2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Zschäpe

"Es braucht eine zeitnahe Entscheidung"

Interview der Woche Fritz Franke, Präsident des Kreisfachverbandes Fußball Jerichower Land, zur Corona-Krise

Zwei Jahre nach seiner Wahl zum Präsidenten des Kreisfachverbandes Fußball Jerichower Land (KFV) ist Fritz Franke aktuell vor allem als Krisenmanager gefordert. Im Interview mit Sportredakteur Björn Richter spricht sich der 64-Jährige für eine rasche Entscheidung mit Blick auf den unterbrochenen Spielbetrieb im Land aus und erklärt, warum der Profifußball derzeit der falsche Ratgeber ist.

Volksstimme: Herr Franke, es ist später Samstagnachmittag. Für gewöhnlich würden Sie gerade irgendeinen Sportplatz im Jerichower Land verlassen und die Heimreise antreten. Wie vertreibt sich ein KFV-Präsident die freie Zeit während der Aussetzung des Spielbetriebs?

Fritz Franke: Ich habe vermutlich noch nie so intensiv im Garten gearbeitet wie in diesem Jahr (lacht). Das ist jetzt wirklich der größte Zeitvertreib am Wochenende. Aber ansonsten setze ich mich natürlich auch immer wieder hin und versuche, Lösungen oder Ideen zu entwerfen.

Diese dürften gefragter denn je sein. Wie geht dabei der Austausch mit Ihren Kollegen im KFV-Vorstand und den Vereinen vonstatten?

Persönliche Treffen gibt es in der aktuellen Situation nicht mehr. Wir wickeln etliche Dinge über WhatsApp ab, telefonieren viel und schieben uns die eine oder andere E-Mail herüber. Das sind eigentlich die Kanäle, die wir nutzen, wenn es neue Entwicklungen aus Magdeburg gibt oder jemand selbst eine Idee hat.

Aus Magdeburg, also vom Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA), für den Sie als KFV-Präsident im Vorstand sitzen, kam am Donnerstag der Vorstoß, die Vereine bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen ins Boot zu holen. Wie soll diese Befragung ablaufen?

Ich muss dazu sagen, dass alle Kreisverbände, also auch wir im Jerichower Land, eine solche Umfrage schon längst gestartet haben. Nur sind nicht alle damit an die Medien gegangen. Ich habe mich etwa mit 23 von 26 im KFV organisierten Vereinen in Verbindung gesetzt. Im Gespräch mit den Verantwortlichen ging es darum, wie der weitere Saisonverlauf aussehen könnte. Die Fragen, die ich dabei herübergebracht habe, orientierten sich an den aktuell diskutierten Ansätzen: Zum einen der Abbruch mit verschiedenen Szenarien wie einer Wertung nach der Halbjahrestabelle oder die Annullierung, zum anderen die Fortführung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt. Von den 23 Vereinen haben sich 21 für einen Abbruch in verschiedenen Varianten ausgesprochen.

Dieses vorläufige Ergebnis deckt sich mit Auswertungen anderer Landkreise wie etwa der Altmark, wo 72 Prozent der Vereine die Saison nicht fortführen wollen. Halten Sie es persönlich für realistisch, dass auf absehbare Zeit noch einmal der Ball rollt?

Ich gehe davon aus, dass es das vorerst gewesen ist. Es sollte mich wundern, wenn wir vor dem Sommer noch einmal Fußball spielen. Daneben wollen etwa auch die Familien endlich wieder zusammenkommen. Da kannst du nicht plötzlich Fußballspiele ansetzen, während die Kontaktbeschränkungen weiter gelten. Gott sei Dank gibt es noch ein bisschen mehr auf dieser Welt als Fußball.

Gehen wir noch einmal zurück zum Donnerstag vergangener Woche. Wie gestaltete sich der Ablauf hin zum fertigen Beschluss?

Die Sitzung, die zwischen FSA-Präsidium und -Vorstand stattfand, wurde in Form einer Videokonferenz abgehalten. Das Präsidium hatte einige Ausführungen vorbereitet, woraus sich letztlich in der Diskussion zwei Szenarien herauskristallisiert haben – entweder Abbruch der Saison oder Fortführung zum derzeit frühestmöglichen Termin am 1. September. Diese beiden Vorlagen werden wir nun – ergänzt um ein paar Kriterien, die noch bedacht werden sollten – in Form eines Votums an die Vereine weiterleiten. Und dann wird man sehen, wie die Meinungserhebung ausfällt.

Das klingt nach einem harmonischen Austausch zwischen den einzelnen FSA-Gremien. Eine Woche zuvor, als eine vom Präsidium ausformulierte Mitteilung im letzten Moment nach Einspruch aus dem Vorstand zurückgezogen wurde, wirkten die Nebengeräusche etwas lauter…

Aus meiner Sicht gibt es da keine Differenzen bei der Zusammenarbeit. Auch die jüngste Videokonferenz lief sehr professionell ab, was bei rund zwei Dutzend Teilnehmern alles andere als selbstverständlich ist. Dass es dabei auch unterschiedliche Meinungen gibt, ist doch völlig normal. Das Präsidium des FSA tendiert eher in Richtung Fortführung der Saison. Das gilt es zu respektieren und es erscheint angesichts dessen nachvollziehbar, dass keine voreiligen Entschlüsse gefasst werden sollen. Allerdings sitzen wir als Präsidenten der einzelnen Kreis- und Stadtverbände direkt mit den Vereinen und damit an der Basis des Fußballs in einem Boot. Die Frage, die uns nahezu täglich erreicht, lautet: Was kommt nun? Es braucht daher also auch möglichst zeitnah eine Entscheidung.

Ist mit dieser zu rechnen, wenn Präsidium und Vorstand des FSA am 7. Mai das nächste Mal planmäßig zusammenkommen?

Ja. Es sei denn, am 30. April passiert etwas Unvorhergesehenes, wenn Bund und Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten und sich unsere Bundeskanzlerin noch einmal äußert. Aber ich gehe davon aus, dass sich nicht großartig viel ändern wird.

Ist angesichts der weiterhin unklaren Entwicklung der Pandemie überhaupt Eile bei der Beschlussfassung im Fußball gefragt?

Wir im KFV Jerichower Land sind ähnlich wie meine Amtskollegen im FSA-Vorstand deutlich daran interessiert, eine Entscheidung zu fällen. Wir können uns nicht immerzu zwischen Hin und Her bewegen. Irgendwann muss einfach entschieden werden, ob weitergespielt wird oder nicht. Selbst wenn für eine Fortführung der Saison gestimmt wird und der Spielbetrieb erst ab September oder Oktober wieder anläuft, dann ist doch damit immerhin eine Klarheit geschaffen, auf welche die Fußballer im Land auch reagieren können. Es gibt Vereine, die ihre Sportplätze auf Vordermann bringen wollen, aber derzeit völlig in der Luft hängen. Das gilt es zu beheben.

Beim Bayerischen Fußballverband kam es bereits zur Abstimmung durch die Vereine. Der Entscheidung über die Fortführung der Spielzeit haftet aber der Geschmack einer gezielten Hinlenkung an, weil eine Klagewelle durch Vereine, Spieler oder Sponsoren befürchtet wurde, sollte die Saison vor dem 30. Juni beendet werden. Trotz der inzwischen erfolgten Anpassungen der FSA-Spielordnung – wie groß ist hierzulande die Gefahr, dass juristisches Ungemach droht?

Die Gerichtsbarkeit ist jederzeit möglich. Denn egal, welcher Beschluss nun gefasst wird, man wird es kaum zur 100-prozentigen Perfektion bringen können. Es gibt überall eine Vielzahl an Justiziaren und Anwälten, auch in den Vereinen. Wir sollten uns also darauf gefasst machen, dass diese in den nächsten Wochen und Monaten sehr genau hinschauen werden. Andererseits gibt es auch im FSA genug gute Leute, wenn es um das Thema Rechtssicherheit geht. Wovon ich in jedem Fall ausgehe, ist, dass wir zusammen in allen Kreis- und Stadtfachverbänden Sachsen-Anhalts eine einheitliche Linie fahren werden. Es genügt schon, dass in den einzelnen Ländern viele Alleingänge unternommen werden.

Neben der kleinen und mittleren liefert vor allem die große Fußballbühne in diesen Tagen reichlich Gesprächsstoff. Welcher Eindruck kommt angesichts der Überlegungen rund um Partien in leeren Arenen und Mundschutzpflicht während der Spiele bei der von Ihnen angesprochenen Basis an?

Solche Gedankenspiele bewegen sich nahe der Grenze zur Lächerlichkeit. Auch wenn Fußball die schönste Nebensache der Welt ist, hört es doch bitteschön irgendwo auf. Dieser Punkt ist meiner Ansicht nach dort erreicht, wo im Profigeschäft weiterhin Gelder im großen Stil fließen sollen, während wir am besten nicht einmal das Haus verlassen. Das wäre ein fatales Zeichen von den Tausend da oben an die Millionen hier unten. Rund um die Spiele soll es dann Tests geben, die überall im Land gebraucht werden. Ich hoffe wirklich, dass sich solche dummen Ideen nicht durchsetzen.

Ein beliebtes Gegenargument lautet: Letztlich hängen nicht nur millionenschwere Lizenzspieler, sondern mittelbar auch der Platzwart, Masseur oder Ticketverkäufer mit am Tropf der Fernsehgelder…

Dazu habe ich kürzlich einen recht bissigen, aber gelungenen Kommentar gelesen: Vielleicht ließen sich einfach noch ein paar Luxusuhren oder Sportwagen zu Geld machen, das man dann etwas umverteilt. Nein, im Ernst: Was hängt dort wirklich noch mit dran? Sicherlich ist da das Gaststättengewerbe zu nennen, aber in allererster Linie ist es das Dasein als Fan. Vor, während und nach dem Spiel war man immer zusammen in der Gemeinschaft. Das ist es, was uns in diesen Zeiten fehlt. Und es hilft uns auch nicht darüber hinweg, wenn wir uns allein zu Hause vor den Bildschirm setzen und uns ein Spiel anschauen, bei dem sogar die Anweisungen des Trainers zu verstehen sind, weil es im Stadion mucksmäuschenstill ist.

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Aufrufe: 028.4.2020, 07:23 Uhr
Björn RichterAutor