2024-06-14T14:12:32.331Z

FuPa Portrait
F: Harneit
F: Harneit

Ein langer Weg zum Glück

Fußball hilft bei der Integration +++ Salah Haskan ist in Deutschland angekommen

Es läuft die 70. Spielminute beim Heimspiel der SG Blau-Weiss Stubben gegen die SG Langenfelde. Salah Haskan setzt sich gegen seinen Gegenspieler durch und schießt den Ball ins Tor. Es wird laut auf dem Sportplatz. Haskan jubelt, seine Mitspieler laufen zu ihm, um zu gratulieren, und der junge Iraker strahlt über das ganze Gesicht. Insgesamt sieben Mal jubelt er an diesem Tag. Denn Haskan jubelt immer - auch wenn ein Mitspieler einen Treffer erzielt, ist er der Erste, der zum Torschützen sprintet, um zu gratulieren. Salah Haskan ist angekommen: in Deutschland und in seinem Fussballverein Blau-Weiss Stubben.

Salah Haskan flüchtet mit seiner Familie 2015 vor dem IS aus dem Nordirak nach Deutschland. Hier angekommen lernt er schnell die Sprache und sucht Anschluss. Mit der SG Blau-Weiss Stubben findet er einen Verein, in dem er sich gut aufgehoben und voll akzeptiert fühlt. Haskan ist ein Beispiel gelungener Integration.

Fußball ist für Flüchtlinge wohl eine der wichtigsten Brücken auf dem Weg zur Integration. Mehr als 80.000 Spielerpässe hat der DFB in den vergangenen drei Jahren für Flüchtlinge ausgestellt. Einer dieser Pässe hat die Nummer 0476-7989. Druckdatum ist der 8. September 2016. Es ist der Spielerpass von Salah Haskan. „Den Pass haben wir schon früher beantragt, aber eine Spielgenehmigung für ausländische Spieler braucht immer etwas mehr Zeit.“, sagt Stubbens Fussballabteilungsleiter Andreas Harneit.

Die Sache mit dem Geburtsdatum

Als Geburtsdatum ist der 1.1.1998 eingetragen. „Das Datum kennen wir ja schon seit Jahrzehnten. Salah ist am 24.1.1998 geboren, aber in den Papieren steht grundsätzlich der 1. Januar. Das war früher schon bei vielen ausländischen Kindern so. Zumindest das Geburtsjahr ist richtig. Ich kann mich noch an Jugendspiele aus meiner aktiven Zeit erinnern, an denen der Mittelstürmer aus der B-Jugend mit dem Auto zum Sportplatz kam.“, berichtet Harneit. Die 24 Tage Differenz bei Salah Haskan fallen da kaum ins Gewicht.

Zusammen mit seinem Bruder Amar schaut der Iraki im Sommer 2016 bei einem Spiel der SG Blau-Weiss Stubben zu. Zuhause im Irak kickt er schon gerne mit dem Ball, aber in einem Verein hat er bisher nie gespielt. Einen organisierten Spielbetrieb kennt er nicht.

Sein damaliger Trainer, Michael Liedtke, erinnert sich noch gut: „Salah und sein Bruder Amar kamen nach einem Punktspiel auf mich und meinen Co-Trainer zu und fragten, ob sie mal zum Training kommen dürfen. Bei der nächsten Trainingseinheit waren sie schon dabei. Dass beide mit dem Ball umgehen können, bemerkten wir schnell und wollten so schnell wie möglich eine Spielberechtigung für die Jungs.“ In den kommenden Wochen und Monaten ist Liedtke der erste Ansprechpartner seiner Neuzugänge. Er hilft bei Behördengängen, beim Umzug in eine neue Wohnung und zweimal in der Woche ist er auch deren Fussballtrainer auf dem Stubbener Sportplatz. „Salah hat eine offene Art und es gab absolut keine Anpassungsprobleme“, erinnert er sich. Beide verstehen sich gut und helfen sich auch abseits des Fussballplatzes gegenseitig.

Nur drei Tage nachdem seine Spielberechtigung eingetroffen ist, läuft Salah Haskan das erste Mal für Blau-Weiss Stubben in einem Punktspiel auf. Drei Wochen später erzielt er sein erstes Tor für seine neue Mannschaft.

Flucht vor dem IS

Nur wenige Monate vorher floh seine Famile, die zur jesidischen Minderheit gehört, vor dem IS aus dem Nordirak. Tausende Jesiden wurden getötet, hunderttausende flohen. Mit Vater, Mutter, zwei Brüdern und drei Schwestern überquerte er die Grenze zur Türkei und kam mit einem Boot über das Meer nach Griechenland. „Viele sind in der Türkei festgenommen worden und wir waren froh, als wir in Griechenland waren. Dort mussten wir vier Tage lang in der Kälte ausharren, um unsere Papiere zu bekommen.“, erinnert sich der 21-Jährige an seine Flucht. Im Dezember 2015 landen sie in einer Aufnahmeeinrichtung in Fallingbostel. Seine Heimatstadt Shingal im kurdischen Norden des Iraks ist zerstört.

In Deutschland angekommen, lernt der damals 17-Jährige die deutschen Buchstaben. „Mir war klar, dass ich schnell Deutsch lernen muss, um hier zurechtzukommen.“, sagt er. Im Januar 2016 kommt die Familie nach Bokel. Salah Haskan besucht einen Deutschkursus und interessiert sich für Land und Leute. Und für Fußball.

„Ich wurde hier wirklich gut aufgenommen und fühlte mich schnell als Teil der Mannschaft.“, sagt Haskan. Negative Erfahrungen hat er keine gemacht. Anfeindungen oder gar Auseinandersetzungen hat er hier nicht erlebt - weder auf dem Sportplatz, noch im Alltag.

Auf und abseits des Platzes integriert

Von Anfang an ist er einer der zuverlässigsten Spieler, die kaum ein Training verpassen. Er ist pünktlich und bleibt nach dem Training und Spiel gerne länger. Und auch an den Feiern, die bei den Amateurfussballern besonders beliebt sind, nimmt er gerne teil. Das hat sich bis heute nicht geändert. Sein Bruder ist mittlerweile zum Nachbarverein gewechselt, da die Stubbener in der vergangenen Saison keine zweite Herrenmannschaft gemeldet hatten. Salah Haskan aber bestritt nun schon fast 60 Pflichtspiele für seinen Verein und erzielte zehn Tore.

„Salah hat unheimlich schnell die Sprache gelernt. Auf dem Platz kann man vielleicht noch mit Händen und Füßen kommunizieren, aber in der Kabine und beim Bierchen nach dem Training ist die Kommunikation noch wichtiger“, sagt sein Mitspieler Julian Meyer. Überhaupt: Seine Teamkollegen können sich auf Haskan verlassen, ob auf oder neben dem Platz. Auf dem Rasen spult er etliche Kilometer ab und ist einer der Lauffreudigsten im Team. Neben dem Platz hilft er seinen Vereinskollegen auch schon mal beim Umzug oder bei der Gartenarbeit. Er spielt bereits die dritte Saison mit seinen Jungs und der Fußball hat ihm geholfen, sich in einem neuen Land wohlzufühlen.

Ausbildung und Führerschein

Aber auch die Welt des jungen Iraki besteht nicht nur aus Fußball. Er macht eine Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten und möchte Erzieher werden. Die Arbeit mit Kindern macht ihm Spaß, bei fünf Geschwistern konnte er schon reichlich Erfahrung sammeln. An zwei Tagen in der Woche arbeitet er im Kindergarten, die restliche Zeit drückt er die Schulbank. Dass er neben Deutsch und seiner Heimatsprache Kurmandschi auch arabisch spricht, dürfte für die Arbeit als Erzieher sicher von Vorteil sein. Auch seinen Führerschein hat er gemacht und ist somit mobil. Die theoretische Prüfung war für ihn kein Problem, die praktische Prüfung schaffte er im zweiten Anlauf. Haskan ist angekommen in Deutschland.

Sein jetziger Trainer Frank Zietelmann ist voll des Lobes über ihn: „Salah ist ein junger Mann, der sich sehr gut integriert hat. Er ist sehr hilfsbereit, zuvorkommend, verfügt mittlerweile über sehr gute Deutschkenntnisse und ist in der Mannschaft voll anerkannt. Seine tolle Motivation zeigt er nicht nur im Sport, sondern auch im beruflichen Werdegang.“

Foto Harneit
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Spielerpass in sechs bis acht Wochen

Verantwortlich für die Spielberechtigung von Flüchtlingen ist die Passstelle des jeweiligen Landesverband. Erforderlich ist ein gültiger Aufenthaltstitel beziehungsweise ein blauer Flüchtlingspass, eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung, um die Identität zu bestätigen.

Neben dem Antrag auf Spielberechtigung und dem Zusatzformular für ausländische Spieler sind für Kinder ab dem 10. Lebensjahr und Erwachsene folgende Unterlagen einzureichen: Eine Kopie eines Personaldokuments, eine Meldebescheinigung und ein weiteres Dokument der Eltern bzw. des Vormundes, um zu bestätigen, dass sie nicht aus Gründen des Fußballsports nach Deutschland gekommen sind.

Sind alle erforderlichen Unterlagen bei der Passstelle eingereicht, beantragt der Landesverband über den DFB und die FIFA den internationalen Freigabeschein.

Wenn nach 30 Tagen keine Rückmeldung auf die Anfrage beim Nationalverband erfolgt ist, wird eine Spielberechtigung unter Vorbehalt erteilt (mit Ausnahme von Wechseln in die vier höchsten Spielklassen). Das Verfahren dauert somit länger als das normale Antragsverfahren und kann sechs bis acht Wochen in Anspruch nehmen.

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Aufrufe: 021.2.2019, 15:00 Uhr
FuPa CuxhavenAutor