2024-05-02T16:12:49.858Z

Transfers
Der Hallesche FC war Hendrik Starostziks – bislang – letzte Station als Profifußballer in Deutschland. „2018 hat der damalige Trainer Torsten Ziegner dann Sebastian Mai als neuen Abwehrchef mitgebracht, danach war kein Platz mehr für mich“, so der heute 29-Jährige.	Archivfoto: imago
Der Hallesche FC war Hendrik Starostziks – bislang – letzte Station als Profifußballer in Deutschland. „2018 hat der damalige Trainer Torsten Ziegner dann Sebastian Mai als neuen Abwehrchef mitgebracht, danach war kein Platz mehr für mich“, so der heute 29-Jährige. Archivfoto: imago

Ein ganz normaler Transfer

RL SÜDWEST: +++ Hendrik Starostzik freut sich auf Regionalliga mit dem FC Gießen, hat den Profifußball aber noch nicht aufgegeben +++

Gießen. Es ist nicht einmal ein halbes Jahr her, da titelte diese Zeitung noch: „Die Reise des Fußballers Hendrik Starostzik geht weiter“. Fünf Monate später ist die Reise, mehr oder weniger unverhofft, vorbei. „Vorerst“, wie der 29-jährige Abwehrhüne, der seit vergangener Woche beim Regionalligisten FC Gießen in Lohn und Brot steht, betont.

Nach eineinhalb abwechslungsreichen, bisweilen auch turbulenten und von zwei langwierigeren Verletzungen in Kanada und Dänemark geprägten Jahren hat sich der gebürtige Marburger entschlossen, nun doch schon sesshaft zu werden. „Ich war jetzt 13 Jahre immer auf Tour“, denkt der 1,90-Meter-Mann zurück an die Zeit, als es ihn vom VfB Marburg ins Nachwuchsleistungszentrum des SC Paderborn zog. Dort lernte er Mandy kennen, mit der er seit acht Jahren verheiratet ist. Seine Frau, die bei den Stationen SC Wiedenbrück, VfL Bochum, Stuttgarter Kickers, Dynamo Dresden, Hallescher FC, Pacific FC und Naestved BK nahezu immer an seiner Seite war, und die das Los, als Gattin eines Profifußballers mit mehreren Umzügen konfrontiert zu sein, stets akzeptierte.

„Ich ziehe vor ihr den Hut, wie sie bei all meinen Entscheidungen mitgezogen, sich immer wieder auf eine neue Umgebung eingelassen hat. Sie, aber auch mein Sohn Leandro, der jetzt viereinhalb ist und zuletzt mit dänischen Jungs gespielt hat, obwohl er die Sprache nicht versteht, waren unglaublich tough, haben es jetzt aber einfach verdient, dass es endlich mal ruhiger wird“, sieht sich Hendrik Starostzik ein wenig in der Bringschuld.

Ankommen, zu Hause sein, sich wohlfühlen, diese Attribute waren noch im Winter für die beschauliche dänische Provinz vorgesehen. Auf zweieinhalb Jahre war das Engagement Starostziks beim Zweitligisten aus Naestved ausgelegt, dass es gerade mal fünf Monate wurden, habe an mehreren Faktoren gelegen, so der Oberhesse. „Wie schon in Kanada habe ich mich ziemlich am Anfang verletzt, musste erst einmal meine Knieprellung auskurieren, hatte Rückstand“, so der 29-Jährige. Kaum war er wieder fit, da wurde auch in Dänemark der Spielbetrieb wegen Corona komplett ausgebremst.

Schließlich kam es abseits des Platzes zu einer Auseinandersetzung. „Ein Teamkollege ist gegen einen anderen Mitspieler und mich gewalttätig geworden, ein Sachschaden von 1000 Euro ist zudem entstanden. Wir beide haben ihn angezeigt“, erklärt Starostzik, ohne dabei näher ins Detail gehen zu wollen. Auch dass sein letzter Clubboss Fabian Ernst, einst bei Schalke, Werder und im DFB-Dress unterwegs, wegen Wetten auf das eigene Team aus Naestved derzeit eine zweimonatige Sperre absitzen muss, möchte der Marburger nicht kommentieren. Nur so viel: „Ruhig war es im Club und der Mannschaft nicht wirklich, die Schlagzeilen in Dänemark in Verbindung mit Naestved waren zuletzt alles andere als positiv.“ Fast schon geschenkt, dass BK in der wieder aufgenommenen sogenannten 1. Division, welche die zweite Liga in Dänemark darstellt, derzeit auf einen Abstiegsrang steht.

Dennoch will Starostzik all seine Erfahrungen im Profizirkus nicht missen: „Man muss sich ein dickes Fell zulegen, oftmals fühlt man sich ungerecht behandelt. Andererseits lernt man so viele tolle Orte kennen, gerade wenn ich an Vancouver Island denke. Dort war eine unfassbare Euphorie, als ich damals das erste Tor überhaupt für den Verein erzielt habe.“ Zudem könne er, wie übrigens auch sein Filius Leandro, nun fließend Englisch. Und Hendrik „Henne“ Starostzik hat gelernt, Deutschland, seine Heimat noch mehr zu schätzen: „Unser Sozialsystem ist das beste der Welt, uns geht es so, so gut hier. Ich kann nun noch weniger verstehen, warum so viele Menschen in Deutschland notorisch am Nörgeln sind.“

Auch in der Corona-Krise habe Deutschland besonnen und gut agiert, „wenngleich in Dänemark das viel lockerer gesehen wurde. An das Maskentragen muss ich mich noch gewöhnen“, bekennt der Neu-Gießener, nachdem er sich unweit seines neuen Arbeitsplatzes im Waldstadion für einen Kaffee in der Bäckerei niederlässt. Die Entscheidung, nun beim FCG anzuheuern, sei ihm nicht schwergefallen, betont Starostzik. „Nach den Geschehnissen in Dänemark, wo wir ursprünglich heimisch werden wollten, sind wir nun doch ziemlich froh, erst einmal in Marburg bei meinen Eltern zu sein“, betont der Schlaks. Vater Peter, Sportlicher Leiter beim VfB Marburg, und Mutter Marion seien derzeit sehr glücklich.

Gießens Coach Daniyel Cimen, der seit zwei Jahren intensiven Kontakt zum Abwehrmann hält, sowie der Sportliche Leiter Marco Vollhardt, fast gleich alt wie Hen-drik Starostzik und einst dessen Nebenmann in der Hessenauswahl-Defensive, hätten tolle Überzeugungsarbeit geleistet. Vollhardt nennt „Henne“ einen „Königstransfer, weil er nach den Abgängen von Kevin Nennhuber und Kevin Pezzoni unser Achsspieler in der Defensive werden soll. Er wird uns enorme Stabilität verleihen.“ Fast zu viel der Blumen für Hendrik Starostzik selbst, der sagt: „Ich bin ein ganz normaler Transfer und erst einmal der glücklichste Mensch, wenn ich überhaupt mal wieder kicken kann.“ In Naestved war ihm das nicht vergönnt gewesen.

Nun ist der 29-Jährige aber fit wie nie, auf der Tartanbahn im Marburger Georg-Gaßmann-Stadion kennt er nach unzähligen Laufeinheiten jede Pore im Belag. Seine neuen Teamkollegen hat er noch nicht kennengelernt, kann dafür aber wenig, schließlich ist der FCG noch in Kurzarbeit und darf deshalb auch noch kein Teamtraining abhalten. „Aber das wird schon alles noch kommen. Ich freue mich, wenn wir dann wieder loslegen und bin auch optimistisch, dass es im September weitergeht. In Dänemark hat man zuletzt schon wieder 500 Leute ins Stadion gelassen, vielleicht ist das auch hier dann möglich.“ Die Regionalliga mit den 22 Mannschaften verströme für ihn enormen Reiz, schließlich seien so viele Hessenderbys wie noch nie im Spielplan. Und wenn er nicht an den Ligaerhalt glauben würde, „dann hätte ich erst gar nicht kommen brauchen.“

Eines ist für Starostzik klar: „Wir wollen uns hier eine dauerhafte Bleibe suchen, am liebsten direkt in Gießen, weil hier doch ein bisschen mehr los ist als in Marburg“, so der 29-Jährige. Dass sich der FC Gießen aber vom Profitum weitgehend abgewandt hat, bedeutet für Hendrik Starostzik im Umkehrschluss nicht, dass er seine Profikarriere – wie anfangs erwähnt – als beendet ansieht. „Unser Lebensmittelpunkt wird von nun an Mittelhessen bleiben. Ich will mein Wirtschaftspsychologie-Fernstudium an der IUBH in Erfurt fertig machen und irgendwann auch in Richtung Trainer gehen. Wenn aber noch mal ein Angebot von weiter oben kommen sollte, dann würde ich es mit meinen 29 Jahren noch einmal probieren wollen und eben pendeln.“ Das sei mit dem Verein auch klar besprochen. Zumindest sportlich ist die Heimkehr also (noch) mit einer kleinen Einschränkung versehen.



Hendrik Starosztik (29), dessen Vater Peter (Sportlicher Leiter beim VfB Marburg) und Mutter Marion ein „wunderbarer Rückhalt“ sind, kam als Fußballer früh vom FV Cölbe zu den „Schimmelreitern“- Mit 16 wechselte der Innenverteidiger aus der VfB-Jugend zum SC Paderborn. Dort blieb er vier Jahre, ehe er 2011 zum SC Wiedenbrück ging. Es folgten die Stationen VfL Bochum, Stuttgarter Kickers, Dynamo Dresden und Hallescher FC, wo der Ehemann von Mandy (mit der er vor acht Jahren in Paderborn zusammenkam) und Vater eines Sohnes (Leandro ist vier) Zweit- und Drittligaspiele absolvierte. 2019 gehörte Starostzik zum Kader des kanadischen Erstligisten Pacific FC, von Januar an stand er beim dänischen Zweitligisten Naestved BK unter Vertrag, absolvierte allerdings kein Pflichtspiel für den Verein von Ex-Nationalspieler Fabian Ernst. Nach 13 Jahren hat es Starostzik nun wieder in die Heimat verschlagen. (vsch, cha)

Zur Person Grieche kommt

Der FC Gießen darf sich über einen weiteren Neuzugang freuen- Von der SpVgg. Kaufbeuren wechselt Christos Tsakirakis in die Lahnstadt. Der 22-Jährige aus Griechenland kam in der vergangenen Saison in der bayrischen Landesliga-Südwest zum Einsatz. Beim FC Gießen soll sich der Rechtsverteidiger als Perspektivspieler für die vierte Liga empfehlen. (tis)

Aufrufe: 011.7.2020, 08:00 Uhr
Christian Halling (Gießener Anzeiger)Autor