2024-04-25T14:35:39.956Z

Kommentar
Foto: www.flickr.com/photos/marcbiskup/ CC BY-SA 2.0
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Flüchtlinge Willkommen - Auch auf dem Platz?

Die integrative Kraft des Fußballs: Anspruch und Wirklichkeit

Fußball hat den Ruf, Grenzen zu überwinden, zu verbinden und zu integrieren. In diesen Tagen müssen wir uns fragen, wie ernst es uns damit ist.

Alle fordern eine europäische Lösung. Die politischen Machtträger unseres Kontinents haben viel Arbeit vor der Haustür, das Laub muss geharkt, der Rasen gemäht und die Hecke beschnitten werden. Gar ein neues Arbeitsgerät muss wohl her, um für den bevorstehenden Winter gerüstet zu sein. Ich als Bewohner Europas, Deutschlands, Berlins kann jetzt im Deckungsschatten der nicht vorhandenen europäischen Lösung abtauchen. Oder aber ich suche nach meiner Lösung. Ich hebe den Arsch, schließe mich dem Propaganda-Müll der braunen Suppe nicht an, sondern schaue vor meinen Füßen, wo ich helfen kann. Ich werde keinen Flüchtlingsstrom bändigen oder den Weltfrieden herstellen. Aber ich kann mich mit eigenem aktiven Handeln engagieren.

Welche Rolle nehmen dabei unsere Fußballvereine ein? Sind sie sich bei diesem ganzen Streben nach Erfolg und sportlichen Schlagzeilen noch ihrer sozialen Tragfähigkeit bewusst? Der Spagat zwischen U19-Bundesliga und Inklusionsteam, Tabellenführer und sozialer Heimat für Jedermann bringt oft Konflikte mit sich. Nach dem Motto: "Ich finde all unser Engagement toll, bis es mich einschränkt!"

Rücken wir im Training enger zusammen um Platz für neue Gruppen zu schaffen? Schaffen wir es unsere sportlichen Ziele hinten anzustellen, um unser Mannschaftstraining zu öffnen? Die Absurdität von Superlativen im Freizeitfußball lässt einen Sozial-Idealisten mit den Knien schlackern. In diesen Zeiten Prioritäten zu verlagern wäre ein sozialer Schritt. Unser Fußball ist alltäglich eine Hochburg der Integration. Und genau in diesen Tagen stehen Vereine auf dem Prüfstand des eigenes Wertesystems.

Helfen wir? Helfen wir, weil wir uns unserer Bedeutung bewusst sind oder weil es uns reinwäscht und bei Facebook den Daumen-Button glühen lässt? Sitzen wir im überfüllten Boot der Scheinsolidarität oder meinen wir es wirklich ernst? Es ist schlimm zu sehen, wie sich so mancher Verein erst in Bewegung setzt, wenn Gelder genutzt werden können. Natürlich haben viele Vereine kaum Kapazitäten von Ehrenämtern übrig. Viele Vereinsvertreter sind an der Belastungsgrenze. Doch geht dann was wenn die 60 Minuten mir 15 Euro bringen? In Zeiten riesiger Not müssen wir unser Engagement bündeln. Das geht nur, wenn wir uns vernetzen und den Fokus neu ausrichten.

Ist es für uns nicht auch eine Chance? Es ist Zeit, dass sich die sozialen Träger und Institutionen zusammenschließen. Endlich, ja endlich, spricht der Vorsitzende des Sportvereins mit dem Leiter des Jugendclubs in der Nebenstraße, endlich werden Ressourcen unserer "Wegwerfgesellschaft" genutzt. Endlich solidarisieren sich die anonymen Identitäten hinter der Nachbartür in Unterstützerkreisen. Endlich sprechen die "Feindes-Feinde-Klubs" an einem Tisch miteinander. Diese neuen Netzwerke sind Rüstzeug für anstehende Aufgaben.

Die Vereine müssen unsere neuen Sportler dringlichst aufnehmen. Da kommen keine Fremden auf den Sportplatz und besiedeln den Spielfeldrand, da kommen Fußballer, die kicken wollen. Da kommen keine Einbrecher, die den ganzen Tag mit dem Smartphone Smileys verschicken, da kommen Menschen, die Familie und Eigentum zurücklassen mussten. Für ein Leben ohne Angst und Krieg. Und warum nicht hier bei uns? Sind wir eine elitäre Masse, die sich über die Dinge erhebt?

Sind die Sportvereine eine elitäre Einrichtung, die nur für bestimmte Klassen von Menschen zugänglich ist? Bullshit! Dass Berliner Sporthallen zur temporären Unterbringung von Flüchtlingen herangezogen werden, ist sicher keine optimale Lösung. Der Sport verbindet und integriert, doch jetzt werden Sportflächen, insgesamt kein Luxusgut im Menschentempel Berlin, gestrichen. Doch die Qualität der einzelnen Probleme sollten wir hierbei nicht vergessen. Ich muss nicht alle Mechanismen zur Flüchtlingsunterbringung in unserem Land gut finden, aber ich sehe es als Fundament des Miteinanders an, Menschen in Not zu helfen und den eigenen Anspruch und Wohlstand einzupegeln.

Ist es für Oma Inge unmöglich, einige Monate lang mit der Straßenbahn zwei Stationen in eine kleinere Halle zu fahren, um dann die Gymnastikmatte zu drangsalieren, wenn im Gegenzug Menschen, die abertausende Kilometer Flucht hinter sich haben, ein Dach über dem Kopf haben? Kann Luca aus der 3b nicht mit langer Sporthose und dickem Pulli vorübergehend auf dem Sportplatz oder im Park Schulsport treiben, wenn im Gegenzug Menschen, die aus Angst ihr Land verließen, in der Turnhalle auf einem Bundeswehrbett nächtigen können?

Unsere Vereine stehen vor großen Aufgaben, weit über die Zeit des Ansturms auf Deutschland gilt es sich zu öffnen, um neuen Mitbürgern eine sportliche und soziale Heimat zu geben. Verband und Funktionäre müssen dies honorieren und in den Fokus der Berichterstattung stellen. "Best-Practice-Vereine" sind bereits unermüdlich dabei, wertvolle Arbeit für diesen gesellschaftlichen Prozess zu leisten.

Ehrenamtler, Vereinsvertreter, Funktionäre, Trainer, Spieler, Eltern und Fans dieser Stadt, "viva la Integration und Willkommenskultur"!

Aufrufe: 06.10.2015, 08:28 Uhr
HB (ABHB)Autor