2024-05-08T14:46:11.570Z

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Gemeinsam an einem Tisch: Die Radiske-Drillinge (von links) Christian, Michael und Tobias mit Adventskranz und Platzerl bei Kerzenlicht in der heimischen Stube. Es gibt Zeiten, da hören die Drillinge wochenlang nichts voneinander.
Gemeinsam an einem Tisch: Die Radiske-Drillinge (von links) Christian, Michael und Tobias mit Adventskranz und Platzerl bei Kerzenlicht in der heimischen Stube. Es gibt Zeiten, da hören die Drillinge wochenlang nichts voneinander. – Foto: Andreas Mayr

Die Radiske-Drillinge beim ASV Habach - Aufstieg? „Danach hör’ ich auf“

Oft wochenlang kein Kontakt zueinander

Heiligabend wird anders in diesem Jahr. Und dagegen können die Radiske-Drillinge aus Habach nichts unternehmen. Es war bislang immer eine schöne Tradition an Weihnachten: erst Würstl, dann Christmette und am Ende ab zum „Trödler“.

Habach – Aber der Reiner Fath darf ja sein Bistro nicht aufsperren. Betriebsurlaub macht er jetzt, steht im Internet. „Leider geschlossen“, sagt Michael Radiske. Im „Trödler“ trifft man wirklich jeden an Heiligabend. Also so viele, wie halt reinpassen. „Die üblichen Verdächtigen“ nennt sie Tobias Radiske. Es sind die jüngeren Leute aus dem Ort, viele vom Fußball. Weihnachten war immer zweigeteilt: Familie und Freunde, Besinnlichkeit und Geselligkeit. Aber wenn sich das tödliche Virus über eines freut, dann über Geselligkeit im Übermaß.

Die wirklich wichtige Frage des Heiligabends stellt sich in diesem Jahr auch ohne „Trödler“: Was schenkt man eigentlich Drillingen? Dazu gibt es eine Geschichte, eine recht witzige und prägende. Jürgen Radiske, der Papa der Drillinge, fiebert für die Münchner Löwen. Wie schon der Opa davor. Doch die Nachbarn, die Feigls, diese Bazis, fingen irgendwann an, die Radiske-Buam an Weihnachten mit Fanartikeln des FC Bayern einzudecken. „Gut so“, findet Christian Radiske, der Chrisi (ausgesprochen mit langem I). „Sonst wären in der Kindheit mehr Tränen geflossen.“ So gut wie jeder im Freundeskreis war für Bayern. Für den Papa mag das ein Schlag gewesen sein, seine Kinder an die Roten zu verlieren. Er hat sie trotzdem trainiert. bereits in der F-Jugend beim ASV Habach.

Wer wird Torwart? „Der eine mag nicht, dann muss einer der zwei anderen rein“

Am Anfang hat er den kleinen Burschen Trikots geschenkt. Christian Radiske bekam ein Torwart-Leiberl. Aber er hat sich gleich beim ersten Spiel nicht ins Tor getraut. Für den Papa war die Sache klar: „Der eine mag nicht, dann muss einer der zwei anderen rein“, so erzählt Tobias Radiske, wie er Torhüter wurde. Passt auch viel besser, finden seine Brüder. „Von der Art ist er eher der Torwart“, sagt Christian Radiske.

Der Job des Chef-Fängers verändert Tobias Radiske in 90 Minuten auf dem Rasen. An sich lässt sich sein Charakter mit einem Wort umschreiben. „Gemütlich“, sagt Michael Radiske. Aber so wie er sich beim Fußball aufführt, „kennt man ihn gar nicht“, scherzt Michael Radiske. Der Chrisi hingegen sei auch so eher ein emotionaler Typ. Und er selbst? „Ich muss ihn ja jetzt als aufbrausend beschreiben“, sagt Bruder Tobias Radiske über den Michi. Was man auf jeden Fall sagen kann: Für den Fußball hat Michael Radiske nie so viel Motivation und Ambition aufgebracht wie seine Brüder.

Oft wochenlang kein Kontakt zueinander

Es ist ganz interessant, wie sich Kinder mit – annähernd – gleichen Voraussetzungen entwickeln. Christian Radiske arbeitet in Schongau mit einem der beiden Schröder-Zwillinge zusammen, den ehemaligen Eishockey-Profis. Die sehen nicht nur fast identisch aus. Wenn es sein muss, telefonieren sie dreimal am Tag miteinander. Die Radiskes dagegen hören sich auch mal ein paar Wochen lang nicht.

Sie wuchsen nicht als Drillinge auf, sondern als drei Brüder in Habach. Wenn man diesen feinen Unterschied versteht. Ein Beispiel: Alle drei musizierten, weil das die anderen in ihrem Alter ebenfalls taten. Das war eine ziemlich große Clique. Zu den Geburtstagen kamen 20, 30 Kinder, die auch sonst immer auf dem Fußballplatz nebenan tollten. „Wir sind nie von unseren Eltern zu etwas gezwungen worden“, betont Christian Radiske, Trompeten- und Tenorhornspieler. Musste ja niemand. Die Hälfte der Jugendkapelle kickte ohnehin beim ASV, erklärt Tobias Radiske, Posaunist. So lange sich die Übungsstunden nicht überschnitten, spielten sie beides, was vor allem die Oma immer sehr gefreut hat. Montag Fußball, Dienstag Musik, so füllte sich der Wochenplan von alleine. Am Ende der Jugend entschieden sich alle drei pro Fußball.

Christian Radiske fehlt der Fußball während Corona nicht

Von dieser neuen jungen Welle profitierte der ASV am meisten. „Ab dem Zeitpunkt, an dem wir aus der Jugend rausgekommen sind, ist es gelaufen“, sagt Christian Radiske. Im Ort fand man die Rasselbande in Stollenschuhen richtig gut. Samstag, das gehört zum Dorfleben dazu wie der Bäcker, trifft man sich am Sportplatz. Habach kletterte in die Kreisliga rauf, schaffte vergangene Saison sogar die Relegation zur Bezirksliga. Jung und bissig waren sie. Und Freunde. „Wie eine Art zweite Familie“, sagt Christian Radiske.

Wenn er ehrlich ist, geht ihm, dem Hunderprozentigen, der Fußball in der Corona-Zeit gar nicht so sehr ab. Wohl aber die Abende im Vereinsheim. Bruder Tobias glaubt sogar, dass die Virus-Wirrungen „den einen oder anderen Kader auseinanderbringen“. Aber nicht die Habacher. Torwart Radiske und Verteidiger Radiske haben noch eine Mission zu erledigen mit 28 Jahren. „Den Aufstieg“, sagt Christian Radiske. „Danach hör’ ich auf.“ Gefällt dem Bruder gar nicht. „Kannst nicht aufsteigen und aufhören“, findet Tobias Radiske. „Warum nicht?“ fragt der Chrisi.

In Habach sind sie Radiske-Drillinge „bekannt wie ein bunter Hund“

Die Corona-Pause hat ihm gezeigt, wie süß das Leben auch ohne Fußball sein kann. Welch’ frivole Versuchung. Wenn’s wieder losgeht, bestenfalls im Frühjahr, werden sie wieder brennen für den Sport, die Radiske-Brüder. Das wissen sie. Nur der Michi nicht. Nach einer Verletzung am Sprunggelenk haben ihm die Ärzte zum Aufhören geraten. Er wird auf sie hören und auf andere Dinge ausweichen, Bergsteigen und Tennis.

Michael Radiske war schon bei der Geburt so ein Ausreißer gewesen. Noch so eine witzige Anekdote aus dem Leben der Drillinge. Die Namen der Brüder standen fest. Michael sollte eigentlich Martin heißen. Aber Tobias und Martin, diese Kombination gab es schon im Ort. Bei den Wagners. Jetzt heißt er eben Michael. In 28 Jahren haben er und seine Brüder keine anderen Drillinge getroffen. Auch nicht beim Fußball. In Söchering soll es welche geben, im ähnlichen Alter. Aber zu denen besteht kein Kontakt. Das Leben als Drilling ist nicht immer leicht. Wer sie kennenlernt, will als erstes wissen, ob sie denn auch gleich aussehen. Manche fragen tatsächlich nach dem Alter. „Seid ihr gleich alt?“ In Habach fragt niemand mehr. Tobias Radiske sagt: „Da sind wir bekannt wie ein bunter Hund.“

(ANDREAS MAYR)

Aufrufe: 023.12.2020, 08:52 Uhr
Weilheimer Tagblatt / Andreas MayrAutor