2024-05-29T12:18:09.228Z

Interview der Woche
Foto: System/ Stock.Adobe
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"Die Stimmung war einzigartig"

Nachspielzeit mit Martin Rode +++ Futsalspieler der TSG 1846 Mainz-Bretzenheim berichtet vom Abenteuer Bundesliga +++ An guten Tagen auch für eine Überraschung gut +++ Höchst unterschiedliche Voraussetzungen der Bundesligisten sorgt für klare Rollenverteilung

In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Martin Rode. Der 36-Jährige und seine Teamkollegen von der TSG 1846 Mainz-Bretzenheim Futsal haben aufregende Zeiten hinter und vor sich. Die ersten zwei Spieltage der Futsal-Bundesliga sind gespielt, eine Niederlage (3:5 in Bielefeld) und das 2:2 gegen Penzberg vor heimischem Publikum sind Grund genug, das Erlebte mal im Gespräch aufzuarbeiten.

Martin, wie hast du die Heimpremiere in der Futsal Bundesliga erlebt?

Das erste Heimspiel hatte natürlich eine besondere Stahlkraft. Vor den heimischen Fans, den eigenen Familien und Freunden die Futsalschuhe zu schnüren, in unseren neu designten Bundesligatrikots mit Hauptsponsor auf der Brust und dem eigenen Namen auf dem Rücken aufzulaufen, war definitiv ein "magic moment", den ich lange in Erinnerung behalten werde. Die Stimmung auf den Rängen mit ohrenbetäubenden Anfeuerungsrufen, selbst gestalteten Plakaten, Trommeln und anderen Krachmachern war einzigartig. Derartige Momente möchte man am liebsten aufsaugen und einfach die Zeit anhalten.

Bis es so weit kommen konnte, war es ein weiter Weg...
Absolut. Es ist toll zu sehen, wie die gesamte Futsalfamilie der TSG Bretzenheim auf diesen Tag hingearbeitet hat. Wir Spieler in sportlicher Hinsicht, aber auch die ganzen Personen drum herum, die einen solchen Heimspieltag ehrenamtlich mit viel Mühe und Fleiß auf die Beine stellen.

Wie viel Wert ist da der eine Punkt?
Natürlich hätten wir uns dafür auch gerne belohnt und den ersten Sieg eingefahren, um das Kapitel "Bundesliga Heimpremiere" vollends glücklich und zufrieden niederzuschreiben. Das 2:2 gegen Penzberg hat diese Euphorie ein bisschen gedämpft und bildet die Kehrseite der Medaille. Andererseits ist unser Weg als Verein nie ohne Stolpersteine immer nur geradeaus verlaufen. Wir müssen uns alles hart erarbeiten und werden auch zukünftig in der Liga nichts geschenkt bekommen.

Zwei Spiele, ein Punkt. Wie zufrieden könnt ihr mit der bisherigen Punktausbeute sein beziehungsweise wie viel mehr war drin?
Natürlich ist der Status Quo alles andere als zufriedenstellend. Allerdings muss man die beiden Spieltage etwas differenzierter betrachten: Nach dem Spiel gegen Sennestadt haben die gegnerischen Spieler uns für unsere Leistung gratuliert und Applaus gespendet. Als Sportler freut man sich natürlich auch über diese Anerkennung der Leistung durch den Gegner, aber für Applaus gibt es nun mal keine Punkte.

Dabei wäre das durchaus möglich gewesen...
Wir haben in Bielefeld nach anfänglichem Rückstand eine spielerisch und kämpferisch starke Leistung abgeliefert, waren mit dem zwischenzeitlichen Spielstand von 3:3 nicht zufrieden und wollten unbedingt den Sieg einfahren, hatten darauf zahlreiche sehr gute Möglichkeiten um in Führung zu gehen und das Spiel zu unseren Gunsten zu entscheiden, und geraten auf der Zielgeraden mehr als unglücklich in Rückstand, um im im Anschluss mit "flying goalkeeper" sogar noch den Treffer zum 3:5 Endstand hinzunehmen. Du machst über weite Strecken ein großartiges Spiel und stehst am Ende doch mit leeren Händen da. Das war einfach nur bitter und enttäuschend.

Warum hat es auch Zuhause nicht zum Sieg gereicht?
Gegen Penzberg war alles für eine erfolgreiche Heimpremiere angerichtet. Wir waren voller Vorfreude und heiß auf den ersten Bundesligasieg, zumal wir Penzberg bereits bei der Deutschen Meisterschaft bezwingen konnten. Leider sind wir in diesem Spiel nie wirklich an unser eigentliches Leistungsniveau herangekommen. Wir haben es nicht geschafft individuell- und gruppentaktisch Futsal spezifisch zu agieren, hatten eine schlechte Positionierung im Abwehrverbund ohne Druck auf den Ball zu geben. Auch die Rotationen im Angriff waren ohne Esprit, was natürlich auch mit dem leidenschaftlichen und körperbetonten Spiel der Penzberger zu tun hat, die sich an diesem Tag die Punkteteilung absolut verdient haben. Solche Spiele, in denen nicht viel zusammenläuft, kommen leider vor. Wir schießen im gesamten Spiel gefühlt 30 Mal in Folge von Einkick- oder Eckkickvarianten auf das Tor und der Ball fliegt so ziemlich überall hin, nur eben nicht ins Tor. Auf der anderen Seite murmeln die Gäste aus München den Ball auf Umwegen irgendwie zur Führung bei uns in die Maschen. Am Ende steht dann die Unzufriedenheit über die eigene gezeigte Leistung zu Buche, gepaart mit dem Wissen, dass die Glücksgöttin Fortuna ebenfalls nicht den Weg in die Halle nach Mainz gefunden hat.

Was bedeutet das für die kommenden Aufgaben?
Insgesamt bleibt nach zwei Spieltagen ein einziger Zähler auf dem Punktekonto hängen, was uns für die bevorstehenden Aufgaben logischerweise etwas mehr unter Druck setzt. Auf der anderen Seite sind wir unglaublich lernfähig. Wir lernen von Spiel zu Spiel stetig dazu und werden auch weiterhin unsere Qualität nach oben schrauben. Wir arbeiten hart im Training und wollen Spieltag für Spieltag zeigen, dass wir es verdient haben in der Futsal Bundesliga zu spielen. Dieser Antrieb löst bei uns eine "Jetzt-erst-recht-Mentalität" aus und wir werden mit Sicherheit nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern bis in die Haarspitzen motiviert nach Düsseldorf reisen, um unser Punktekonto weiter aufzustocken.

Die Anfangsphasen beider Spiele habt ihr verschlafen, wie erklärst du dir das?
Wir spielen in der Bundesliga, da gibt es keine Laufkundschaft, sondern die Qualität der gegnerischen Teams ist von der ersten Sekunde an sehr hoch. Jede Mannschaft versucht natürlich seine Pferdestärke aufs Parkett zu bringen. Uns ist dies sowohl im letzten Vorbereitungsspiel gegen Köln, als auch an unseren ersten beiden Spieltagen nicht wirklich gut gelungen. Selbstverständlich schwingt da auch eine gewisse Portion Nervosität und Respekt vor dem Gegner mit, aber so richtig können wir uns diese "Schläfrigkeit" in den Anfangsphasen auch nicht erklären. Ein vorsichtiges "Abtasten" und "in das Spiel hineinfinden", wie im Fußball, gibt es im Futsal nicht. Daraus müssen wir lernen und mit mehr Energie in die Spiele starten. Die Ansprachen vor Spielbeginn durch unseren Kapitän Timo Ernst sind immer sehr emotional, packend und motivierend. Ich bin mir sicher, dass wir die Anfangsphasen in den kommenden Spielen besser bestreiten werden als bisher.

Was sind aus deiner Sicht die wesentlichen Dinge, die sich nun in der Bundesliga für euch geändert haben oder neu sind?

Wir trainieren häufiger, intensiver und auf einem höheren Level. Der Konkurrenzkampf ist größer, weil natürlich jeder Spieler Wochenende für Wochenende in der Halle stehen und Bundesligaluft schnuppern möchte. Die Rahmenbedingungen werden zunehmend professioneller und damit wächst natürlich auch der Anspruch an sich selbst. Es sind häufig Kleinigkeiten, die über Sieg und Niederlage oder gelungene und misslungene Situationen im Spiel entscheiden, diese wollen durch das Trainierteam sorgsam vor- und nachbereitet werden, sowie in Analysen besprochen werden. Es kommen mehr taktische Verhaltensmuster im Spiel dazu, mehr Einkick- und Eckkickvarianten. Der Kopf muss demnach ständig ein Update durchführen. Wir spielen nicht mehr nur gegen "Müller, Mayer und Schmidt" aus der Nachbarschaft, sondern eben auch Nationalspieler unterschiedlicher Länder, die Futsal mit der Muttermilch aufgesaugt haben und so manche große Hallen in Europa bereits von innen gesehen haben. Außerdem fahren wir nicht mehr mit privaten PKW nur eine Stunde mal eben schnell zu einem Spiel, sondern haben bei der An- und Abreise weite Strecken im Kollektiv zurückzulegen. Diese müssen ebenfalls organisiert werden. Beim Spiel in Sennestadt sind wir beispielsweise mit zwei 9er Bussen inklusive Stau fünf Stunden am Vortag angereist, um am Folgetag ausgeruht ins Spiel zu gehen. Da geht auch gut und gerne mal ein ganzes Wochenende drauf. Mehr Training, mehr Anreisestrapazen erfordern im Gegenzug einen sorgsamen Umgang mit dem eigenen Körper und ein Mehr an Zeit, die für die Regeneration investiert werden muss.

Was muss sich tun, damit ihr euch demnächst mit dem ersten Dreier belohnt?
Wenn wir grundlegend Dinge ändern müssten, um Erfolg zu haben, dann hätten wir in den zurückliegenden Wochen und Monaten auf das falsche Pferd gesetzt. Dem ist nicht so. Unser Trainerteam leistet hervorragende Arbeit in jedem Training. Wir haben die Qualität als Mannschaft Spiele zu gewinnen, müssen diese Qualität "nur" am Spieltag auch abrufen. Wir haben die Fehler in den vergangenen Spielen analysiert, bekommen vom Trainerteam im Gespräch und mit Videomaterial Hilfen an die Hand, um daraus zu lernen und versuchen im Training genau an diesen Schwerpunkten zu arbeiten, damit wir vielleicht schon in Düsseldorf erfolgreich sein können. Die Stimmung im Team ist ungebrochen gut und wir wissen, dass wir jetzt noch enger zusammenrücken müssen, um als Team das ganze Potenzial abzurufen.

Wie beurteilst du generell den Aufwand, den ihr in der höchsten Spielklasse betreiben müsst und wie vereinst du das mit Familie und Beruf?

Der Terminkalender ist rappelvoll und die Tage sind sehr lange. Mit meinem Beruf als Gymnasiallehrer verdiene ich meine Brötchen, dieser hat absolute Priorität, dem gehe ich mit großer Leidenschaft nach und investiere demnach auch gerne viel Zeit dafür. Ich bin darüber hinaus nicht nur Futsaler, sondern spiele auch Tennis in der Mannschaft. Freundschaften wollen gepflegt werden und auch anderen Hobbies nachgegangen werden. Meine beiden Kinder aus erster Ehe sind an jedem zweiten Wochenende bei mir und waren bei der Heimspielpremiere unterstützend, lautstark gemeinsam mit meiner Frau und meinen Eltern dabei. Ohne meine Frau, die mir den Rücken frei hält und mich Tag für Tag unterstützt, sowie in dem Vorhaben Futsal Bundesliga mit dem gesamten Aufwand bestärkt, wäre es nicht möglich alles unter einen Hut zu bekommen. So helfen nahezu alle im persönlichen Umfeld beteiligten Personen dabei mit, um das sportliche Bestreben stemmen zu können, wofür ich sehr dankbar bin. Neben meiner Frau sind meine Eltern die größten Stützen, die ebenfalls immer ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, in Sachen Kinderbetreuung einspringen oder einfach nur mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Klingt so, als müsse man auch auf einiges verzichten?
Um Mannschaftssport "nebenher" auf einem hohen Niveau betreiben zu können, muss jeder innerhalb der Mannschaft Opfer bringen, anders geht es nicht. Genau das zeichnet uns Mainzer Futsaler aber auch aus. Wir sind füreinander da, nicht nur auf dem Parkett in der Halle, sondern auch privat in allen Lebenslagen. Wir sind Freunde, die nicht nur wissen, welcher Spielfuß der Starke vom Mitspieler ist, sondern auch die ganze Lebensgeschichte kennen. So etwas ist einmalig.

Was traust du euch in dieser Premierensaison noch zu?
Ich sehe die Futsal Bundesliga dreigeteilt. Realistisch betrachtet, muss man sagen, dass es Mannschaften in der Bundesliga gibt, die sich in vielerlei Hinsicht auf einer anderen Ebene befinden und die ersten Plätze untereinander ausspielen werden. Dabei denke ich beispielsweise an Stuttgart. Vereine, die mit großer Finanzkraft "Profis" in ihren Reihen haben, Personen mit bezahlten Ämtern, die sich um alles kümmern und den Spielern sämtliche Nebenschauplätze und Sorgen abnehmen. Spieler, die für viel Geld aus dem Ausland in die Bundesliga gelotst wurden und sich den ganzen Tag lang nur dem Thema Futsal widmen können. Da können wir nicht mithalten. Wir sind als Verein intrinsisch, organisch und ohne Geld von Außen sukzessive gewachsen, sind alle berufstätig und kommen drei Mal in der Woche spät abends in einer Mainzer Halle zum Training zusammen, weil wir Spaß am Futsal haben und nicht weil wir dafür bezahlt werden.

Welche Art von Vereinen gibt es außerdem noch?
Es gibt eine Reihe von Vereinen, die ebenfalls einen gewissen finanziellen Background haben und mit ihrer Qualität sich um die mittleren Plätze der Tabelle streiten werden. Die dritte Gruppe, zu der ich uns zähle, wird von Anfang an darauf bedacht sein, Punkte zu mausern, um am Ende der Saison nicht auf den letzten beiden Plätzen zu liegen. Für uns gilt es also, an jedem Spieltag mit Mentalität, Herz und Fuß auf Punktejagd zu gehen und schnell aus unseren Fehlern zu lernen, um ein höheres Spielniveau zu erreichen. Wir sind an einem guten Tag mit Sicherheit auch für eine Überraschung gut und können der einen oder anderen Mannschaft ein Bein stellen. Am Ende hoffe ich darauf, dass wir den achten Platz oder besser einnehmen, um das Buch "Bundesliga" nicht nach einer Saison wieder zuschlagen zu müssen, sondern auch in Zukunft Mainz als Futsal-Bundesliga-Standort etablieren zu können.

Aufrufe: 016.9.2021, 15:30 Uhr
Martin ImruckAutor