2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielbericht
Glückszahl sieben: In den vergangenen sieben Spielzeiten hat der Lenggrieser Innenverteidiger Andi Riesch sieben Gelbe Karten kassiert und sieben Tore erzielt.  Foto: Hans Demmel
Glückszahl sieben: In den vergangenen sieben Spielzeiten hat der Lenggrieser Innenverteidiger Andi Riesch sieben Gelbe Karten kassiert und sieben Tore erzielt.  Foto: Hans Demmel

„Da ist mir ganz schwindlig geworden“ - Lenggries' Riesch über Training mit Bender-Zwillingen

LSC-Verteidiger im Interview

Laut werden kann er schon mal. Aber nur, wenn es Sinn macht. „Zum Wachrütteln, anstacheln“, sagt Andreas Riesch. Das gilt für seine Leidenschaft, er spielt seit Jahren Fußball beim Lenggrieser SC, wie für das Leben.

Lenggries„Ich denke, man muss Probleme lösen können, ohne jemanden umzugrätschen“, sagt der LSC-Innenverteidiger. Mit seinen 29 Jahren gehört Riesch zu den alten Hasen im Team, das in der Schlussphase der Saison das Rennen um die Aufstiegsrelegation zur Bezirksliga knapp verloren hat.

Auf dem Platz erledigt der Wegscheider, mittlerweile wohnt er in Lenggries, seinen Job unaufgeregt. Sieben Gelbe Karten in den vergangenen sieben Jahren stehen sieben Tore gegenüber. Er zeichnet sich eher durch den Blick für das Spiel aus, erahnt, wo der gegnerische Stürmer hinwill, kann die Bälle klären und gleichzeitig das Spiel nach vorne aufbauen. Tore schießt er höchstens mal bei ruhenden Bällen. „Aber mir gefällt’s, die Fäden von hinten raus zu ziehen, die Angriffe einzuleiten.“

Riesch ist einer, der etwas zu sagen hat – auch wenn er keine Kapitänsbinde trägt. Auf ihn hören die Mitspieler, gerade die jungen. „Ich sehe es schon als meine Aufgabe, den Nachwuchsspielern etwas zu erklären, Tipps zu geben, oder sie auch mal auf Linie zu bringen.“ Eine Mittlerrolle zwischen Mannschaft und Coach. In der Ausbildung sieht er auch seine Zukunft, einen Trainerschein anzupacken, hatte er schon länger im Hinterkopf. Kommende Saison ist es so weit: Er wird Spielertrainer der zweiten Mannschaft, steht der Ersten nur noch im Notfall zur Verfügung.

Für den Trainerschein muss er nun noch einmal Theorie pauken. Etwas, das er nicht gut leiden kann. „Ich war gar kein Freund der Schule“, sagt Riesch und grinst. Er besuchte die Grundschule in Wegscheid, schleppte sich durch die Hauptschule in Lenggries, um mit 15 eine Zimmererlehre anzuschließen. Später drückte er noch einmal die Schulbank: Technische Schule in München, um Hochbautechniker und nebenher Zimmerermeister zu werden. „Das waren zwei harte Jahre.“ Neben den speziellen Fächern musste er für alle weiteren büffeln. „Aber es war eine gute Zeit.“ Er machte den Abschluss, ist mittlerweile Bauleiter in einem Tölzer Planungsbüro.

Der Weg zum Sport war für Riesch vorgezeichnet. Sein Vater Hobbykicker, seine Mutter, Veronika Bilgeri aus Gaißach, erfolgreiche Rennrodlerin. „Ich bin beim Fußball gelandet, weil das leicht zu machen ist: Man braucht bloß einen Ball, einen Rasen, und los geht’s.“ Mit sieben hat er beim LSC angefangen; seine Spezln haben ihn mitgezogen. Er durchlief erfolgreich die Nachwuchs-Teams. Angefangen hat Riesch als Stürmer. „Mit der Zeit bin ich immer weiter nach hinten gewandert“, sagt er. Mittlerweile hat er seine feste Position in der Abwehr. „Wennst im Alter nicht mehr so viel laufen kannst“, sagt er schmunzelnd. Allerdings hatte Riesch regelmäßig mit Verletzungen zu kämpfen, Knie und Kreuz machten ihm ständig zu schaffen. „Da hat man auch mental zu kämpfen, wenn man sich immer wieder zurückarbeiten muss.“ Schließlich ist auch die berufliche Verantwortung gewachsen. Da könne man sich nicht mehr so viel erlauben. So reifte seine Entscheidung, künftig nur noch für die zweite Mannschaft zu spielen.

Seine Konzentration auf den Job verhinderte möglicherweise schon früher einen Durchbruch im Fußball. Gerade hatte er die Zimmerer-Lehre angefangen, da bekam er beim Stützpunkttraining ein Angebot von 1860 München. „Das Probetraining musste ich schon mitnehmen“, sagt Riesch. „Das war interessant.“ Beim Training wusste er allerdings gar nicht wie ihm geschah, weil er dem älteren Jahrgang zugeteilt wurde. Er fand sich unter anderem neben den Bender-Zwillingen Lars und Sven wieder. „Da ist mir ganz schwindlig geworden“, er bekam kaum einen Ball – bis klar war, dass er dem jüngeren Jahrgang angehörte. „In der richtigen Gruppe angekommen, habe ich erst mal einen Anschiss bekommen, warum ich zu spät bin“, sagt Riesch und schmunzelt.

Doch es war ohnehin klar: Er wollte das Angebot nicht wahrnehmen. „Ich wollte meine Lehre machen und habe das durchgezogen.“ Es war das vorletzte Mal, dass er einen Vereinswechsel überhaupt in Erwägung zog. In der Kreisliga bekam er Angebote anderer Klubs. „Aber ich wollte lieber mit dem LSC, meinen Spezln, in einer Top-Mannschaft und einem Wahnsinnstrainer den Aufstieg schaffen.“ Und das gelang. Coach damals: Walter Lang, der gerade Heilbrunn von der Kreisklasse in die Landesliga geführt hat.

Die Lenggrieser hatten zunächst Pech, als sie 2014 in der Kreisliga Zweite wurden und es dafür nicht mal eine Aufstiegsrelegation gab. Doch ein Jahr später klappte es: In einer makellosen Saison marschierte der LSC voran, machte in Garmisch den Aufstieg klar. Riesch: „Das war Wahnsinn, das werde ich nie vergessen.“

Doch auch die folgenden Jahre, geprägt von Abstiegskampf in der Bezirksliga und wechselnden Trainern, bewertet Riesch als große Leistung. Unvergessen die Derbys gegen den Dorfnachbarn SC Gaißach. Zu den Spielen kamen schon mal knapp 1000 Zuschauer. Einmal gab es einen BOB-Sonderzug. Ein Höhepunkt auch das Vorbereitungsspiel gegen die SpVgg Unterhaching im Vorjahr. Und überhaupt: „Mit einem Dorfverein die Bezirksliga zu halten, ist cool, das war eine brutale Zeit.“ In der Vorsaison erwischte es den LSC dann doch. Unter Trainer Willy Link ging’s zurück in die Kreisliga. Die Rückkehr in die Bezirksliga hätte Riesch schon gefreut. Es sollte nicht sein. „Wir wollten alles probieren, aber so ist’s auch kein Weltuntergang.“

Nachdem ihn Sport und Arbeit ziemlich in Beschlag nehmen, lässt er es in der Freizeit ruhiger angehen. Seine Hobbys, wenn er Zeit findet: Schwimmen, Skifahren, Berggehen, am liebsten auf den Geierstein, von seiner Haustür bis zum Gipfel-Bierchen eine 45-Minuten-Tour. Riesch ist für alles zu haben. „Bin bei jeder Gaudi dabei.“ Doch immer wieder bricht auch der Vernunftmensch in ihm durch: „Schließlich muss es ja einen geben, der den Haufen auf dem Platz zusammenhält.“

Aufrufe: 06.6.2019, 11:19 Uhr
Tölzer Kurier / Nick SchederAutor