2024-05-17T14:19:24.476Z

Pokal
Stefan Dömsödi (links) ist der Trommler von Illertissen. Gegen Werder Bremen heizte er die Fans im Block immer wieder an.   F.: Wolfgang Holzhauser
Stefan Dömsödi (links) ist der Trommler von Illertissen. Gegen Werder Bremen heizte er die Fans im Block immer wieder an. F.: Wolfgang Holzhauser

120 Minuten im Fußball-Wahnsinn

Zusammen mit Tausenden Fans schrammt der FV Illertissen hauchdünn an der großen Sensation vorbei

Stefan Dömsödi ist heiser. Doch immer wieder brüllt er in das Megafon, singt und treibt die Tausenden Fans vor ihm weiter an. Er ist der Illertisser Trommler, der über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist. Ein Antreiber und ein Stimmungsmacher. Und jemand, der den totalen Fußball-Wahnsinn verkörpert, den am Sonntagnachmittag mehr als 10.000 Fans im Ulmer Donaustadion durchleben. In einem Spiel im DFB-Pokal, bei dem Werder Bremen rudert. Und die Amateure aus der Vöhlinstadt die Anhänger immer wieder auf eine emotionale Achterbahn schicken.

Während Dömsödi dort auf dem Zaun sitzt, lacht er immer wieder und singt die Internationale des FVI. Er wird von vielen Fans fotografiert. Dabei wollen sie aber nicht nur den berühmten Trommler ablichten, sondern auch, was er trägt. Es ist ein einzigartiges Trikot. Eines, das ihm seine Schwiegermutter genäht hat. Auf der einen Seite ist es das Jersey des SV Werder Bremen. Auf der anderen das des FV Illertissen. Es soll die zwei Herzen zeigen, die heute in Dömsödis Brust schlagen. „Ich bin seit ewig Werder-Bremen-Fan. Und liebe den FVI“, erklärt er lachend. Seine Stimme ist kratzig. Aufgearbeitet wie die Fußballer auf dem Rasen.

Dort liefert sich der FVI einen schnellen Schlagabtausch mit den Profis aus Bremen. Millionenkader gegen Amateure. Eine Wand aus 3000 Werder-Fans springt auf den Tribünen und ihre Gesänge beschallen das ganze Stadion. Es sind die Ultras – der harte Kern –, die dem Bundesligisten durch die Republik nachreisen. Erfahrene Stimmungsanheizer, die auch die vielen Illertisser Anhänger immer wieder übertönen. Zu diesen eisernen Fans gehören auch Patrick Koras und Arne Meseke aus Bremerhaven. 727 Kilometer sind sie nach Ulm gefahren. Gut sechs Stunden. „Ist schon ein bisschen verrückt, oder?“, fragt Arne und zuckt mit den Achseln. Ohne eine Antwort abzuwarten nickt er. „Ja. Auf jeden Fall.“

Arne und seine Freunde fahren gut 30-mal im Jahr dem SV Werder hinterher, wie sie sagen. „Bei Auswärtsspielen erlebst du immer was“, sagen sie. Arne erzählt von verlorenen Autotüren, bayerischem Essen und Erfahrungen mit eben diesem. Für ihn ist die Fahrt nach Ulm auch ein Ausflug. „Wir haben gesagt: Wir fahren auf jeden Fall zum Pokalspiel. Wer weiß, ob es noch ein zweites geben wird.“ Er blickt auf den Rasen und schnaubt. Unentschieden. Es ist ein Spiel, das an den Nerven der Bremer Fans nagt.

Der FV Illertissen gibt nicht auf. Nach einem frühen Rückstand kämpft sich die Truppe zurück. Und zwingt die großen Stars aus Bremen sogar in die Verlängerung. Was folgt, sind 30 Minuten des kompletten Irrsinns. Vor allem auf der Stehtribüne des FVI durchleben die Fans eine Achterbahn der Gefühle. Immer wieder schütteln die Fans den Kopf, während auf dem Rasen die Außenseiter an der Sensation vorbeischrammen. Sie vergeben Chancen und brechen ein. Bremen führt mit zwei Toren.
Die Resignation der Fans auf der Tribüne ist spürbar. Das Trommeln wird leiser und auch die Gesänge verstummen für einige Minuten. Vor ihnen stehen die Verantwortlichen des FVI auf der Laufbahn im Donaustadion. Auch sie seufzen und schütteln den Kopf. Gleichzeitig haben sie jedoch auch ein Lächeln auf den Lippen. Vor allem Toni Endler ist zufrieden. Der Vorsitzende der Illertisser Fußballer hatte 10.000 Besucher im Stadion als „Traum“ bezeichnet. Nun kann er 10.205 Besucher begrüßen. Und als Illertissen auch noch den Anschlusstreffer macht, lacht er.

Es sind diese Minuten zwischen Niederlage und Freude, die auch die Fans bewegen. Das Stadion ist gut gefüllt, das Wetter toll und die eigene Mannschaft, ein Viertligist, hat dem großen SV Werder zwei Tore eingeschenkt. Doch ganz zufrieden sind sie dennoch nicht. Es wäre einfach mehr drin gewesen. Schuld daran, dass es nicht geklappt hat: der Schiedsrichter. Da sind sich die Fans einig und lassen es die Bremer auf dem Feld auch wissen.

In all dem Wahnsinn rufen auch Daniel Stoerk, Marc Bauer und Andreas Klimowitsch dazwischen. Sie sind eingeschworene FVI-Fans. Enttäuscht sind die drei in ihren Pokal-Kracher-Shirts nicht. „Die Jungs auf dem Feld haben so viel erreicht und ein tolles Spiel gezeigt. Wir werden feiern.“

Aufrufe: 018.8.2014, 14:32 Uhr
Illertisser Zeitung / Wolfgang HolzhauserAutor