2024-04-19T07:32:36.736Z

Allgemeines
Zwei, drei Charakter-Fußballer hätte sich Ralf Zahn als Trainerin Waldram gewünscht: Gerne hätte er die DJK bei drei Aufstiegsrelegationen in die Bezirksliga geführt. Es war seine vorerst letzte Trainer-Station.  FOTO: RUDI STALLEIN
Zwei, drei Charakter-Fußballer hätte sich Ralf Zahn als Trainerin Waldram gewünscht: Gerne hätte er die DJK bei drei Aufstiegsrelegationen in die Bezirksliga geführt. Es war seine vorerst letzte Trainer-Station.  FOTO: RUDI STALLEIN

Ex-DJK-Waldram-Coach Ralf Zahn: „Wie ich da explodiert bin“

Karriere im Überblick

Wenn in ein paar Wochen in den Amateurligen der Ball wieder rollt, trifft man einen Akteur, der den Fußball in der Region ein Vierteljahrhundert als Spieler und Trainer geprägt hat.

Waldram Aber nun schaut er nur noch zu. Ralf Zahn (51) hat beschlossen, nach seinem Abschied von der DJK Waldram keine neue Mannschaft zu übernehmen – zumindest vorerst.

5. Juni 2004. Bezirkssportanlage Mitte in Ingolstadt. Auf dem Rasen stehen sich die SG Quelle-Fürth und der BCF Wolfratshausen gegenüber. Spielstand 2:2, neunte Minute der Verlängerung. Ralf Zahn, der in der ersten Halbzeit einen Elfmeter verschossen hatte, legt sich 20 Meter vor dem Tor den Ball zum Freistoß zurecht. Ein kurzer Anlauf, dann fliegt die Kugel wie ferngesteuert um die Mauer, direkt ins Kreuzeck. Der BCF führt 3:2. „Ich weiß noch genau, wie ich da explodiert bin. Ich habe gar nicht gewusst, wohin mit meiner Energie“, erzählt der Torschütze. „Ich bin auf dem Platz rumgelaufen, bis meine Mitspieler mich erwischt und in den Rasen gedrückt haben.“ Der Moment, als er den BCF in die Bayernliga schoss, war der „sportlich emotionalste Augenblick“ einer beeindruckenden Karriere, die vor 42 Jahren auf einem Bolzplatz in München begann.

Dort entdeckte 1977 ein Jugendtrainer des FC Bayern den „Straßenfußballer“ (Zahn über Zahn), der dann von den E- bis zu den A-Junioren bei den Bayern kickte. Als es zu den Amateuren ging, damals dritte Liga, habe er jedoch schnell gemerkt, „dass es dafür fußballerisch nicht reicht“, räumt Zahn ein. Deshalb wechselte er eine Liga tiefer in die Landesliga zum FSV München. Dort blieb er sieben Jahre, dann lotste Hannes Salberg ihn zum TuS Geretsried, sechs Jahre später wechselte er mit seinem damaligen Coach Andi Brunner vom Isarau- ins Isar-Loisach-Stadion zum BCF Wolfratshausen, mit dem er in vier Jahren drei Aufstiege feierte.

In Farchet erlebte er nicht nur den glücklichsten Augenblick, sondern nur wenige Monate nach dem Bayernligaaufstieg auch einen der schmerzhaftesten Momente seiner aktiven Laufbahn. „Das hat sehr weh getan“, erinnert sich der 51-Jährige an den (inzwischen bestens verheilten) Bruch mit Brunner. „Er wollte die Viererkette einführen. Aber das war meiner Meinung nach der falsche Zeitpunkt. Wir waren mit der Bayernliga fast schon überfordert, dann auch noch ein Systemwechsel, das hielt ich für falsch. Das hat sich über Wochen hochgeschaukelt.“ Irgendwann sei für ihn klar gewesen: „Ich muss Konsequenzen ziehen.“

„Klare Kante“ bedeutete in dem Fall, in Farchet einen Schlussstrich zu ziehen. Zahn wechselte zurück zum TuS, wo er mit den Aufstiegen in die Bezirksliga und weiter in die damalige Bezirksoberliga seine größten Erfolge als Trainer feierte – und ein weiteres Beispiel zahnscher Konsequenz ablieferte. Monatelang habe er als „Mädchen für alles“ herhalten müssen. Er habe sich „im Stich gelassen“ gefühlt, „weil immer mehr Arbeit drum herum an mir hängen blieb“. Dann brachte die während eines Testspiels gegen die DJK Waldram automatisch aktivierte Rasen-Sprinkleranlage das Fass buchstäblich zum Überlaufen. Eine Woche vor dem Punktspielstart im Juli 2013 musste sich der TuS einen neuen Coach suchen.

Wenn er sich einmal entschieden hat, zieht er das Ding durch. Das hat er schon als junger Mann gezeigt. So kündigte der gelernte Bürokaufmann mit 22 Jahren seinen Bürojob, weil es ihn langweilte, „den ganzen Tag rumzusitzen“ und abends keine Zeit für seinen kleinen Sohn zu haben. „Das ist nicht mein Ding. Ich brauchte mehr Zeit“, entschied der junge Vater. Er jobbte als Postzusteller. „Das war übergangsweise gedacht, dann bin ich hängen geblieben.“ Seinem Zustellbezirk in München, der sich im Lauf der Zeit nur in Nuancen veränderte, ist er bis heute treu.

Wie er auch seinen Vereinen lange treu blieb. Nur fünf Klubs zieren seine überschaubare Vita als Spieler und Trainer. „Ich hatte das Glück, dass ich immer Angebote von tollen Vereinen hatte. Ich habe mir das nie lange, aber gut überlegt“, sagt Zahn. Dass es ihn heutzutage nervt, wenn Spieler „wochenlang brauchen, um sich zu entscheiden“, daraus macht er kein Geheimnis.

Wie er auch eingesteht, dass sein Verständnis von sportlichem Ehrgeiz mit der Einstellung vieler Spieler der heutigen Generation nicht kompatibel ist. „Für uns gab es nur Fußball, wir haben Fußball gelebt. Da gab es wenig, was wichtiger war“, erinnert sich der 51-Jährige vor allem an die erfolgreichen Jahre beim BCF. „Wenn ein Karl Murböck nicht ins Training kam, musste man sich Gedanken machen, ob ihm etwas zugestoßen ist.“ Und Tom Haslinger habe damals, im Sommer 2004, einen bereits bezahlten Norwegen-Urlaub mit seiner Freundin storniert, um bei der Relegation dabei zu sein. „Obwohl er genau gewusst hat, dass er vermutlich keine Minute spielen würde. Trotzdem ist er geblieben. Wir hatten viele von diesen Typen, das hat die Mannschaft ausgezeichnet.“

Zwei, drei solche Charaktere hätte er sich bei seiner letzten Station gewünscht. Womöglich wäre dann eine der drei aufeinanderfolgenden Relegationen mit Waldram erfolgreich verlaufen. „Wir haben es in keinem Relegationsspiel geschafft, annähernd unsere beste Leistung zu bringen“, grübelt der Coach über die misslungenen Versuche. Warum? Er gibt die Antwort selbst: „Es gab keinen, der wirklich Verantwortung übernommen hätte. Die paar, die geredet haben, haben das nicht durch Leistung bestätigt. Und die, die mit überdurchschnittlicher Leistung aufwarten, sind von Haus aus eher ruhige, introvertierte Typen. Ich denke, das war mit ein ausschlaggebender Punkt.“

Nach dem letzten gescheiterten Versuch, dem beschämenden 0:3 gegen den VFL Denklingen am 9. Juni 2018, sei der Entschluss gereift, seine Arbeit in Waldram zu beenden. „Da war die Enttäuschung unfassbar groß“, sagt Zahn. Trotzdem habe er geglaubt, „die Mannschaft vielleicht nochmal hinzubringen“. Er ist überzeugt, dass dies gelungen wäre, hätte es nicht zwischenzeitig „völlig unnötig“ Unruhe gegeben, die sich nachhaltig auf die Leistung ausgewirkt habe. Damals sei er ein einziges Mal von seiner Linie abgewichen, habe seine Vorstellungen nicht mit aller Konsequenz durchgezogen. „Das mache ich mir zum Vorwurf“, sagt er.

So blieben dem Coach einige Monate, um sich auf die fußballfreie Zeit vorzubereiten. Langweilig werde es ihm nicht, betont Zahn, der ebenso gerne in die Berge wie ins Fitnessstudio geht. Sohn Dennis (13) freut sich ebenfalls, dass der Papa ihm nun vielleicht häufiger beim Fußball zuschaut. Und auch sonst werde man ihn sicher auf Fußballplätzen sehen. „Fußball ist immer noch meine Leidenschaft. Ich liebe diesen Sport einfach“, betont Zahn. Deshalb wolle er auch nicht ausschließen, wieder aktiv zu werden, „wenn es womöglich in einem halben Jahr wieder anfängt zu kribbeln.“ Dafür müsste jedoch ein Angebot kommen, „wo alles passt: Liga, Mannschaft, Umfeld“, betont Zahn. Nach kurzer Pause ergänzt er: „Es müsste so sein, wie in Waldram.“

Auf welche Leistung sind Sie stolz? Sportlich auf das, was ich erreicht habe. Und dass ich immer eine klare Linie verfolgt habe. Als Spieler wie als Trainer. Was können Sie überhaupt nicht leiden? Fehlenden Ehrgeiz, Intrigen und Unehrlichkeit. Worüber können Sie herzlich lachen? Über meine Söhne, weil die manchmal Meinungen haben, über die ich nur noch lachen kann. Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes. Welche dreiDinge nehmen Sie mit auf die einsame Insel? Familie, Fußball und kein Handy. Sportliches Vorbild? Hab ich keins mehr. Mich beeindruckt jeder Spieler, der aus wenig Mitteln viel macht, es mit Ehrgeiz und Willen trotzdem weit bringt. Welche Schlagzeile würden Sie gerne über sich lesen? „Zahn führt Waldram in die Bezirksliga.“ Lieblingsessen? Schweinebraten. Welches Lied darf auf Ihrer Play-List nicht fehlen? Alles von Coldplay. Lebensweisheit/Ihr Motto? Mach es gescheit oder gar nicht. Ich mag nicht 50 Prozent, nicht nur auf dem Fußballplatz.

Auf welche Leistung sind Sie stolz?

Sportlich auf das, was ich erreicht habe. Und dass ich immer eine klare Linie verfolgt habe. Als Spieler wie als Trainer.

Was können Sie überhaupt nicht leiden?

Fehlenden Ehrgeiz, Intrigen und Unehrlichkeit.

Worüber können Sie herzlich lachen?

Über meine Söhne, weil die manchmal Meinungen haben, über die ich nur noch lachen kann.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes.

Welche drei Dinge nehmen Sie mit auf die einsame Insel?

Familie, Fußball und kein Handy.

Sportliches Vorbild?

Hab ich keins mehr. Mich beeindruckt jeder Spieler, der aus wenig Mitteln viel macht, es mit Ehrgeiz und Willen trotzdem weit bringt.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne über sich lesen?

„Zahn führt Waldram in die Bezirksliga.“

Lieblingsessen?

Schweinebraten.

Welches Lied darf auf Ihrer Play-List nicht fehlen?

Alles von Coldplay.

Lebensweisheit/Ihr Motto?

Mach es gescheit oder gar nicht. Ich mag nicht 50 Prozent, nicht nur auf dem Fußballplatz.

Aufrufe: 027.6.2019, 09:10 Uhr
Isar-Loisachbote / Rudi StalleinAutor