2024-05-02T16:12:49.858Z

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Jann Bangert startete beim SV Wehen durch, doch mehr als fünf Kurzeinsätze waren ihm in der Dritten Liga nicht vergönnt. Weil ein Leihgeschäft zum TSV Schott schief ging und sein Intermezzo beim FC Gießen chaotisch endete, blieb ihm eine Karriere als Profi bislang verwehrt.
Jann Bangert startete beim SV Wehen durch, doch mehr als fünf Kurzeinsätze waren ihm in der Dritten Liga nicht vergönnt. Weil ein Leihgeschäft zum TSV Schott schief ging und sein Intermezzo beim FC Gießen chaotisch endete, blieb ihm eine Karriere als Profi bislang verwehrt. – Foto: stock.adobe/RW Hadamar

Ein Wechsel veränderte alles

Serie - Teil 22: Mit 16 Jahren wollte Bangert seinen Profitraum begraben - drei Jahre später spielte er Dritte Liga beim SVWW +++ Endgültiger Durchbruch in Hadamar +++ Turbulenzen in Gießen, Missverständnis bei Schott

Hadamar. Talent allein, das reicht nicht. Wer einmal Fußballprofi werden will, der muss unglaublich viel Arbeit, Fleiß und Zeit investieren. Doch wenn Aufwand und Ertrag einfach nicht wirklich zusammenpassen, stellen sich Fußballtalente oft die Sinnfrage. Lohnen sich die Entbehrungen noch? Ist es das wirklich wert? Auch Jann Bangert stand an diesem Punkt. Doch nicht etwa mit Mitte Zwanzig, wie viele andere Hochbegabte. Sondern bereits mit 16 Jahren.

Es war der Sommer 2013. Eine Zeit, in der Bangert noch im NLZ von Eintracht Frankfurt spielte. Zunächst lief es ganz ordentlich: In der U16 kam er im Hessenliga-Team regelmäßig zum Einsatz. Doch im U17-Bundesliga-Team war er dann komplett außen vor. "Ich habe praktisch keine Rolle gespielt und war froh, wenn ich mal im Kader sein durfte", blickt Bangert zurück.

"Schädel-Harry" als Förderer

Schon der Schritt zur Eintracht war für ihn ein großer gewesen. Aufgewachsen im Weilburger Vorort Kubach macht er beim Dorfverein TuS seine ersten fußballerischen Schritte. Sein Jugendtrainer in Kubach war der dort wohnhafte Harry Karger, Ex-Profi von Eintracht Frankfurt und als "Schädel-Harry" bekannt.

Die ersten Schritte als Fußballer machte Jann Bangert beim TuS Kubach.
Die ersten Schritte als Fußballer machte Jann Bangert beim TuS Kubach.

Karger vermittelte das Talent zur Fußballschule der Eintracht. Und es ging immer weiter nach oben: Bangert spielte bis zur C-Jugend beim JFC-Frankfurt, DFB-Stützpunkt in Kirberg, anschließend Hessenauswahl. Bis das Angebot der Eintracht reinflatterte.

Schussgewaltig: Beim JFC Frankfurt spielte Bangert in der C- und D-Jugend.
Schussgewaltig: Beim JFC Frankfurt spielte Bangert in der C- und D-Jugend.

Mit 14 wagte Bangert den Wechsel zur SGE, um es dort in der Junioren-Bundesliga zu versuchen. Pendelte mehrmals die Woche zwischen Provinzdorf und Mainmetropole. Eine Stunde hin, eine Stunde zurück mit dem Auto. Zwei Jahre lang. Als es nach dem zweiten B-Jugend-Jahr bei der Eintracht für ihn zu Ende ging, hatte Bangert seinen Traum vom Profi eigentlich schon begraben. "Eigentlich wollte ich nur noch im Dorfverein ein bisschen rumkicken", sagt Bangert. Wer hätte da schon ahnen können, dass er nur drei Jahre später seinen ersten Profivertrag unterzeichnen würde?

Ab der B-Jugend spielte Bangert im Dress der Eintracht. Dort erfüllten sich seine Hoffnungen nicht, er kam kaum auf Einsatzzeiten bei den Jung-Adlern.
Ab der B-Jugend spielte Bangert im Dress der Eintracht. Dort erfüllten sich seine Hoffnungen nicht, er kam kaum auf Einsatzzeiten bei den Jung-Adlern. – Foto: Kandev Sportfotografie

Bei Wehen plötzlich der Fixpunkt

Sein ehemaliger U16-Trainer vermittelte ihn zum SV Wehen Wiesbaden. Unter Trainer Anouar Ddaou etablierte sich Bangert am Halberg als Fixpunkt in der Offensive einer "sehr starken Mannschaft", wie sich Bangert erinnert. Das Vertrauen des Trainers zahlte sich aus: Gleich in seinem ersten Jahr schoss Bangert das Team zum Sieg im Hessenpokal und mit 25 Treffern auch in die B-Junioren-Bundesliga - im Aufstiegsspiel gegen Darmstadt 98 gelang ihm gar ein Hattrick (eine Bildergalerie von dem Spiel seht ihr hier).

Besser lief es beim SV Wehen Wiesbaden. Dort war Bangert in der U17 und U19 einer der Garanten und schoss seine Teams dreimal in Folge zum Hessenpokalsieg.
Besser lief es beim SV Wehen Wiesbaden. Dort war Bangert in der U17 und U19 einer der Garanten und schoss seine Teams dreimal in Folge zum Hessenpokalsieg. – Foto: rscp

Auf dem Radar der Profis

Von einem aussortierten Stürmer ohne Chance auf Einsatzzeiten hatte sich Bangert in nur einer Saison zu einem beidfüßig starken Knipser entwickelt - den nun auch die Verantwortlichen der Profis auf dem Radar hatten. Selbst zu U19-Zeiten sei die erste Mannschaft des SVWW für Bangert noch "eine ganz andere Welt gewesen", sagt Bangert. Doch schon als jüngerer Jahrgang durfte er unter Trainer Sven Demandt gelegentlich im Training der Profis mitmischen, im Winter flog er sogar gemeinsam mit zwei Teamkollegen ins Trainingslager der Profis nach Spanien. "Man nimmt das alles auf, macht das, was man gesagt bekommt, versucht, sich anzupassen und die Profis im Training ein wenig zu ärgern", beschreibt Bangert sein Mindset damals.

In den Trainings mit den Profis versuchte Bangert Eindruck zu machen.
In den Trainings mit den Profis versuchte Bangert Eindruck zu machen. – Foto: rscp

Bindung zu U19-Kollegen ein wenig verloren

Die Bindung zu seinen Mitspielern der Jugend geriet aufgrund der nun folgenden, regelmäßigen Trainings mit den Profis ein wenig verloren - darunter litt auch Bangerts Trefferquote im U19-Team. "Einige Mitspieler waren vermutlich auch eifersüchtig", sagt er. Dennoch sprangen auch in der A-Jugend zwei weitere Hessenpokalsiege für den ihn und den SVWW raus, auch wenn es in der Hessenliga nicht zur Meisterschaft reichte.

Hessenpokalsieger 2019: Jann Bangert (rechts unten mit Urkunde) und der SVWW.
Hessenpokalsieger 2019: Jann Bangert (rechts unten mit Urkunde) und der SVWW. – Foto: SVWW

Der erste Profivertrag

Seine Leistungen weckten jedenfalls weiterhin Begehrlichkeiten - nicht mehr nur in den eigenen Reihen. Bei einem Turnier mit der U19-Hessenauswahl bekam er Angebote vom SC Freiburg II und dem FC Ingolstadt II. Doch Bangert lehnte ab, unterschrieb stattdessen im Juni 2016 beim SVWW seinen ersten Profivertrag. "Da hätte ich nie daran geglaubt, dass das einmal klappt", erinnert er sich.

Die Neuzugänge des SVWW vor dem Vorbereitungsstart auf dem Halberg: Jann Bangert (vordere Reihe 2. v.l.), dahinter Manuel Schäffler und ganz rechts der heutige Bundesliga-Profi Robert Andrich.
Die Neuzugänge des SVWW vor dem Vorbereitungsstart auf dem Halberg: Jann Bangert (vordere Reihe 2. v.l.), dahinter Manuel Schäffler und ganz rechts der heutige Bundesliga-Profi Robert Andrich. – Foto: Severing/SVWW

Fünf Kurzeinsätze in der Dritten Liga

Mittlerweile hatte Thorsten Fröhling als Trainer beim SVWW angeheuert. Noch zu Saisonbeginn kam Bangert auf zwei Kurzeinsätze, wurde gegen Duisburg und bei Mainz II kurz vor Schluss eingewechselt, um Siege über die Zeit zu retten. Doch das Team schlitterte in den Abstiegskampf - für Talente wie Bangert war da an regelmäßigere Einsätze nicht zu denken. "Da wurde dann nur noch auf Erfahrung gesetzt", erinnert sich Bangert. Drei Einwechslungen kamen im Laufe der Restsaison noch hinzu. Sieben Minuten in Erfurt, acht Minuten beim FSV Frankfurt, fünf Minuten in Halle. Bis heute seine letzten Pflichtspieleinsätze im Dress der Rot-Schwarzen.

Die 21 auf dem Rücken: Mehr als fünf Kurzeinsätze waren für Bangert beim SVWW nicht drin. Im Abstiegskampf setzten die Trainer Fröhling und Rehm eher auf erfahrenere Spieler.
Die 21 auf dem Rücken: Mehr als fünf Kurzeinsätze waren für Bangert beim SVWW nicht drin. Im Abstiegskampf setzten die Trainer Fröhling und Rehm eher auf erfahrenere Spieler. – Foto: SVWW

Unter Rehm reicht es nicht

Denn Neu-Trainer Rüdiger Rehm, der im Februar übernommen hatte, machte ihm während der Sommervorbereitung klar: Es reicht nicht. Noch nicht. Der SVWW sah durchaus Perspektiven, verlängerte den Vertrag mit Bangert um zwei Jahre - unter der Prämisse, dass er zunächst ein Jahr auf Leihbasis bei einem anderen Klub verbringt. Die Hessenligisten Hadamar und Watzenborn-Steinberg wollten ihn - doch Bangert entschied sich für den TSV Schott Mainz, der gerade in die Regionalliga aufgestiegen war.

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Leihe entpuppt sich als Missverständnis

Sportlich sicher die reizvollste Aufgabe. Doch die Leihe entpuppte sich für beide Seiten als einziges Missverständnis. "Ich kam schon geschlaucht aus zwei Wochen Drittliga-Vorbereitung mit SVWW an, bei Schott ging es wieder bei Null los. Dazu stand ich auf der Autobahn permanent im Stau, kam oft zu spät ins Training", resümiert Bangert. Der TSV suspendierte ihn wegen des ständigen Zuspätkommens gar für zwei Wochen, am Ende kamen der Verein und Bangert überein, die Leihe abzubrechen. Weil Bangerts Vertragsverlängerung beim SVWW aber an eine Leihe geknüpft war, wurde auch der Vertrag mit dem SVWW aufgelöst. Es war der 30. August 2018 und Bangert, das vielversprechende Talent eines Drittligisten, stand plötzlich ohne Verein da.

Durchbruch im Herrenbereich in Hadamar

Noch am 31. August, dem "Deadline Day", konnte Bangert seinen Wechsel nach Hadamar einfädeln.

Nach der geplatzten Leihe bei Schott Mainz kam Bangert kurz vor Transferschluss noch bei Hessenligist Hadamar unter.
Nach der geplatzten Leihe bei Schott Mainz kam Bangert kurz vor Transferschluss noch bei Hessenligist Hadamar unter. – Foto: René Weiss

Eine gute Entscheidung. Bei Rot-Weiß gelang ihm der Durchbruch im Herrenbereich, er traf in zwei Saisons 39 mal in 56 Spielen für den Hessenligisten. Eine starke Quote, die mit dem FC Gießen im Sommer 2019 erneut einen Regionalligisten auf den Plan brachte.

Zwei Jahre FC Gießen - "im Nachhinein ein Fehler"

Der FC verpflichtete Bangert zur Saison 19/20. Zum ersten Mal verließ er "sein" Örtchen Kubach und zog nach Gießen, wo er auch ein Studium zum Bauingenieur anfing. In seiner Zeit beim FC sei er Fußballprofi gewesen, erzählt Bangert. Bis der Verein nach dem Rücktritt des Hauptsponsors in Turbulenzen geriet. Gehaltszahlungen blieben aus, der Trainer setzte nach Beginn der Pandemie nicht mehr auf ihn, dazu verletzte er sich dreimal in Folge mit einem Muskelfaserriss. Später wurde Bangert aus für ihn "nicht nachvollziehbaren" Gründen suspendiert - nach Ablauf der Wechselfrist im Winter 2021. Inmitten der Pandemie stand er ohne Verein, ohne Perspektive da. "Ich wollte den Schritt nach Gießen unbedingt machen. Aber im Nachhinein war es ein Fehler, dorthin zu wechseln", gibt Bangert zu.

Mit dem FC Gießen erlebte Bangert turbulente Zeiten. "Im Nachhinein war mein Wechsel ein Fehler", gesteht er ein.
Mit dem FC Gießen erlebte Bangert turbulente Zeiten. "Im Nachhinein war mein Wechsel ein Fehler", gesteht er ein. – Foto: FCG

Highlight: Mit dem FCG siegte Bangert gegen Eintracht Frankfurt im Testspiel mit 3:1
Highlight: Mit dem FCG siegte Bangert gegen Eintracht Frankfurt im Testspiel mit 3:1 – Foto: Ben

Gelingt mit Hadamar der Aufstieg in die Regionalliga?

Glück im Unglück: Wegen des Abbruchs der vergangenen Saison war Bangert genau wie alle anderen Spieler zur Zwangspause verdammt. In dieser Spielzeit greift er bei Rot-Weiß Hadamar wieder an. Er ist dorthin zurückgekehrt, wo er sich wohlfühlt. Trotz Angeboten anderer Regionalliga-Teams. "Hier kann ich mich einfach nur auf Fußball konzentrieren", sagt er.

Im Sommer 2021 heuerte Bangert zum zweiten Mal bei Hadamar an. Sein Debüt feierte er im Kreispokalfinale gegen TuS Dietkirchen.
Im Sommer 2021 heuerte Bangert zum zweiten Mal bei Hadamar an. Sein Debüt feierte er im Kreispokalfinale gegen TuS Dietkirchen. – Foto: René Weiss

Über sein Spiel sagt Bangert: "Ich bin einer, der Chancen kreiert, wo andere keine Chancen mehr sehen". Das lässt sich auch auf Hadamars derzeitige Liga-Situation projizieren. In Bangert glimmt der Funke Hoffnung, mit Hadamar das kleine Wunder zu packen und in die Viertklassigkeit aufzusteigen. Die Chancen stehen durch die gesplittete Liga in der Aufstiegsrunde nicht schlecht - dort rangiert Hadamar vor dem Rückrundenstart nur vier Punkte hinter Spitzenreiter Stadtallendorf. "Es gab vermutlich nie einen einfacheren Weg aufzusteigen", wittert Bangert die Chance. Nochmal auf Profi-Bedingungen spielen und immensen Aufwand betreiben, um das Hobby zum Beruf werden zu lassen? Bangert wäre wieder bereit dazu. Den Grundstein dazu kann er mit seinen eigenen Treffern in der Rückrunde selbst legen.

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 21: Max Pflücke (FC Basara Mainz)

Aufrufe: 03.3.2022, 06:00 Uhr
Philipp DurilloAutor