2024-06-14T14:12:32.331Z

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Benjamin May vermisst seine Spielerinnen. 	Foto: May
Benjamin May vermisst seine Spielerinnen. Foto: May

Fehlen 0,02 Punkte zum Titel?

FRAUENFUSSBALL: +++ Ehringshausens Benjamin May vermisst sein Team, ist mit der Entwicklung aber sehr zufrieden / Bei Quotientenregelung im Pech +++

Ehringshausen. Der SV Ehringshausen gilt als das „Mekka“ des Frauenfußballs im Fußballkreis Alsfeld. Allerdings ist dies kein Wunder, denn nach dem sportlichen Aus des TV Storndorf ist der SVE der einzige verbliebene Verein im heimischen Fußballkreis, der Frauenfußball im Ligaspielbetrieb anbietet. Die Corona-Krise trifft den SVE aber doppelt, denn zum einen befindet sich das Frauenteam im personellen Neuaufbau und soll zum anderen eine neue Mädchenfußballmannschaft aufgebaut werden.

Mit SVE-Trainer Benjamin May (31) sprachen wir über die aktuelle Situation und den möglichen Aufstieg in die Gruppenliga. Schließlich ist Ehringshausen aktueller Tabellenführer der Kreisoberliga – trotz des Neuaufbaus.

Hallo Herr May, was macht ein Trainer, der nicht trainieren darf und wie sehr fehlen Ihnen ihre Spielerinnen?

Benjamin May: Außerhalb meiner Ausbildung, und wenn es das Wetter zu lässt, bin ich viel mit meiner Familie und unserem Hund spazieren. Außerdem konnte der Keller auch endlich aufgeräumt werden (lacht). Natürlich nutzen wir auch die aktuellen Streaming-Dienste von oben bis unten. Aber so langsam wird es Zeit, dass wieder ein normales Leben möglich ist. Man merkt erst in so einer Zeit, wie wichtig einem die sozialen Kontakte sind und wie gut man es eigentlich hat, wenn man z. B. sonntags nach dem Frühstück kurzfristig entscheiden kann irgendwo ins Schwimmbad oder ähnliches zu fahren.

Und ja natürlich fehlen mir die Spielerinnen, es ist ja nicht das Gleiche mit den Mädels nur Kontakt über WhatsApp zu haben, als wie sich mehrmals die Woche zu sehen. Persönlich sieht man eben eher, ob es einer Spielerin gut oder schlecht geht.

Wie halten sich Ihre Spielerinnen fit, gab es einen individuellen Trainingsplan?

Ich habe es abgelegt die Spielerinnen per App zu kontrollieren, ob sie laufen gehen oder nicht. Daher gab es auch keine individuellen Trainingspläne. Man muss ja ehrlich sein und noch dran denken, dass wir „nur“ Hobbyfußballer sind. Allerdings wissen die Mädels, was auf dem Spiel steht, wenn wir unfit aus der „Zwangspause“ kommen und halten sich dementsprechend fit. Da vertraue ich meinen Spielerinnen voll und ganz!

Glauben Sie, dass die Saison noch fortgesetzt wird oder gehen Sie von einem Abbruch aus? Und wie sollte die Saison dann gewertet werden?

Wenn man jetzt nur das Fußballerische sieht, hoffe ich zwar, dass es baldmöglichst wieder los geht, aber ich glaube nicht daran, dass es einfach ist den Spielbetrieb von jetzt auf gleich wieder stattfinden zu lassen. Man darf ja nicht vergessen, dass es momentan 11500 Mannschaften in Hessen betrifft. Und wenn ich sehe, dass bei den Reservemannschaften der Herren manchmal die Betreuer „pfeifen“ müssen, weil kein Schiedsrichter angesetzt werden konnte, kann ich mir nicht vorstellen, dass es dann auf einmal wieder normal zugehen soll/kann.

Sollte es weitergehen, dann hoffe ich auf eine Verlängerung der Saison, denn einige Mannschaften haben im Herbst Spiele in den März verlegt, weil es der Gegner wollte. Und diese jetzt unter der Woche spielen zu lassen, sehe ich als Bestrafung dafür, dass man dem Gegner eine Chance geben wollte, einen fairen Wettkampf zu führen. Gerade im Frauenfußballbereich sind ja auch die Auswärtsfahrten extrem weit und zeitintensiv. Auch bei einem Abbruch der Saison findet man, glaube ich, keinen Nenner, der alle zufriedenstellt. Sollte abgebrochen werden, wäre der Fairness halber die Idee den Punktedurchschnitt (Punkte durch gespielte Partien) zu nehmen, die beste Lösung. Denn es haben ja nicht alle gleich viele Spiele spielen können. Auch wenn ich mir jetzt grad keine Freunde bei meiner Mannschaft mache mit der Aussage, denn dann würde Reiskirchen II mit 0,02 Punkten vor uns Meister werden. Und sind wir mal ehrlich, das wäre zwar fair und verdient aber extrem bitter für uns. Aber egal wie es kommt, wir sind für alles bereit.

Sportlich lief es nach dem freiwilligen Rückzug aus der Gruppenliga ja bestens. Der SV Ehringshausen (24 Punkte aus elf Spielen) ist Tabellenführer der Kreisoberliga, verlor nur ein Spiel und lieferte sich mit Reiskirchen/Saasen (22 aus zehn) einen Zweikampf um den Meistertitel. Wie bewerten Sie die Entwicklung ihrer jungen Mannschaft und die Chancen auf den Titel – bei einem regulären Saison-Ende?

Ja, das kann man sagen. Nachdem wir in den ersten drei Spielen der Saison zwar spielerisch immer überlegen waren, aber das Tor nicht getroffen haben, haben wir danach den Motor richtig zum Laufen gebracht und die nötigen Punkte für die Tabellenspitze geholt. Der Zweikampf kann auch ganz schnell wieder zum Dreikampf werden, denn mit der SG Kinzenbach lauert auf Platz drei noch, ein sehr, sehr spielstarker Gegner auf seine Chance um den Aufstieg in die Gruppenliga. So wie sich die Mannschaft im Laufe der Saison entwickelt hat, sehe ich die Chancen auf den Titel zwar sehr gut, aber lasse auch keinen unnötigen Druck auf meine Mädels zu. Es war von Anfang klar und so besprochen, dass wir diesen Schritt so gehen, um uns zu entwickeln. Sollte dabei der Titel herausspringen, krönen wir damit eine super Saison, denn die haben wir jetzt schon gespielt.

Die Pause trifft den SV Ehringshausen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Verein ist in Sachen Frauenfußball im Umbruch, eine neue Mädchenmannschaft soll aufgebaut werden – wie geht es weiter, wenn jetzt monatelang nicht gespielt oder trainiert werden kann? Springen dann die neu gewonnenen Spielerinnen gleich wieder ab?

Ich hoffe, dass alle Spielerinnen, egal welches Alter, jetzt nicht die Lust verlieren und sich gegenseitig motivieren, nicht die Schuhe an den Nagel zu hängen. Bis jetzt habe ich aber im Verein noch nichts dergleichen gehört.

Wie planen Sie den Re-Start – wann immer er auch kommt?

Wie ich eben schon gesagt habe, vertraue ich den Mädels, dass sie sich allein fit halten, sodass, wenn wir das Training wieder aufnehmen, überwiegend an den taktischen und fußballspezifischen Sachen üben können. Wir müssen ja damit rechnen, dass es binnen Tagen heißt, dass gespielt wird.

Bleiben Sie über das Saisonende dem SVE treu?

Sobald sich die aktuelle Situation wieder beruhigt hat, werden ich mich mit dem Vorstand zusammensetzen und wie letztes Jahr auch genau analysieren, ob alles noch passt. Hierbei spielt ja auch die Meinung der Mannschaft eine weitaus wichtigere Rolle wie meine. Für mich gibt es momentan keinen Grund den Verein zu verlassen. Ich fühle mich im Verein pudelwohl und komme mit allen gut zurecht. Aktuell steht das aber nicht im Vordergrund, momentan ist wichtig, dass wir alles Mögliche dafür tun, dass sich das Virus nicht mehr bzw. schneller verbreitet.

Wie bewerten Sie generell das Standing des Frauenfußballs, ist der zwischenzeitliche Boom längst wieder Geschichte?

Das glaube ich nicht. Aktuell ist zwar ein Rückgang an aktiven Spielerinnen merkbar, aber das ist, denke mal, nur regional. Viele Spielerinnen entscheiden sich dafür, irgendwo in den großen Städten zu studieren und können daher nicht in ihrem Heimatverein in der ländlichen Region spielen. Solche Situationen hat man immer, aber dann kommen auch wieder neue Spielerinnen dazu.



Aufrufe: 030.4.2020, 08:00 Uhr
Volker LehrAutor