2024-05-17T14:19:24.476Z

Vereinsnachrichten
Oscar Corrochano instruiert die Eintracht-Spieler an der Taktiktafel. Der 40-jährige SVE-Trainer will die Messlatte hochsetzen, die Mannschaft aber auch nicht mit Anweisungen überfrachten. Foto: Sebastian Schwarz
Oscar Corrochano instruiert die Eintracht-Spieler an der Taktiktafel. Der 40-jährige SVE-Trainer will die Messlatte hochsetzen, die Mannschaft aber auch nicht mit Anweisungen überfrachten. Foto: Sebastian Schwarz

"Der Trainer wird immer mehr zum Freiwild"

Oscar Corrochano, der neue Übungsleiter von Regionalligist Eintracht Trier, schlägt im fupa-Interview auch nachdenkliche Töne an

Oscar, wer? Manche Fans von Eintracht Trier konnten mit dem Namen des neuen Trainers, Oscar Corrochano, zunächst nicht so viel anfangen. Dabei hat der 40-Jährige aus Hanau im Fußball schon deutlich sichtbare Spuren hinterlassen. Im Interview mit TV-Redakteur Mirko Blahak spricht der Familienvater über seine Spielphilosophie, seinen Charakter und Hobbys.

Sie sind seit eineinhalb Wochen als Eintracht-Trainer im Amt: Haben Sie schon mehr als Ihr Hotelzimmer und den Trainingsplatz gesehen?
Corrochano: Im Hotel und auf dem Trainingsgelände habe ich mich in der Tat am meisten aufgehalten. Es waren durch die englische Woche sehr intensive Tage.

Sie waren zuletzt bis zum Sommer Jugendnationaltrainer in Ungarn. Vor der Europameisterschaft in Frankreich haben Sie dabei auch A-Nationalcoach Bernd Storck zugearbeitet - wie sah das aus?
Corrochano: Ich habe mich in die Trainingsplanung eingebracht. Darüber hinaus in der Spielbeo bachtung. Ich habe die Gruppengegner vor der EM gesehen. So war ich kreuz und quer durch Europa unterwegs.

Was sagt Ihnen als Deutsch-Spanier mehr zu: der deutsche oder der spanische Fußball?
Corrochano: Wenn man sich die Entwicklung der deutschen Nationalelf oder von Bayern München und Borussia Dortmund anschaut, stellt man fest, dass in Deutschland der spanische Fußball modifiziert worden ist. Die Mischung macht‘s aus - das Positionsspiel, das technische Spiel, aber auch die Physis, die im modernen Fußball eine große Rolle spielt.

Wie sieht Ihre (Fußball-)Philosophie aus?
Corrochano: Ich möchte mit meiner Mannschaft agieren. Die Spieler sollen im vorderen Mittelfeld pressen. Sie brauchen aber auch Strategien bei Ballverlusten oder für Unterzahlsituationen. Dafür ist viel Detailarbeit nötig.

Fürs Pressing nutzen Sie auch das Wort "Herausstechen": Was verbinden Sie mit dieser Vokabel?
Corrochano: Damit meine ich das situative Forechecking. Die Spieler sollen nicht nur warten, bis etwas im Mittelfeld passiert.

Können Sie Ihre Ideen mit den Spielern, die derzeit in Trier unter Vertrag stehen, umsetzen?
Corrochano: Die Mannschaft ist sehr offen für meine Vorstellungen. Aber ich kann sie nicht mit Informationen überfrachten. Wir wollen die Messlatte hochsetzen, aber das muss alles in einem realistischen Rahmen bleiben.

Sie sind unüberhörbar als Hesse zu identifizieren. Wo ist für Sie Heimat?
Corrochano: In Deutschland. Ich bin in Hanau geboren und dort im Stadtteil Großauheim großgeworden. Dann habe ich jahrelang in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet gespielt. Inzwischen habe ich seit rund 20 Jahren mit meiner Frau in Heidelberg meinen Lebensmittelpunkt gefunden.

Und Ihre Eltern stammen aus Spanien?
Corrochano: Ja, sie waren Anfang der 1960er Jahre als Gastarbeiter gekommen. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, hatte und habe aber fast ausschließlich einen deutschen Freundeskreis.

Sind Sie in den nächsten Monaten Strohwitwer - oder werden Ihre Frau und die beiden kleinen Söhne Emilio Mateo und Luca Carlos nachkommen?
Corrochano: Meine Frau ist in Heidelberg berufstätig, und unsere Söhne gehen dort in die Kindertagesstätte. Das soll so bleiben. Von Trier nach Heidelberg ist es ja auch nicht so weit.

Sie haben sich in der Jugendarbeit, speziell als Trainer bei Eintracht Frankfurt, einen guten Ruf erarbeitet. Wenn ein 34-Jähriger und 19-Jähriger gleich gut sind - spielt bei Ihnen auf jeden Fall der junge Akteur?
Corrochano: Grundsätzlich gilt das Leistungsprinzip. Andererseits darf man einen 34-Jährigen nicht vorziehen, wenn dadurch einem gleich guten 19-Jährigen die Zukunft verbaut wird.

2012 öffnete sich Ihnen die Tür ins Profigeschäft: Es heißt, Sie hätten beim damaligen Zweitligisten Jahn Regensburg unter mehr als 100 Bewerbungen das Rennen gemacht. Was lief dann schief, so dass schon nach zwölf Spielen Schluss war?
Corrochano: Also beworben hatte mich damals nicht! … Wir hatten damals den niedrigsten Etat, den jemals ein Verein in der zweiten Liga angegeben hat. Dafür haben wir sehr gute Leistungen gezeigt. In der ersten Ergebniskrise wurde dann die für mich unverständliche Entscheidung getroffen.

Auch ihr Vorgänger in Trier, Peter Rubeck, musste schon nach zwölf Spielen gehen. Fehlt es heute in den Clubs an Geduld?
Corrochano: Das hängt von Verein zu Verein ab. Aber der Trainer wird immer mehr zum Freiwild. Das ist schade.

Ihre Spielerkarriere endete mit 29 Jahren abrupt wegen einer Sprunggelenksverletzung. Ein Zweitliga-Spiel stand bis dahin zu Buche. Wäre mehr für Sie drin gewesen?
Corrochano: Die Verletzung war ein Zeichen, dass ich mich umorientieren sollte. Das habe ich getan und meine Trainerscheine gemacht. So konnte ich trotz der Sportinvalidität dem Fußball treu bleiben.

Sie wirken sehr ruhig und besonnen: Was bringt Sie aus der Fassung?
Corrochano: (überlegt) Jeder hat seine Temperamentsschwelle. Wenn Sachen nicht klappen, kann auch ich aus der Haut fahren.

Sie waren im Sommer bei Sonnenhof Großaspach im Gespräch. Ins Rennen um das Traineramt bei Eintracht Trier sind Sie erst später eingestiegen, nachdem Jürgen Kohler als heißester Kandidat galt: Ist es für Sie schwierig, in der Warteschleife zu hängen?
Corrochano: Wenn ich keinen Verein habe, kommt die Familie mehr zum Zug. Aber auch dann spielt der Fußball eine große Rolle. Ich gehe viele Spiele beo bachten und besuche Kongresse. Ich versuche, in solchen Phasen nicht nervös zu werden. Aber natürlich will ich auf dem Platz stehen. bl

Kurz und knapp - was Oscar Corrochano bevorzugt:

Viez oder Bier? Bier.

Berge oder Meer? Beides, aber wenn ich mich entscheiden muss, dann eher die Berge. Ich mag das Flair beim Wandern und die Ruhe zwischen steilen Gipfeln.

Buch oder DVD? Buch. Mich interessieren unter anderem Biografien.

Fitnessstudio oder Waldlauf? Waldlauf.

Sportwagen oder Familienkutsche? Familienkutsche.

Techno oder Tschaikowsky? Tschaikowsky - klassische Musik beruhigt.

Morgenmuffel oder Frühaufsteher? Frühaufsteher.

Extra

Oscar Corrochano:

geboren am 6. September 1976 in Hanau

(Mittelfeld-)Spieler bei Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98, Kickers Offenbach, Waldhof Mannheim, 1. FC Eschborn - zumeist in der Regionalliga

Trainerstationen: Eintracht Frankfurt (U 16, U 19, U 23, Co-Trainer Bundesligateam bei Armin Veh), U-21-Nationalmannschaft (Assistent bei Rainer Adrion) und Ungarn (U 18, U 21)

2012 Fußballlehrer-Lizenz, mit im Lehrgang unter anderem Mehmet Scholl und Stefan Effenberg

seit 3. Oktober 2016 Trainer bei Regionalligist Eintracht Trier

Aufrufe: 012.10.2016, 21:41 Uhr
Volksfreund / volksfreund.de Autor