leider.

Erst am vergangenen Wochenende gab es in Berlin wieder drei Vorfälle, die medial thematisiert wurden. Auch hier standen die Schiedsrichter dabei zum Teil im Blickpunkt. Ihre Leistung wird gerne und viel diskutiert. Von Spielern, Trainern und vor allem lautstark von den Zuschauern. Vor, während und noch lange nach dem Spiel.

„Das ist für mich ein vorsätzliches Vorgehen des Schiedsrichters“, teilte Wilmersdorf-Trainer Robert Pocrnic der Fußball-Woche nach dem Spiel am Wochenende mit. Eine drastische Aussage, die häufig und aus allen Richtungen zu hören ist.

„Der Schiedsrichter ist schuld“. „Der Schiedsrichter hat uns verpfiffen“. Jeder von uns hat diese Sätze bereits gehört, mehrfach gedacht vielleicht auch schon ausgesprochen. Aber warum? Warum wird die Schuld immer, oder netter gesagt, größtenteils, beim Unparteiischen gesucht?

Selten sieht man Spieler oder Trainer, die sich nach einem Spiel an die eigene Nase fassen und sich eingestehen, dass sie in den 90 Minuten nicht in der Lage waren, das Spiel für sich zu entscheiden. Stattdessen steigern sich nicht wenige Akteure dermaßen in Situationen rein, die zum Teil pausenlose Diskussionen oder auch Schiedsrichter-Beleidigungen zur Folge haben.

Die harmlosesten dabei: „Zieh das gelbe Trikot aus“. „Du pfeifst nur in eine Richtung“. „Ist das schlecht“.

Dass viele Spieler mit jeder Diskussion den Fokus verlieren und sich verbal mehr aufreiben, als ihrem Team fußballerisch zu helfen, das haben einige scheinbar nicht auf dem Radar. Mal wieder vergessen, dass Schiedsrichter Menschen sind? Und Menschen machen Fehler. Ganz einfach.

Denn sind wir mal ehrlich: Welcher Spieler hat wirklich schon mal ein perfektes Spiel gemacht? Ohne Fehlpass? Ohne einen einzigen verlorenen Zweikampf? Man stelle sich mal vor, wie es wäre, wenn die Leistung eines Spielers in jedem Spiel, bei jedem Fehler diskutiert würde. Das Match wäre gegessen.

"Was bei diesem Spiel abging, habe ich so noch nicht gesehen"

„Ich habe bereits über 700 Spiele mitverfolgt", erzählt ein Südbrandenburger Schiri-Assistent, der anonym bleiben möchte. "Aber was bei diesem Spiel abging, habe ich so noch nicht gesehen. Erst eine Kopfnuss gegen einen Spieler, dann ein versuchter Tritt gegen den Hauptschiedsrichter. Die ganze Rudelbildung ist aus einem harmlosen Zweikampf entstanden.“ Verein und Spieler sind dafür bestraft worden. Äußern will sich keiner der Beteiligten.

In manchen Fällen ist eine Eskalation schon vorher zu riechen. Alte Rivalitäten. Überhitzte Derbystimmung. Teilweise sind Kurzschlussreaktionen der Betroffenen der Auslöser für zum Teil heftige Gewalt. Schiedsrichter Jan Toron erklärte einen Tag nach dem abgebrochenen Testspiel zwischen Basdorf und Grüneberg: "Auf einmal flogen die Fäuste und niemand wusste, wieso."

Viele sind sich danach einig. „Was ist denn mit denen los?“. Oder: „Es soll Fußball gespielt werden“, heißt es regelmäßig in den Kommentarspalten. Doch am nächsten Wochenende sind mancherorts scheinbar alle Vorsätze wie weggeblasen. Sogar wenn sie kurz vor dem Spiel nochmal angesprochen werden: „Der Schiedsrichter ist tabu, wir konzertieren uns heute nur auf uns“. Nach dem ersten Pfiff wieder ganz schnell vergessen.

Doch wie soll man dem steigenden Eskalationspotential entgegenwirken? Die Verbände versuchen es mittlerweile mit teils langen Sperren, der Basdorfer Übeltäter wurde bis zum 30. Juni gesperrt. Auch ein Schlussmann der dritten Mannschaft von Sachsenhausen erhielt die gleiche Strafe. Norden Nordwest wurde nach Tumulten im Kabinentrakt vom Berliner Fußballverband (BFV) vom laufenden Spielbetrieb gänzlich ausgeschlossen, die Mannschaft wird zwangsabsteigen.

Detlev Garz, Trainer des Lichtenrader BC, fordert ein noch härteres Strafmaß: "Meiner Meinung nach verfährt der BFV mit seinen Strafen zu milde. Wer stört sich daran, ein halbes Jahr auszusetzen? Dann wird unter einem anderen Namen weiter Fußball gespielt."

„Dass Täter zu Opfern gemacht werden, hat bei uns inzwischen Tradition“

Doch sind die langen Strafen des Rätsels Lösung? Sie sind ein Ansatz, der zur Abschreckung dienen soll. Nur muss er konsequent durchgesetzt werden. Einfacher gesagt als getan: Bei langen Sportverhandlungen überschlagen sich die Aussagen der Kläger und Angeklagten, jede möchte sich einer Strafe entziehen. „Das Täter zu Opfern gemacht werden, hat bei uns inzwischen Tradition“, äußert ein besorgter Berliner Trainer gegenüber FuPa. Auch er will anonym bleiben.

Ein Freund, seit einigen Wochen Lehrer einer Berliner Oberschule, erzählte erst am Wochenende, dass „Fußballer immer die Problemkinder sind. Doch wenn du sie hast, dann hast du die ganze Klasse“. Auch in den meisten Mannschaften gibt es Spieler, die häufiger auffallen. Ein Vier-Augen-Dialog soll in einigen Fällen Wunder wirken. Doch viele Schiedsrichter lassen sich darauf nicht ein, ziehen ihr eigenes Ding durch.

„Manche Schiedsrichter provozieren auch selbst“, meint gar Andreas Kliemannel, Trainer der zweiten Herren beim BSC Rehberge. „Aber das begründet noch lange keine Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter oder Gegenspieler. Ich wünsche mir härtere Strafen gegen Übeltäter.“

Dass nicht nur die Profis, sondern auch unsere Amateure Vorbilder für die Jugend sind, bleibt teilweise für 90 Minuten auf der Strecke. Nicht selten beobachten Kinder der spielenden Familienväter das Treiben auf dem Sportplatz und imitieren deren Verhalten auch im alltäglichen Leben.

Es wirkt, als würden einige Amateure ihrer angestaute Wut auf dem Sportplatz freien Lauf lassen, ohne Rücksicht auf Verluste. Doch wieso? „Das wird aufgebauscht von und durch die Medien“, meint Mario Kreisel, Trainer beim Nordberliner SC und führt fort „Fußball ist emotional.“

Das soll er auch bleiben. Aber es gibt Grenzen. Am Ende profitiert niemand von einer Eskalation: Die Spieler werden lange gesperrt, den Vereinen drohen Geldstrafen und Imageschäden, die Schiedsrichter wollen ihrem Hobby nicht mehr nachgehen. Der große Verlierer einer jeden verbalen oder gewalttätigen Auseinandersetzung ist unser geliebtes Hobby: der Fußball.

Aufrufe: 015.3.2018, 11:30 Uhr
Marcel Peters und Marc SchützAutor