2024-06-14T14:12:32.331Z

Interview
– Foto: Thies Meyer

Facebook, Klinsmann und Rücktritte

GL GI/MR: +++ Die Gruppenliga-Trainer Roman Schramm, Benni Höfer und Peter Nagel im Interview +++

Wetzlar. Wenn es um den großen Fußball geht, sind sich die heimischen Trainer der Gruppenliga einig: Jürgen Klinsmann hat bei seinem Abgang aus Berlin verbrannte Erde hinterlassen, und Deutscher Meister werden die Bayern. Doch was denken Peter Nagel, Coach des FC Burgsolms, Benni Höfer, Übungsleiter der SG Waldsolms und Spielertrainer Roman Schramm vom FSV Braunfels über ihre Spielklasse? Ein Interview über Spielerfrauen, Facebook, Rücktritte und die Kunst des Verteidigens.

Meine Herren, was sagen Sie zu Jürgen Klinsmann?

Peter Nagel: Sein Verhalten ist absolut inakzeptabel und ein schlechtes Beispiel für alle Trainer. Er bekommt neue Spieler und wirft dann aus egozentrischen Gründen hin. So etwas gehört sich einfach nicht. Sein Auftreten war katastrophal.

Benni Höfer: Ich sehe es ähnlich wie Peter. Ich fand ihn vor seinem Aus eigentlich sympathisch und hatte gehofft, dass er in Deutschland noch einmal einen Job bekommt. Aber das, was er nun gemacht hat, ist alles sehr fragwürdig.

Roman Schramm: Als Spieler fand ich ihn gut. Aber er hat ja schon zu seinen Zeiten als Trainer beim DFB mehr den Eindruck gemacht, als sei er der Manager. Fan werde ich von ihm sicherlich nicht mehr. Er hat in Berlin ein Chaos hinterlassen und sich respektlos gegenüber den Verantwortlichen dort verhalten.

Klinsmann hat hingeworfen. Wann ist für Sie als Trainer ein Rücktritt unvermeidbar?

Höfer: Bei mir ist das ja noch nicht so lange her. Das war zu meiner Zeit bei der TSG Wieseck, als eine Zusammenarbeit mit gewissen Personen im Verein einfach nicht mehr möglich war. Eigentlich ging es zu diesem Zeitpunkt nur darum, ob ich hinschmeiße oder entlassen werde. Ich war allerdings fünf Minuten schneller (lacht).

Nagel: Ich bin nach dem Hessenliga-Abstieg beim FSV Braunfels zurückgetreten. Im Nachhinein muss ich sagen: Mein Abgang war zu spät. Denn ich habe nach der anschließenden Sommervorbereitung gemerkt, dass die Mannschaft sich nicht weiterentwickelt. Für mich war es die logische Konsequenz.

Schramm: Ich denke, wenn ein Trainer das Gefühl hat, dass es nicht mehr passt, ist es doch logisch, einem anderen die Möglichkeit zu geben, das Team zu betreuen. Ich habe erst einen Rücktritt erlebt. Das war zu meiner Zeit bei Eintracht Wetzlar, als Claus-Peter Zick hinwarf.

In einer Woche rollt in der Gruppenliga wieder der Ball. Wie lief die Vorbereitung?

Höfer: Die Vorbereitung läuft wie erwartet – etwas schleppend. Es ist schwer, Zug reinzubekommen, da immer wieder Spieler aus verschiedenen Gründen fehlen. Wir müssen an den Basics arbeiten, damit die Partie in Lahnfels zum Rückrundenauftakt nicht in die Hose geht.

Schramm: Wir haben bislang noch keine einzige Testbegegnung gewonnen. Obwohl auch Duelle gegen klassentiefere Gegner dabei waren. Im Endspurt der Vorbereitung sind wir nun in der Bringschuld, sonst wird der Auftakt gegen Aufsteiger Kesselbach wohl eher nicht so lustig.

Nagel: Ich bin grundsätzlich sehr zufrieden. Meine Jungs sind ehrgeizig und wollen sich zeigen. Die jungen Spieler haben die Kluft geschlossen und sind leistungsstärker geworden. Der Konkurrenzkampf ist gut, das hat sich in den bisherigen Partien dokumentiert. Trotzdem bin ich froh, dass wir noch ein paar Tage haben, bis es wieder richtig los geht.

Wer ist Ihrer Meinung nach in der bisherigen Saison der beste Spieler in der Gruppenliga gewesen?

Schramm: Die meisten Teams sind über das Kollektiv erfolgreich. Hüsni Tahiri vom TSV Steinbach II ist natürlich zu nennen. Rick Schmidt vom FC Burgsolms hat mir gut gefallen. Seine Torquote spricht für sich.

Höfer: Ich finde auch, dass kein Spieler sich besonders hervorgetan hat, aber viele sind auf einem Level und in dieser Klasse schon sehr stark. Rick Schmidt hat Roman schon genannt. Niko Gehrmann vom VfB Wetter finde ich überragend. Ebenso Dennis Schmidt vom TSV Steinbach II und Daniel Moravac vom TSV Bicken.

Nagel: Natürlich hat Rick Schmidt 24 Tore gemacht, aber er bekommt auch 24 Bälle. Das hat die Mannschaft gut gemacht. Ansonsten bin ich ein Fan von Lukas Busch von der SG Waldsolms. Mit seiner Qualität und seiner Geschwindigkeit könnte er sicherlich eine Liga höher spielen, vielleicht sogar zwei.

Was in dieser Saison auffällt: In der Gruppenliga fallen im Schnitt 4,5 Tore. Wie ist dieser hohe Wert zu erklären?

Nagel: Das liegt in erster Linie wohl daran, dass die Defensivreihen nicht so kompakt stehen. Die Priorität liegt bei vielen Teams auf der eigenen Offensive, was dazu führt, dass auf allen Plätzen immer was los ist.

Schramm: Wenn Peter die Defensivreihen kritisiert, muss ich mich ja angesprochen fühlen (lacht). Aber ja, ich denke auch, dass die Offensivspieler in dieser Saison stärker sind. Viel hängt aber auch damit zusammen, wie sehr eine Mannschaft an einem Spieltag bereit ist, zu verteidigen. Viele Teams pressen sehr hoch. Ab und an fehlt dann die Bereitschaft der Offfensivabteilung, hinten zu helfen.

Höfer: Peter hat schon recht. Die Verteidigung ist nicht gut genug. Ich sehe es bei uns: Wir machen zu viele Fehler. 70 Prozent unserer Gegentreffer sind selbstverschuldet. Das geht vielen Teams so.

Roman, nach einem guten Start ist die Leichtigkeit beim FSV Braunfels schnell verschwunden. Warum eigentlich?

Schramm: Dadurch, dass es meine erste Trainerstation ist, muss die Mannschaft Dinge ausbaden, bei denen ich als Neuling noch meine Schwächen habe. Ein erfahrener Coach schüttelt in manchen Situationen gewisse Sachen ab, auf die ich mich rückblickend zu sehr eingelassen habe. Im Schlussspurt der Hinrunde haben wir dann die Kurve bekommen, weil wir Qualität haben.

Benni, Sie haben Ihren Abschied bei der SG Waldsolms schon vor einer langen Zeit angekündigt. Glauben Sie, dass sich das negativ auf die Mannschaft bemerkbar macht?

Höfer: Geändert hat sich eigentlich nichts. Ich gebe weiter Vollgas und erwarte das von meinen Jungs auch. Wir wissen, dass wir noch lange nicht gerettet sind. Das schaffen wir auch nur, wenn wir als Team bis zum Schluss konzentriert zusammenarbeiten. Wie es bei mir persönlich weitergeht, weiß ich noch nicht. Entscheidend ist für mich, dass ich eine Perspektive sehe. Die Liga steht da nicht an erster Stelle. Es ist gut möglich, dass es für mich eine Klasse runter geht.

Frage an Peter und Roman: Ist Ihre Zukunft für die nächste Saison bereits geklärt?

Nagel: Bei uns stehen die Gespräche noch an, aber ich sehe das entspannt. Die Mannschaft bleibt komplett zusammen. Gleiches gilt für mein Trainerteam. Einer weiteren Zusammenarbeit steht nichts im Wege. Ich denke, das wird in den nächsten Wochen über die Bühne gehen. Die Philosophie des Vereins, auf Talente zu setzen und sie zu entwickeln, passt zu mir.

Schramm: Der Verein und ich haben uns auf eine weitere Zusammenarbeit von drei Jahren verständigt. Wir müssen unsere Strukturen ändern. Es gibt viele Dinge, die uns Burgsolms und Waldsolms voraus haben. Stichwort Jugendarbeit und zweite Mannschaft. Daran arbeiten wir.

Wer werden die Auf- und Absteiger sein und wo landet ihr Team?

Nagel: Wir wollen so schnell wie möglich die 45 Punkte holen. Ganz vorne sehe ich Steinbach II, wenn sie es wirklich wollen. Lahnfels und Heuchelheim sind wohl nicht mehr zu retten. Alles andere ist oben wie unten noch völlig offen.

Höfer: Die 45 Zähler hören sich sehr gut an (lacht). Das ist für uns aber noch ein weiter Weg. Unser Restprogramm sieht so aus, dass wir eigentlich im März schon fast alles in Richtung Klassenerhalt klarmachen können. Genau so kann das Pendel aber auch in die andere Richtung ausschlagen. Festlegen, wer am Ende auf- und absteigt, will ich mich noch nicht. Das einzige, was für mich zählt, ist, dass Waldsolms am Ende über dem Strich steht.

Schramm: Das sehe ich ähnlich. An einem guten Tag, kann jeder jeden besiegen. Deshalb tun wir gut daran, uns ausschließlich auf uns zu konzentrieren. Ganz oben sehe ich den TSV Michelbach. Sie haben eine sehr erfahrene Truppe und haben dadurch einen großen Vorteil.

Und wer wird Deutscher Meister?

Nagel: Als BVB-Fan hoffe ich auf Dortmund, aber die Bayern setzen sich wieder durch. Der Kader hat die größte Qualität, dazu haben sie nun einen Trainer, der offensichtlich das handeln kann, was vorher bei einigen Spielern und Spielerfrauen nicht funktioniert hat. Mittlerweile darf ja jeder bei Facebook seine Meinung äußern. Da fehlt mir der Respekt. An Leipzig glaube ich nicht. Julian Nagelsmann ist zwar ein guter Coach, aber mit Anfang 30 kann er noch nicht die Menschenkenntnis haben, die nötig ist, um in der Tabelle ganz oben zu stehen.

Höfer: Ich glaube auch an die Münchener. Die Bayern spielen den besten Fußball. Sie haben sich nach einer Schwächephase gefunden, und ich befürchte, sie werden durchmarschieren.

Schramm: Bayern als Tipp ist realistisch. Auch wenn ich mich unbeliebt mache, hoffe ich aber auf RB Leipzig. Deren Philosophie und Spielweise sind beeindruckend. Ich finde, Julian Nagelsmann hat etwas Besonderes. Von den Verfolgern sind die Leipziger noch am konstantesten.

Das Interview führten Timo König und Tim Straßheim



Aufrufe: 021.2.2020, 14:02 Uhr
WNZAutor