2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
– Foto: FuPa Lüneburg

„Es ist richtig, alles wieder auf Null zu stellen“

Alicia Kersten im Interview

Ihre erste Saison beim Oberligisten FC Geestland war kürzer, als Alicia Kersten sich das vorgestellt hat. Die 22-jährige Nordholzerin lag mit ihrer neuen Mannschaft gut im Rennen um den Regionalliga-Aufstieg – bis Corona dazwischenkam. Im Interview mit Dietmar Rose zieht die frühere Fußballerin von Werder Bremen eine persönliche Saisonbilanz und spricht über den laufenden Pokal-Wettbewerb, ihren Bruder Jan Niklas Kersten und Teamchemie in Zeiten des Online-Trainings.

Alicia, die Entscheidung zum Saisonabbruch ist für die Frauen des FC Geestland angesichts der Corona-Situation sicher nicht überraschend gekommen. Dennoch ist die Aussicht auf eine lange Sommerpause alles andere als schön. Haben Sie sich mit der Entscheidung schon anfreunden können? Ich finde es megaschade, dass alles abgebrochen worden ist und dass noch völlig unklar ist, wann es überhaupt wieder weitergeht. Wir waren ziemlich gut drin in der Saison. Natürlich weiß man nicht, wie unser Stand nach der langen Pause gewesen wäre. Aber ich denke, dass wir das gut verkraftet hätten und weiter oben mitgespielt hätten – wenn es denn weitergegangen wäre.

Auch wenn es spekulativ ist: Sie sind nach einem Remis und einer Niederlage zum Saisonstart in der Oberliga durchgestartet und haben Tabellenführer SG Ti-Mo-
No in der Meisterschaft und im Pokal geschlagen. Auch gegen das Topteam Blau-Weiß Hollage gab es einen Sieg. Hätten die Geestländerinnen die West-Staffel gewinnen können? Wir hätten auf jeden Fall oben mitgespielt. Der Spielplan sah ja auch so aus, dass es jetzt gegen die Gegner gegangen wäre, die in der Tabelle unten stehen.

Der Norddeutsche Fußball-Verband hat entschieden, dass es keine Aufsteiger aus der Oberliga in die Regionalliga geben wird. Auch die Tabellenersten aus den drei Oberliga-Staffeln dürfen nicht hoch. Ist das aus Ihrer Sicht okay so? Ich glaube schon, dass es richtig ist, wieder alles auf Null zu stellen. So hat jeder in der nächsten Saison wieder die gleiche Chance. Die Staffel-Ersten zu Aufsteigern zu erklären, hätte ich schwierig gefunden. Wenn man wenigstens die Hinrunde komplett gespielt hätte, wäre es etwas anderes. Aber so waren es ja gerade mal fünf Spiele, es hatten nicht alle die gleichen Gegner.

Ein heißes Eisen hat der FC Geestland aber noch im Feuer. Den Pokalwettbewerb, wo es im Viertelfinale ein Heimspiel in Drangstedt gegen den Sieger der Partie TSV Barmke gegen Eintracht Braunschweig geben soll. Wie groß ist die Hoffnung, dass dieser Wettbewerb noch ausgespielt wird? Ich habe auf jeden Fall noch Hoffnung. Man hat ja auch gesehen, dass man im Pokal mit uns rechnen kann, wie die Siege gegen den Regionalligisten Jahn Delmenhorst und Ti-Mo-No zeigen, wo wir nicht unbedingt die Favoriten waren. Wenn wir den Pokal ausspielen können, können wir da noch sehr weit kommen.

Corona ist für alle Mannschaftssportarten eine große Herausforderung. Das letzte Spiel des FC Geestland hat im Oktober vergangenen Jahres stattgefunden. Wie lässt sich die Teamchemie erhalten, wenn man sich nur noch bei Online-Trainingseinheiten treffen kann? Das ist schwierig, das stimmt. Wir haben natürlich WhatsApp-Gruppen – mal mit den Trainern, mal ohne. Was die Teamchemie gestärkt hat, waren Gruppenläufe, wo man als Gruppe eine bestimmte Zahl an Kilometern erreichen musste. Außerdem haben wir online eine Art Tagestrainingslager gemacht, wo wir zum Beispiel noch mal unsere Spielphilosophie festgelegt haben – das hatten wir im Sommer schon mal gemacht. Aber wir können den Tag kaum erwarten, wenn wir wieder zusammen auf dem Platz stehen zu können. Alleine nur, um sich mal wiederzusehen.

Arbeiten Sie neben den Teamsitzungen auch individuell an Ihrer Fitness? Das würde ich gerne, aber mir fehlt tatsächlich dafür die Zeit. Durch Corona ist mein Schichtdienst umgestellt worden, so dass ich viel arbeiten muss. Wir bekommen von Trainer Joshua von Glahn Läufe, die wir machen sollen. Davon schaffe ich nicht so viele. Aber ich versuche, mich durch Kräftigungsübungen fit zu halten.

Wie fällt Ihre persönliche Bilanz der sehr kurz geratenen Premierensaison bei den Geestländerinnen aus? Vom Menschlichen her bin ich super aufgenommen worden. Das war für mich auch der ausschlaggebende Punkt, als ich das erste Mal mittrainiert habe, dass ich gesagt habe: Okay, ich komme auf jeden Fall zu euch, es hat mir richtig gut gefallen. Auch vom Trainerteam habe ich dadurch, dass ich eine der drei Kapitäninnen bin, extrem großes Vertrauen bekommen. Als Neue hätte ich das nicht so erwartet. Es tut gut, so ein Vertrauen zu spüren. Und es macht fußballerisch sehr viel Spaß. Ich bin ja auch noch eine junge Spielerin, die noch viel lernen kann. Da ist Geestland für mich der richtige Verein.

Aufgrund Ihrer bei Werder gesammelten Erst- und Zweitligaerfahrung haben Sie in Geestland eine andere Rolle als Führungsspielerin übernommen. Wie gefällt Ihnen das? Ich übernehme schon gerne Verantwortung auf dem Platz, gerade wenn ich damit auch anderen helfen kann. Aber es war am Anfang schon eine Umstellung, weil ich vorher bei Werder nicht die Spielerin gewesen bin, die anderen Anweisungen gegeben hat. Ich musste mich erst mal daran gewöhnen, zu den Führungsspielerinnen zu gehören. Aber da hat das Team mir gut dabei geholfen.

Sie sind den Schritt zurück, von Werder zum FCG, aus beruflichen Gründen gegangen. Lässt sich der Oberliga-Alltag besser mit Ihrer Arbeit als Polizistin unter einen Hut bekommen oder klemmt es da auch manchmal? Es lässt sich auf jeden Fall besser vereinbaren als bei Werder, weil da ja auch noch längere Fahrtzeiten zum Training dazugekommen wären. Ich versuche, mir meine Dienstpläne so einzuteilen, dass ich mindestens einmal in der Woche zum Training und zu den Spielen kann. Das hat bislang ganz gut geklappt.

Viele Fußball-Fans in der Region verbinden den Namen Kersten auch mit Ihrem Bruder Jan Niklas, Torjäger der Leher TS in der Bremen-Liga. Wie muss man sich Familientreffen vorstellen – geht es die ganze Zeit um Fußball oder wird das Thema eher ausgeblendet? Fußball ist schon eines der Hauptthemen. Wir gucken auch oft mit der Familie Bundesliga. Mein Bruder ist ja Werder-Fan, für ihn ist es im Moment nicht so schön.

Und zu wem halten Sie? Ich bin HSV-Fan.

Na, so super läuft es beim HSV aber auch nicht. (lacht) Das stimmt. Aber ich habe mich schon damit abgefunden. Mein Bruder ist da noch optimistischer bei Werder.

Und wie kommt er damit klar, dass Sie sich in Geestland zur Torjägerin entwickelt haben und ihm jetzt den Platz in den Schlagzeilen streitig machen? Er hat ein gutes Selbstbewusstsein und kommt damit klar. Ich bin ja auch eigentlich nicht die, die viele Tore schießt. Vielleicht liegt es daran, dass ich weiter vorne gespielt habe. Wenn jemand anderes bei uns die Tore macht, ist das auch okay.

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Aufrufe: 029.4.2021, 11:30 Uhr
Nordsee-Zeitung/ dirAutor