2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der gebürtige Nürnberger Marco Christ hat sowohl im Profi- als auch im Amateurfußball seine Spuren hinterlassen.
Der gebürtige Nürnberger Marco Christ hat sowohl im Profi- als auch im Amateurfußball seine Spuren hinterlassen. – Foto: Meier

»Es war ein Zigeunerleben mit festem Wohnsitz«

Marco Christ (39) hat in seiner bewegten Laufbahn viel erlebt +++ Warum die Saison 2019/20 für ihn zum Super-GAU werden könnte

Marco Christ ist ehemaliger Profi, der vieles in seiner Laufbahn gesehen hat. Der heute 39-Jährige und einstige Mittelfeldmotor erlebt im Moment ein ganz schlimmes Szenario. Denn mit dem Bundesligisten Fortuna Düsseldorf, den beiden Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden und Dynamo Dresden sind bereits drei seiner ehemaligen Profivereine gerade abgestiegen. Nun bangt Christ mit dem 1. FC Nürnberg, für den er ebenfalls gespielt hat, um den Klassenerhalt in der 2. Liga. Sein Verein, Christ trainiert den TSV Freystadt, belegt in der Bezirksliga Süd in Mittelfranken auch einen Abstiegsplatz. Es ist also gerade ein Jahr zum Vergessen für Christ.

Doch Marco Christ ist ein positiver Mensch, der mit dem, was er erreicht und erlebt hat, zufrieden ist: "Es hätte einiges besser laufen können, dennoch bin ich zufrieden." Christ, 1,70 Meter groß und ein echter Zehner, war ein exzellenter Techniker. Leider hatte er in seiner Karriere mit vielen Verletzungen zu kämpfen. Ein Knorpelschaden vierten Grades am Sprunggelenk ist ihm geblieben: "Da reibt fast Knochen auf Knochen. Aber für Spiele in der Traditionsmannschaft reicht es gerade noch. Danach habe ich dann ein paar Tage Probleme."

Christ durchlief sämtliche Junioren-Nationalteams.

Die Karriere von Marco Christ begann für ihn als echten Nürnberger beim SV 73 Nürnberg-Süd, wo er elf Jahre im Nachwuchs kickte. Zu Beginn der B-Jugend ging es für den talentierten Spielgestalter für ein halbes Jahr zum FC Bayern München ins Internat. Von dort wechselte der Mittelfeldspieler zum Club. "Da war ich gerade 16 Jahre alt und Trainer bei den Profis war Felix Magath. Der hat mich dann schon zu den Profis zum Training geholt und er hätte mich auch schon spielen lassen. Aber damals durfte man das als 16-Jähriger noch nicht. Als ich dann das Alter für die Profis hatte, da war Magath leider beim Club schon entlassen", erinnert sich Christ mit etwas Wehmut. Im Nachwuchs war Christ richtig erfolgreich, spielte von der U15 bis zur U21 in allen deutschen Auswahlmannschaften und brachte es dabei auf mehr als 25 Einsätze. Größte Erfolge waren 1997 mit der U16 bei der Europameisterschaft im eigenen Land, was gleichzeitig die WM-Qualifikation bedeutete. Christ stand in allen sechs Spielen auf dem Platz und erzielte ein Tor, am Ende wurde es Platz drei. 1998 fand dann die Weltmeisterschaft in Ägypten statt und Deutschland belegte mit Christ am Ende den undankbaren vierten Platz. Damals spielte Christ im Nachwuchs des Club und seine Nominierung für die beiden großen Turniere war eine ganz tolle Sache für ihn wie auch für den FCN.

Besser geht`s nicht: Profidebüt ausgerechnet im großen Frankenderby.

Am 29. November 1999 war es dann soweit: Als 19-Jähriger feierte Christ sein Zweitliga-Debüt beim Club und das ausgerechnet im Derby bei Greuther Fürth (1:1). Damals spielten beim von Friedel Rausch trainierten FCN Größen wie Andi Köpke im Tor, Marek Nikl, Tomasz Kos, Armin Störzenhofecker, der heutige Fürther Trainer Stefan Leitl, Martin Driller, Marcus Feinbier und Bernd Hobsch. In Minute 71 kam Christ für Driller auf den Platz. Sein zweites Match in Liga zwei absolvierte Christ bei Borussia Mönchengladbach, das 0:4 verloren wurde. 2001 wechselte der Mittelfranke für ein halbes Jahr zu Jahn Regensburg und kam zu Jahresbeginn 2002 nach Feucht in die Bayernliga. "Da begann für mich eine sehr schöne Zeit, die ich nie vergessen werde", erinnert sich Christ. Im ersten Halbjahr half er mit, den Klassenerhalt zu sichern, brachte es in 13 Spielen auf beachtliche elf Treffer. Im zweiten Jahr startete Feucht durch, holte sich mit 13 Punkten Vorsprung vor dem TSV 1860 München II mit einem Torrekord für die Ewigkeit von 107 erzielten Treffern die Meisterschaft und stieg damit erstmals in der Vereinsgeschichte in die 3. Liga auf, die damals noch zweigleisig war und Regionalliga Süd hieß.

Marco Christ am Ball für den 1. SC Feucht.
Marco Christ am Ball für den 1. SC Feucht. – Foto: Meier


Hier hatte es Christ in 24 Partien auf 14 Tore gebracht. Im ersten Regionalliga-Jahr war Christ oft verletzt, konnte nur zehnmal spielen, schaffte nur sieben Partien über die volle Distanz. Am Ende wurde es ein hervorragender achter Platz. "Wir hatten eine tolle Zeit, hatten viel Spaß und waren ein richtig eingeschworenes Team. Zu den meisten Spielern von damals habe ich heute noch Kontakt." Christ ist derjenige, der zusammen mit Christian Vitzethum die Feuchter Traditionsmannschaft ins Leben gerufen hat. "Wir haben eine Whats-App-Gruppe, da sind fast alle von früher dabei, auch Manfred Kreuzer und Dieter Nüssing, die damals auch Großes für den Verein geleistet haben. Wir treffen uns auch mal privat, unternehmen etwas, und sprechen über die alten Zeiten." Die dritte Liga in Feucht war nicht nur für Christ etwas ganz Besonderes: "Da kamen ja viele Traditionsvereine und wir haben uns dann gefreut, wenn wir die meistens ohne Punkte nach Hause geschickt haben. Anschließend haben wir das dann auch meistens gebührend gefeiert."

2004 wurde Christ - weil viel beachtet durch seine starken Leistungen als Spielmacher des SC Feucht - zu Dynamo Dresden in die 2. Liga geholt. Am Ende wurden es unter Trainer Christoph Franke 21 Spiele (kein Tor) und Platz acht. "Das waren zum Teil sehr tolle Heimspiele mit sehr vielen Zuschauern in dem großen Stadion." Im zweiten Jahr verließ Christ noch im August Dresden, weil ihn Coach Franke nicht mehr einsetzte. Christ wechselte in die Regionalliga Süd zum VfR Aalen, blieb dort zwei Jahre und kam jeweils auf 30 Spiele mit insgesamt 14 Toren. Auch in Aalen stand Christ erneut im Fokus höherklassiger Vereine. 2007 folgte dann der Wechsel zum Traditionsklub Fortuna Düsseldorf, der damals in der dritten Liga, der Regionalliga Nord spielte. 2008 wurde die Qualifikation für die eingleisige neue 3. Liga geschafft und ein Jahr später ging es mit Christ unter Coach Norbert Meier rauf in die 2. Liga. Insgesamt absolvierte Christ für die Fortuna 36 Zweitliga-Partien (2 Tore). "Düsseldorf, das war eine ganz tolle Zeit. Beinahe wäre ich dort sogar hängengeblieben." Aber es kam anders. Weil Christ in der Saison 2010/11 nicht über zwölf Spiele hinauskam, stellte sich der Zehner einer neuen Herausforderung und die hieß SV Wehen Wiesbaden in Liga drei. So kamen noch einmal 61 Drittliga-Spiele mit drei Toren dazu. Im Sommer 2014 im Alter von 33 und einem halben Jahr beendete Marco Christ in Wehen Wiesbaden seine Profikarriere, schloss sich in heimatlichen Gefilden dem SV Seligenporten an. Im Klosterort blieb Christ drei Jahre, erlebte Abstieg aus und Aufstieg in die Regionalliga. 2017 kehrte der "Wandervogel" noch einmal nach Feucht zurück, damals in der Landesliga Nordost beheimatet: "Schade, dass wir da nur Dritter geworden sind. Ich hätte mich gerne mit dem Aufstieg in die Bayernliga verabschiedet."

»Es war ein Zigeunerleben mit festem Wohnsitz .«

Rückblickend auf seine bewegte wie erfolgreiche Karriere sagt Marco Christ: "Es war ein Zigeunerleben mit festem Wohnsitz. Ich habe viel erlebt, möchte nichts missen. Das Positive hat deutlich überwogen, wenngleich es mit den vielen Verletzungen oft nicht leicht war. Vor allem der ständige Kampf wieder ranzukommen war teilweise nervenaufreibend." Bereits im letzten Jahr in Seligenporten bereitete Christ seiner Trainerlaufbahn vor. Er war damals Assistent von Roger Prinzen. In Feucht unterstützte Christ seinen Cheftrainer Rainer Zietsch als Co-Trainer. Zur Saison 2018/19 wurde Christ Chefcoach beim damaligen Bayernligisten ASV Neumarkt. Seit dieser Saison trainiert Christ den TSV Freystadt. Mit Blick auf seine Ex-Vereine sagt Christ: "Bei Dresden und Wehen Wiesbaden war der Abstieg aus der 2. Liga schon längere Zeit absehbar. Fortuna Düsseldorf hätte den direkten Klassenerhalt längst schaffen können, hat aber nach Vorsprüngen gegen Hertha BSC (3:0) und Köln (2:0) diese verspielt und in der Schlussphase viele Punkte hergeschenkt."

Somit sind drei seiner Ex-Vereine am Saisonende abgestiegen. Nun bangt Christ noch mit dem Club: "Ich hatte unmittelbar nach dem 1:1 in Kiel befürchtet, dass Trainer Jens Keller entlassen wird. Jetzt drücke ich natürlich Michael Wiesinger und Marek Mintal die Daumen, dass sie den Klassenerhalt schaffen. Wenn der Club absteigt, dann wäre das mein vierte Ex-Verein, der in diesem Jahr abstiegen muss", so Christ. Der muss aber auch mit seinem Klub TSV Freystadt bangen, der in der Bezirksliga Süd den besten Abstiegsplatz einnimmt und einen Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz zur TSG 08 Roth aufweist. "Wir werden nach Wiederaufnahme der Saison angreifen, werden alles versuchen, damit wir drinbleiben." Im schlimmsten Fall könnten es für Christ, wenn er auch mit Freystadt runter müsste, fünf (!) Abstiege in einer Saison werden, ein Déjà-vu für einen ehemaligen Profi.

Aufrufe: 07.7.2020, 13:00 Uhr
Dirk Meier Autor