2024-05-02T16:12:49.858Z

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Pioniere des Frauenfußballs in der Region: der SV Haslach.
Pioniere des Frauenfußballs in der Region: der SV Haslach. – Foto: Foto: privat
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"Die Mädle kriegen sicher nie einen Mann"

Warum es in der Gründungszeit vor 50 Jahren für die Fußballerinnen des SV Haslach nicht immer einfach war. Und warum die Kickerinnen auf den Trikottausch der Jungs vorbereitet waren.

Wangen / sz - "Wir waren die Mannweiber", erinnert sich Mireille Le Guin Rudolph und lacht. Sie war mit 13 Jahren 1970 die jüngste in der frisch gegründeten Damenmannschaft. Dazu sei bemerkt, dass zu Beginn des Jahres 1970 immer noch das Verbot von 1955 des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) bestand. Die Begründung lautete: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Erst Ende Oktober 1970 kippte der DFB dieses Verbot mit erheblichen Auflagen und erlaubte seinen Vereinen die Gründung einer Damenmannschaft.

"Es war eine Wette um 5 D-Mark", erinnert sich Gisela Hirscher (geborene Geisler), auch sie eine Pionierin der ersten Stunde. "Man saß in einem Gasthaus in Plegelberg zum obligatorischen Nachtraining am Stammtisch und kam zu später Stunde (2 Uhr nachts) auf das Gespräch Damenfußball. Es entstand eine angeregte Diskussion", so steht es in der Jubiläumsausgabe zum 25-jährigen Bestehen der Haslacher Frauenmannschaft. Die Wette war geboren: Ist es in Haslach möglich, eine Frauenmannschaft zu gründen – oder wenigstens ein Spiel zu bestreiten? Als Trainer für dieses Experiment stellte sich Robert Kipper – damals Torwart von Wangen – zur Verfügung, nichts ahnend, dass das Ganze eben nicht nach einem Spiel enden sollte.

Über das Gemeindeblatt und Mundpropaganda fanden sich sofort an die 15 begeisterte Frauen. "Das war eine ganz andere Zeit. Mit Sport war damals nichts. Da war Fußball sehr willkommen", erinnert sich die Jüngste im Bunde – Mireille Le Guin Rudolph. "Jahrgänge gab es damals nicht. Ich war mit 13 die jüngste, die älteste von uns war 35 Jahre alt." Die Mädels waren damals gleich Feuer und Flamme. Obwohl sie viel Spott und Häme abbekamen. "Die Männer kamen nur zum Lachen und wollten wackelnde Brüste sehen", meint Le Guin Rudolph. "Wir hatten damals noch diese knappen Trikots, die sahen anders aus als heute", erklärt Hirscher. Eine Sporthalle gab es natürlich auch nicht. "Wir waren Sommer wie Winter immer draußen und die Jungs fingen irgendwann an, dass wir doch nach einem erfolgreichen Spiel die Trikots ausziehen sollen, wie es bei ihnen üblich war. Das haben wir gemacht, aber wir hatten noch ein T-Shirt darunter an", freut sich Gisela Hirscher bei der Erinnerung an die wilde Zeit von damals.

Ein Dreivierteljahr trainierten sie mehrmals in der Woche auf das Freundschaftsspiel gegen Memmingen hin. Sie verloren es haushoch 1:7, aber das zweite Spiel endete unentschieden und im dritten gab es den ersten Sieg mit 1:0. "Danach wollten wir nicht mehr aufhören und saßen mit dem Vorstand zusammen, der uns weiter spielen ließ", fügt Gisela Hirscher an. Generell habe der Vorstand die Fußballerinnen sehr unterstützt.

Die Wege waren vor 50 Jahren weit, um Gegner zu finden. Frauenteams waren Anfang der 1970er-Jahre dünn gesät. Aber der Zusammenhalt sei enorm hoch gewesen und man habe nach jedem Training beisammen gesessen, so die beiden Gründungsmitglieder. Gisela Hirscher spielte bis zu ihrem 40. Lebensjahr aktiv Fußball und sorgt heute noch für Getränke und Verpflegung bei den Spielen. Mireille Le Guin Rudolph trat schweren Herzens aus und begleitete ihren Mann, der beruflich nach Ecuador musste: "Ich war 20 Jahre alt und das war hart für mich. Ich habe dort gleich versucht, eine Mannschaft zu gründen, aber das war unmöglich."

Einen geregelten Spielbetrieb gab es für Frauen erst ab 1974. 1976/77 gelang dem SV Haslach der Aufstieg in die Verbandsliga – damals die höchste Spielklasse bei den Frauen. Einen weiteren Meistertitel erreichten sie noch einmal zehn Jahre später. 1987 gründete der Verein seine erste Mädchenmannschaft. Es folgten durchwachsene Jahre mit Höhen und Tiefen. 2003 stiegen sie wieder in die Landesliga auf und hielten sich dort für die nächsten beiden Saisons. Danach folgten viele Jahre im Mittelfeld der Regionenliga. 2015/16 holten die Fußballerinnen den Bezirkspokal zurück nach Haslach und gründeten ein Jahr später aus Mangel an Nachwuchs eine Spielvereinigung mit dem FC Wangen. Allerdings trennten sich die Wege wieder, weil viele Spielerinnen aus Wangen aufhörten.

Mit dem TSV Neukirch fiel in der vergangenen Saison die Entscheidung für einen Neustart in der Kreisliga. Momentan liegt die Spielvereinigung auf dem letzten Platz, aber die Vorsitzende des SV Haslachs, Simone Raschka, bleibt zuversichtlich: "Dafür sind wir in dieser Saison Pokalschreck geworden."

Die Jubiläumsfeier soll nun nachgeholt werden, wenn man wieder richtig feiern darf.

Aufrufe: 022.12.2020, 16:12 Uhr
Schwäbische Zeitung / Susanne BackmeisterAutor