2024-06-03T07:54:05.519Z

Interview
Patrick Wiegers muss immer da sein, wenn es brennt - als Torwart generell und als Nummer 2 im Besonderen.
Patrick Wiegers muss immer da sein, wenn es brennt - als Torwart generell und als Nummer 2 im Besonderen. – Foto: Dieter Siering

Ewige Nummer 2? »Bin kein Mensch, der vorschnell aufgibt«

Zweiter Teil des Exportschlager-Interviews mit Patrick Wiegers: Nicht nur, weil der 30-Jährige nur Nummer 2 ist in Dresden, ist es eine herausfordernde Kopfsache, Schlussmann zu sein

Er ist keiner, wie er betont, der Spiele und Vereine in seiner Vita sammeln will. Schließt sich Patrick Wiegers einem neuen Klub an, dann mit Haut und Haar, aus purer Überzeugung. Das war bei der Spvgg Grün-Weiß Deggendorf so, bei der Spvgg Plattling, beim SSV Jahn Regensburg und nun auch bei Dynamo Dreden. Allesamt übrigens Vereine mit einer gewissen Tradition. Im zweiten Teil des Exportschlager-Interviews spricht der Niederbayern über eben jene Auswahl an Stationen, über die Herausforderung Torwart und über seinen Status als "ewige Nummer 2".

Deggendorf, Plattling, Regensburg und nun Dresden. All Deine bisherigen Vereine gelten als traditionsreiche Klubs in ihrer jeweiligen Region. Hast Du Dich deshalb bewusst für diese Stationen entschieden?
Ja. Ich hab schon den Anspruch, dass die Vereine, für die ich spiele, gewisse Kriterien erfüllen müssen. Und Tradition ist mir seit jeher sehr wichtig. Fußball ist nicht nur Fußballspielen, es gehört auch das Drumherum dazu - und das war bei all meinen bisherigen Vereinen überragend. Es ist auch ein Unterschied, ob man einfach nur möglichst viele Spiele sammeln möchte oder sich tatsächlich mit dem jeweiligen Verein auseinandersetzen und identifizieren will.

Was nimmst Du von deinen bisherigen Vereinen mit?
Aus Deggendorf - unglaubliche Erinnerungen. Dort habe ich meine komplette Jugendzeit verbracht und praktisch das Fußballspielen so richtig gelernt. Ich war ja unter anderem Teil des Bezirksoberliga-Meisterteams. Unvergesslich auch: Als junger Keeper im Herrenbereich durfte ich in der Reserve sogar noch ein Spiel mit meinem Papa (Marcus Wiegers/Anm. d. Red) bestreiten - er als Libero, ich im Kasten. (überlegt) Nicht jeder Profi kann von sich behaupten, mal in der Kreisklasse gespielt zu haben - und das auch noch mit dem eigenen Vater (lacht).

Dann deine Station: SpVgg Plattling
Obwohl ich nur ein Jahr in Plattling war, war auch diese Zeit sehr prägend für mich. Dort war ich das erste Mal nicht bei einem Topklub der Region, sondern im Tor einer eher durchschnittlichen Mannschaft. Wir hatten damals eine unfassbar geile Mannschaft, die viele überrascht hat. Nicht nur tolle Spieler waren im Kader, sondern ausschließlich auch tolle Menschen. Einen meiner besten Kumpels, Martin Sautner, lernte ich damals kennen. Allein schon deshalb ist Plattling unvergessen.


»Ausstehende Gehälter, kein Strom oder Wasser gehörten beim Jahn irgendwie dazu«

Dann der Schritt zum SSV Jahn Regensburg...
Ja, und der war enorm - auch persönlich. Ich hätte schon in der B-Jugend zum Jahn gehen können, ich fühlte mich aber noch nicht bereit dazu. Ich durfte dort dann gleich A-Jugend-Bundesliga gegen die süddeutschen Toptalente spielen. Als erste Profistation und dazu noch als langjährigen Verein werde ich den SSV natürlich immer in bester Erinnerung behalten. Regensburg war aber nicht nur Lust, sondern ab und an auch Frust. Ausstehende Gehälter, kein Strom oder Wasser gehörten irgendwie dazu (lacht).

Mit Anfang 20 wurdest Du als großes Torwarttalent gefeiert. Ganz ehrlich: Hast Du ab und zu den Star raushängen lassen und Dich von den Schlagzeilen verleiten lassen?
Boah, schwierige Frage. Ich habe eigentlich gar keine derartigen Schlagzeilen mehr in Erinnerung, was ja irgendwie dafür spricht, dass ich nicht den Star hab' raushängen lassen. Ich habe mich eigentlich noch nie besonders gefüllt. Ob ich Allüren habe? Das müssen andere entscheiden.




Von außen betrachtet ist Deine Karriere dann irgendwann stecken geblieben, auch aus deiner Sicht?
2009 bin ich in den Herrenbereich gekommen. Und von Beginn an habe ich zum Profikader gehört. In meiner Statistik stehen zahlreiche Zweit- und Drittliga-Spiele. Natürlich hätte ich es mir gewünscht, dauerhaft Stammkeeper zu werden - das ist aber gar nicht so einfach, wenn man gegen Klasseleute wie Michi Hoffmann um den Platz im Tor kämpft. Nichtsdestotrotz bin ich ganz zufrieden mit meiner bisherigen Karriere.

Du giltst als "ewige Nummer 2". Ist das eine Einschätzung, die Deiner Person und Deiner Leistungsfähigkeit gerecht wird?
Nein. Wäre es mein Anspruch, nur die Nummer 2 zu sein, wäre ich schlecht beraten. Ich muss mich allerdings damit abfinden, dass es aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht geklappt hat, mich dauerhaft durchzusetzen. Es ist einfach so. Das ist meine Vergangenheit, aufgrund derer ich nicht verzagen darf. Wurde ich gebraucht, war ich da - und habe gute Leistungen gezeigt. Ich kann mir nichts vorwerfen. Das einzige Problem: Ich hatte immer starke Konkurrenten. Die letzten drei Dresdner Keeper, die in der Hierarchie vor mir waren, spielen nunmal allesamt in Europas Topligen.

Ist es für Dich nie infrage gekommen, einen großen Schritt zurückzugehen was die Spielklasse betrifft, um endlich dauerhaft im Kasten zu stehen?
Natürlich waren Gedanken da, einen Schritt zurückzugehen, um mit Anlauf zwei Schritte nach vorne zu kommen. Ich bin jedoch kein Mensch, der vorschnell aufgibt. Das Niveau, auf dem ich mich befinde, möchte ich nur ungern verlassen. Ich will mich mit den Besten messen. Mir ist die Herausforderung wichtiger als ein paar mehr Spiele in meiner Vita.


Eine prägende Zeit erlebte der Deggendorfer bei Jahn Regensburg. 2014 verabschiedete er sich aus der Oberpfalz in Richtung Sachsen.
Eine prägende Zeit erlebte der Deggendorfer bei Jahn Regensburg. 2014 verabschiedete er sich aus der Oberpfalz in Richtung Sachsen. – Foto: Dieter Siering


Soll das heißen, Du hast Dich in gewisser Weise mit Deiner Rolle abgefunden – oder schaffst Du es tatsächlich immer wieder von Neuem, Dich zu motivieren und den Konkurrenzkampf anzunehmen?
Ich habe mich mit meiner Rolle nicht abgefunden, aber arrangiert. Ich weiß, wie ich damit umzugehen habe. Meine Aufgabe ist es, auf den Konkurrenten so viel Druck aufzubauen, sodass ich irgendwann meine Chance bekomme.

Bist Du alles in allem eher mental als körperlich gefordert?
Mental ist das Torhüterdasein natürlich eine große Herausforderung. Machst Du einen Fehler, fällt ein Tor. Aber auch körperlich bin ich topfit. Nicht umsonst sind oft die Keeper die größten "Maschinen" in einer Mannschaft. Wir arbeiten sehr hart.

Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft: Was bringen die nächsten Monate und Jahre?
Wenn ich das jetzt schon wüsste... (lacht) Mein Vertrag in Dresden läuft Ende Juni aus. Durch Corona ist aber auch meine persönliche Situation ins Stocken geraten. Es ist noch offen, wie es mit mir weitergeht. Wir waren bereits in guten Gespräch. Ich hoffe, dass es in den nächsten Wochen Klarheit geben wird. Persönlich würde ich gerne in Dresden bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft - und ganz wichtig: Gesund bleiben.


--> Hier geht's direkt zum ersten Teil des Interviews (einfach klicken)


Aufrufe: 012.6.2020, 10:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor