München/Alanya - Efkan Bekiroglu geht mit dem Handy in der Hand durch seine Wohnung in Alanya, eine kleine Stadt am Meer der Türkei. „Vier Zimmer, ganz schön groß. Meiner Mutter blutet das Herz, weil sie mich nicht besuchen und für ihren Sohn kochen kann. Aber so sind doch alle Mamas“, lacht Bekiroglu. Er will sein Abschiedsgeschenk der Löwen zeigen. Im Flur hängt ein Trikot mit der Zehn. „Diese Nummer hat mir die Mannschaft geschenkt“, sagt Bekiroglu und grinst. Er sucht die Unterschrift von Timo Gebhart. „Schau, er hat sogar neben seine Unterschrift noch die Zahl 10 geschrieben. Diese Nummer habe ich mir immer gewünscht.“
Bekiroglu hat nach seinem Abschied aus München in der Türkei alles gefunden, wovon er als Fußballer geträumt hat. Mit 17 verbannte ihn ein Trainer beim SC Fürstenfeldbruck in die zweite Mannschaft. Bekiroglu war ihm zu schlecht. Er spielte „Gruppe“, die Liga unterhalb der Kreisklasse. Heute sehen seine Eltern ihren Sohn im Fernsehen gegen Galatasaray Istanbul. Mit Alanyaspor steht Efkan Bekiroglu an der Tabellenspitze. In der Süperlig muss sich Effe hinten anstellen und auf seine Chance hoffen. Es wäre nicht die erste, die er in seinem Leben ergriffen hat.
Wie fühlt es sich an, im Heimatland der Eltern Fußball zu spielen?
Es war mein Traum, hier zu spielen. Diesen Flair zu spüren, ist unglaublich. Deutschland ist sehr förmlich. Hier bieten dir die Leute sogar einen Tee an, wenn du deinen Pass verlängerst.
Wie können Sie den Unterschied zwischen dem deutschen und türkischen Fußball am besten beschreiben?
Mein Trainer nennt mich Aslanim. Das heißt „mein Löwe“. Passt gut, oder? In Deutschland würde kein Trainer zu seinem Spieler sagen: Auf geht’s, mein Löwe. Das gibt es nicht einmal bei 1860 (lacht). Mit einer Ansprache auf Türkisch weckt mein Trainer noch mehr in mir. Auf Türkisch kannst du eine halbe Stunde eine Farbe beschreiben. Es gibt dafür einfach so viele Wörter. Diese Sprache löst in mir ein ganz anderes Gefühl aus.
War es richtig, die Löwen im Sommer zu verlassen?
Mir fehlen meine Jungs. Die Zeit bei 1860 war die schönste in meinem Leben. Mit Herbert Paul bin ich jeden Tag essen gegangen. Enge Freunde werde ich hier nicht finden. Ich bin sehr oft alleine. Natürlich denke ich oft darüber nach, ob es die richtige Entscheidung war. Ich bin kein Stammspieler und habe nicht das Standing wie bei 1860. Mein Vater hat bis zum letzten Moment noch von 1860 gesprochen. Er meinte: Wenn du bleibst, steigt ihr vielleicht auf. Aber ich habe zu ihm gesagt: Papa, ich kann in der ersten, türkischen Liga spielen. Diese Chance muss ich nutzen. Die Meinung in Deutschland ist oft: Die Türkei ist keine Top-Liga. Es ist nicht England oder Spanien. Aber ich kann allen sagen: Das Niveau ist unglaublich.
Gibt es einen Moment, in dem Sie wussten: Es war richtig, hier her zu kommen?
Ich bin großer Gala-Fan. Meine komplette Familie liebt diesen Verein. Ich durfte dieses Stadion betreten. Nicht als Fan, sondern als Spieler. Das Feeling in den Katakomben und der Blick aus dem Tunnel ins Stadion war Gänsehaut pur. Ich habe Gala-Trainer Fatih Terim gesehen. Er ist eine Legende. Ich habe mich neben Top-Stars warm gemacht, die früher meine Vorbilder waren. Dann ruft der Trainer meinen Namen und wechselt mich ein. Plötzlich ist es egal, ob Arda Turan oder Ryan Babel auf dem Platz steht. Ich habe Fußball gespielt und wollte gewinnen. Nichts anderes hat gezählt.
Wie hat Ihre Familie in München dieses Spiel erlebt?
Mein Vater kann sowieso nie ruhig sitzen. Egal ob der Gegner FC Bayern II oder Zwickau heißt. Aber gegen Gala fließen Tränen. Meine Familie saß in München vor dem Fernseher und hat darauf gehofft, dass ihr Sohn eingewechselt wird. Sie können immer noch nicht realisieren, was mir gerade passiert. Hoffentlich darf ich dieses Gefühl auch erleben, wenn ich irgendwann einen Sohn habe.
Bisher sind Sie nur Einwechselspieler. Hätten Sie sich mehr erhofft?
Es fängt in meiner Karriere immer wieder bei null an. Zum Glück war ich nie in einem Nachwuchsleistungszentrum. Beim FC Augsburg gab es Spieler in der zweiten Mannschaft, die sich beschwert haben, dass der Whirlpool zu klein ist. Ich habe Dachau, Fürstenfeldbruck, Phönix und Unterföhring erlebt. In der A-Jugend hat mich ein Trainer zur zweiten Mannschaft geschickt. Er fand mich zu schlecht. Ich musste Gruppe spielen. Das ist die Liga unterhalb der Kreisklasse. Im Fußball musst du Demut zeigen. Wenn du eine Chance bekommst, musst du diese Demut aber auch ablegen können.
Was fehlt Ihnen für den Durchbruch in der Türkei?
Ich brauche das 100-prozentige Vertrauen des Trainers, um Top-Leistung zu bringen. Aber das muss ich mir hart erarbeiten. Der Sprung, bis der Trainer dir vertraut, ist der schwierigste Prozess im Fußball. Bei Biero war das nicht anders. Ich werde das Spiel in der ersten Saison bei 1860 gegen Uerdingen nie vergessen. Quirin Moll war verletzt. Biero hat lange mit sich gerungen, ob er mich auf der Sechs spielen lassen soll. Ich habe mein bestes Saisonspiel gemacht und war danach in der Mannschaft. Hier muss ich mich erneut hinten anstellen. Ich bin nur der Efkan aus der 3. Liga. Bald haben wir sieben Spiele in wenigen Wochen. Das kann meine Chance sein.
Effe, Heppi, Vino und Timo. Das war die Gangstertruppe der Löwen. Steht Ihr noch in Kontakt?
Zum Glück hat ein kluger Mensch Facetime erfunden. Mit Herbert Paul, Daniel Wein und Timo Gebhart bin ich ständig in Kontakt. Ich erzähle ihnen von den Duellen hier. Aber am meisten kommen sie nicht darauf klar, wenn ich sie mit Sonnenbrille anrufe. Ich kann im November bei 25 Grad in Badelatschen zum Training gehen. Darauf sind sie neidisch (lacht). Aber immer wenn der Mensch von etwas zu viel hat, will er genau das Gegenteil. Ich würde so gerne wieder mal meine Winterjacke anziehen und die Heizung richtig aufdrehen.
(Christoph Seidl)