2024-06-17T07:46:28.129Z

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– Foto: Michael Schneiders

Ein Wetzlarer in London

PROMI-SERIE:+++ Der türkische Nationalstürmer Cenk Tosun versucht sein Glück nun bei Crystal Palace / Serie, Teil 3 +++

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Seit dieser Saison, seit Sky die englische Premier League auch wieder in deutschen Wohnstuben sendet, waren die Bilder eines enttäuschten Cenk Tosun überall zu sehen: Stammplatz Auswechselbank, eingehüllt in dicke Jacken und Decken, ohne Lächeln auf den Lippen. Frust statt Lust! Der türkische Fußball-Nationalspieler, der seine Wurzeln in Wetzlar hat, spielte beim FC Everton nur noch die zweite Geige. Unter Trainer Marco Silva, der Anfang Dezember entlassen wurde. Unter Interimscoach Duncan Ferguson. Und auch unter Italiens Starcoach Carlo Ancelotti, der erst seit dem 22. Dezember im Amt ist.

Aus dem Traum, im Januar 2018 von Besiktas Istanbul in die stärkste Liga der Welt gewechselt zu sein, wurde für den Angreifer ein Albtraum. Verbunden mit der Angst, die Europameisterschaft in diesem Sommer verpassen zu können. Denn Auswahlcoach Senol Günes, der mit seinem Team in der Vorrunde auf Italien, Wales und die Schweiz treffen wird, setzt auf Jungs, die im Flow sind, die Spielpraxis haben, die fit sind. Eine Fitness, die keine Ersatzbank dieser Welt vermittelt.

„Ich wollte unbedingt mehr Einsatzzeiten, um mich perfekt auf die EM vorbereiten zu können“, kam für Tosun vergangene Woche eine Anfrage von Crystal Palace gerade recht. Auf Leihbasis ist der Stürmer nun bis zum Saisonende von den „Toffees“ in die englische Hauptstadt gewechselt, was der dortige Vorstandsvorsitzende Steve Paris sehr begrüßt: „Wir freuen uns, dass wir uns bis zum Ende der Runde Cenks Dienste gesichert haben. Hinter uns liegt eine starke ersten Saisonhälfte. Mit ihm ist unsere Mannschaft noch besser für ein Abschneiden in der oberen Tabellenhälfte gerüstet. Cenk hat bewiesen, dass er ein Torjäger ist, und wir haben ihn bereits seit geraumer Zeit auf dem Radar.“

Mittelhesse ist in England noch nicht am Ende

Der aktuelle Tabellenneunte verfügt nominell zwar über drei erfahrene Mittelstürmer, allerdings zeigen sich weder der Ghanaer Jordan Ayew (sechs Treffer) noch Connor Wickham (1) oder der Belgier Christian Benteke (0) besonders treffsicher. Dazu liebäugelt Topstar Wilfried Zaha (3) offensiv mit einem Wechsel zu Bayern München. Das 4-1-4-1-System von Trainer Roy Hodgson kommt dem physisch starken Tosun sicher entgegen. „Ich habe das Zeug dazu, mich in der Premier League durchzusetzen“, nimmt der gebürtige Mittelhessen also einen neuen Anlauf in England. „Hier bin ich noch lange nicht fertig. Ich habe mehr drauf als das, was ich in Everton zeigen konnte.“

In der Tat hatte der wuchtige Mann vom Bosporus gegen seine potenziellen Konkurrenten, Englands U 21-Nationalstürmer Dominic Calvert-Lewin, den Brasilianer Richarlison (beide acht Treffer) und Italiens Angreifer mit ivorischen Wurzeln, Moise Kean, keine Chance. Da auch Theo Walcott, Ex-Arsenal-Goalgetter Alex Iwobi, der Spanier Bernard und der Isländer Gylfi Sigurdsson Tore machen können, wurde es für Cenk Tosun im Goodison Park immer enger und ein Wechsel dementsprechend immer wahrscheinlicher.

Von 21 möglichen Partien in der Premier League stand Cenk Tosun in dieser Runde nur in sechs auf dem Feld, zweimal in der Startelf, viermal wurde er eingewechselt. Ein Treffer (beim 1:1 gegen Tottenham), keine Vorlage und nur insgesamt 312 magere Einsatzminuten in fünf Monaten standen für ihn zu Buche. Außerdem durfte er im allerdings eher unbedeutenden EFL Cup gegen Lincoln, Watford und Leicester insgesamt 38 Minuten ran und verbuchte drei Torvorlagen.

In der Rückrunde 2017/18 kam er beim FC Everton noch in 14 von 16 möglichen Premier-League-Partien zum Einsatz und erzielte fünf Tore, in der Spielzeit 2018/19 absolvierte er 25 von 38 möglichen Matches und markierte drei Treffer. Nur zweimal gehörte er gar nicht zum Kader. Bei seiner Premiere im Trikot von Crystal Palace wurde der türkische Internationale beim 1:1 im Derby gegen Arsenal 22 Minuten vor Schluss für den ehemaligen Schalker Max Meyer eingewechselt. Am kommenden Samstag steht für Tosun dann das Duell bei Manchester City an, wo er auf seinen ehemaligen Mitstreiter aus gemeinsamen Zeiten in verschiedenen deutschen Nachwuchs-Nationalmannschaften, Ilkay Gündogan, treffen wird.

Inzwischen blickt der 28-Jährige auf eine Vita zurück, die sich durchaus sehen lassen kann. Geboren im Wetzlarer Stadtteil Niedergirmes, aufgewachsen in Raunheim, weil Vater Senol, heute sein Berater, dort am Flughafen arbeitete, und fußballerisch groß geworden bei der Frankfurter Eintracht, verschlug es ihn vor acht Jahren zu Gaziantepspor. Drei Jahre schoss er an der syrischen Grenze Tore am Fließband, ehe er eine Offerte von der Spitzenmannschaft Besiktas Istanbul nicht abschlagen konnte. „Irgendwann einmal lande ich in einer der größten Ligen Europas, das verspreche ich dir“, sagte Cenk Tosun einst in einem Telefonat zum Autor dieser Zeilen – und sollte Recht behalten. Der Wechsel vom FC Everton zu Crystal Palace ist nur eine weitere Bestrebung in seinem ehrgeizigen Vorhaben, sich ganz oben zu etablieren.

Teil 2: Luca Waldschmidt (SC Freiburg)

Teil 3: Cenk Tosun (Crystal Palace)



Zur person

Cenk Tosun (28) wurde in Wetzlar geboren und wuchs in Raunheim bei Frankfurt auf- In seiner Jugend spielte er für die SG Praunheim sowie den SV Raunheim und durchlief danach alle Nachwuchsmannschaften der Frankfurter Eintracht. Für Deutschland war er in den sechs Auswahlteams U 16 bis U 21, für die Türkei in der U 21 und U 23 aktiv. In der Bundesliga stand Tosun nur einmal, am 8. Mai 2010 beim 1:3 in Wolfsburg, für genau 15 Minuten auf dem Rasen. In dreieinhalb Jahren bei Gaziantepspor traf er in 122 Partien 44 Mal. Für Besiktas Istanbul stand er in 142 Spielen in der Süper Lig, im nationalen Pokal, in der Champions League und in der Europa League auf dem Platz und markierte dabei 64 Treffer. Tosun trug inzwischen 42 Mal (16 Tore Tore) das Nationaltrikot der Türkei. (afi)

Aufrufe: 015.1.2020, 17:01 Uhr
Alexander FischerAutor