2024-05-08T14:46:11.570Z

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Seit 45 Jahren ist Silvio Mrohs (links) Schiedsrichter, seit 2000 zudem erfolgreicher Jugendtrainer in GMHütte (wie hier im Duo mit Milorad Stojnic).
Seit 45 Jahren ist Silvio Mrohs (links) Schiedsrichter, seit 2000 zudem erfolgreicher Jugendtrainer in GMHütte (wie hier im Duo mit Milorad Stojnic). – Foto: Swaantje Hehmann

„Der Fußball lässt mich einfach nicht los“

Silvio Mrohs aus GMHütte ist seit 45 Jahren Schiedsrichter und Jugendtrainer / Bild-Zeitung rief einst beim Ex-Bundesliga-Linienrichter an

Wer sich mit Silvio Mrohs unterhält, erlebt eine Reise durch alle Facetten, die der Fußball zu bieten hat. Der ehemalige Bundesliga-Linienrichter stand einst Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß gegenüber. Seit über 20 Jahren findet er sein Glück als Trainer und Betreuer der Jugendmannschaften von Viktoria 08 GMHütte.

An seine Begegnung mit Beckenbauer und Hoeneß erinnert sich Mrohs noch gut: Er war als Assistent beim Testspiel zwischen dem VfB Oldenburg und dem FC Bayern angesetzt. Der deutsche Rekordmeister war 1992 statt in Katar noch in Norddeutschland auf Sponsorentour. Im VIP-Bereich gab es Grünkohl statt Goldsteak. Mrohs suchte vor dem Spiel die Toilette und nahm die falsche Tür, in einem kleinen Raum unterhielten sich Hoeneß und Beckenbauer. „Ich war kurz erstarrt, als auf einmal die Lichtgestalt des deutschen Fußballs vor mir stand“, gibt Mrohs zu. Kurzerhand habe sich dann aber ein nettes Ge-spräch ergeben, sodass er sogar den Toilettengang vor dem Spiel vergessen hatte.

Mrohs machte 1976 den Schiedsrichterschein und stieg schnell auf: Mit 24 Jahren war er der jüngste Schiedsrichter in der Oberliga Nord, der damals höchsten Amateurklasse. Bis 2000 pfiff er in der Regio-nalliga Nord. „Ich war extrem ehrgeizig und habe meine drei Wochen Sommerurlaub immer nur mit Laufen verbracht.“ Seine Laufstärke sei auf dem Platz immer sein Trumpf gewesen, einmal aber habe er es übertrieben: Bei einem Spiel in Lüneburg schrieb der Beobachter im Bericht: Schiedsrichter Mrohs überholte im Sprint den steil geschickten Linksaußen und erwartete an der Torauslinie die Flanke.

Silvio Mrohs (links) vor einem Spiel zwischen Hertha BSC Berlin und Waldhof Mannheim.
Silvio Mrohs (links) vor einem Spiel zwischen Hertha BSC Berlin und Waldhof Mannheim.

Zwischen 1992 und 1996 war er im Gespann mit Schiedsrichter Uwe Kemmling und Jörg Klusmann un-terwegs, im letzten Jahr sogar in der Bundesliga. „In der Bundesliga hatte es immer etwas Magisches, den Rasen in den ausverkauften Stadien zu betreten. Da lief es einem kalt den Rücken runter“, erinnert er sich. Sein größtes Spiel war eine Partie zwischen Schalke 04 und Bayer Leverkusen, in welcher drei Bayer-Spieler vom Platz flogen – unter anderem Torjäger Ulf Kirsten, der Schiedsrichter Kemmling die Scheibenwischer-Geste gezeigt hatte. Leverkusens Trainer Erich Ribbeck schrie Mrohs mit den Worten „Ihr werdet nie wieder ein Spiel leiten“ an. Die BILD-Zeitung rief damals sogar Zuhause bei ihm an.

Der leidenschaftliche HSV-Fan ist froh, dass er heute in Zeiten von unzähligen Zeitlupen und Videobeweis nicht mehr als Assistent an der Linie steht. „Diese Zentimeterentscheidungen gab es damals nur in der Theorie und es galt die Regel, im Zweifel für den Stürmer. Heute verliert der Fußball durch den Videobeweis massiv an Faszination“, ist das Urteil des 62-Jährigen.

Faszination findet er heute im Amateurbereich: In den Kreisklassen pfeift er selbst noch, zudem ist er seit 2000 Trainer und Betreuer erst der U17 nun der U19 der Viktoria, der er seit über 50 Jahren die Treue hält: „In dem Alter haben die Jungs nur Fußball im Kopf. Es macht Spaß einen jungen Haufen zu zähmen.“ Heute spielt die U19 der Hütter in der Niedersachsenliga, fast 15 Jahre aber ärgerte „die graue Maus vom Dorf“, wie Mrohs sagt, den Bundesliganachwuchs in der Regionalliga.

Der heutige Außendienstler im Stahlhandel trainierte u.a. VfL-Profi Konstantin Engel, von dessen Disziplin er nach wie vor begeistert war. Der beste Kicker neben Engel sei für ihn als Jugendtrainer der Bersenbrücker Max Tolischus gewesen. „Mit mehr Disziplin wäre er auf jeden Fall Profi geworden“, lacht Mrohs und erzählt eine Anekdote: „Vor einem Auswärtsspiel auf St. Pauli musste ich ihn und Marc Solbach vom Tanz in den Mai abholen. Ging natürlich eigentlich gar nicht, aber die waren so gut, dass ich beide Augen zugedrückt habe. Am Ende haben wir 1:0 gewonnen.“

Silvio Mrohs und die A-Jugend der Viktoria in der Saison 2009/2010.
Silvio Mrohs und die A-Jugend der Viktoria in der Saison 2009/2010.

Für Jugendspieler hat er sich schon immer eingesetzt. Zwischendurch wohnten für einige Monate sogar drei Brasilianer bei ihm, die Austauschschüler waren und bei Viktoria unter Mrohs kickten. Einer blieb sogar dauerhaft in Deutschland: Pablo Andrade Gregorio spielt heute beim SC Melle und macht eine Ausbildung zum Physiotherapeuten.

Von der Bundesliga bis zur untersten Kreisklasse hat Mrohs alles gesehen. Auch 55 Jahre, nachdem er durch die WM 1966 und Uwe Seeler mit dem Fußball-Virus infiziert wurde, freut er sich noch auf jedes Spiel mit seiner Jugendmannschaft oder als Schiedsrichter: „Solange ich noch laufen kann, mache ich das noch. Der Fußball lässt mich einfach nicht los.“

Aufrufe: 012.4.2021, 16:00 Uhr
Lennart AlbersAutor