2024-04-25T08:06:26.759Z

Interview
Immer drin im Getümmel: Andreas Voglsammer nimmt es mit drei Gegenspielern vom FC Reading auf.
Immer drin im Getümmel: Andreas Voglsammer nimmt es mit drei Gegenspielern vom FC Reading auf. – Foto: IMAGO/Brian Tonks

Andreas Voglsammer im Interview: Ein Dorfener in London

"Hier läuft jeder mit offenem Visier auf"

Andreas Voglsammer spricht über seinen Wechsel von Union Berlin zum englischen Zweitligisten FC Millwall und erklärt seine Ladehemmung.

Dorfen/Millwall – Profifußballer in England – als Andreas Voglsammer im August in Berlin die Koffer packte, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. Oder zumindest ein Träumchen, denn der 30-Jährige wechselte von der Bundesliga zum FC Millwall in die 2. englische Liga, die offiziell Football League Championship heißt und mit 24 Teams eine lange, strapaziöse Saison garantiert. Auch den Sprung in die Premier League traut er sich zu, wie er im Interview mit der Heimatzeitung verriet.

Jetzt gilt seine ganze Konzentration aber erst einmal dem Verein im Westen Londons, der nach 13 Spielen auf Rang acht steht und damit alle Chancen hat, unter die Top Sechs zu kommen, die am Saisonende den Aufsteiger in die Premier League ausspielen. Elf Spiele hat Voglsammer für die Lions bestritten, bei denen er einen Einjahresvertrag samt Option auf eine weitere Saison unterzeichnet hat. Ein Tor ist ihm noch nicht gelungen – was ihn wurmt, was aber zum Beispiel für Clubmanager Gary Rowett kein Problem ist, wie dieser der London News Online erklärte. Erstens spiele Voglsammer auf einer ungewohnten Position, zweitens habe er in der Bundesliga lange nicht mehr in der Startelf gestanden. Doch nun gehe es aufwärts. „Seine Leistungen wurden mit jedem Spiel besser.“ Und gerade im taktischen Bereich helfe er seinem Team sehr. Rowett ist sich sicher: „Dieses erste Tor wird sehr bald fallen.“

Herr Voglsammer, wie haben Sie sich in England eingelebt?

Es gefällt mir sehr gut hier. Das normale Essen vermisse ich halt. English Breakfast ist überhaupt nicht mein Fall.

Wohnen Sie im Hotel?

Jetzt nicht mehr. Ich habe vor eineinhalb Monaten eine Wohnung gefunden. Und noch bin ich hier allein.

Und wie ist London so?

Die Stadt ist schon sehr crazy. Das gefällt mir sehr gut hier. Es ist zwar alles sehr groß und immer busy, aber es hat schon seinen Charme. Die typischen Touri-Spots habe ich mir schon angeschaut. Der Rest wird noch kommen.

Sie sind von der Bundesliga in die englische 2. Liga gewechselt – wie kam es dazu?

Es war immer mein Traum, in England zu spielen. Nun hat sich diese Möglichkeit ergeben. Und da ich bei Union aus meiner Sicht zu wenig Spiele von Anfang an hatte beziehungsweise mir die Spielzeit gefehlt hat, wollte ich das unbedingt machen.

Wie würden Sie den Stellenwert der Football League Championship beschreiben?

Qualitativ ist sie besser als die 2. Bundesliga, taktisch schlechter. Da sind die Spieler in Deutschland viel besser ausgebildet. Und mit der Bundesliga kann sie generell nicht mithalten. Natürlich ist das hier ein ganz anderer Fußball, eine völlig andere Welt. Hier wird nicht so viel Wert auf Taktik gelegt, das ist nicht so das große Ding. Hier läuft jeder mit offenem Visier auf.

Das körperliche Spiel müsste Ihnen gefallen.

Ja, ich komme gut zurecht. Ich habe es mir auch schlimmer vorgestellt. Manchmal ist es zwar schon extrem, wie die Gegenspieler einsteigen, aber ich dachte, dass es noch heftiger wäre.

Der Verein lobt Ihre Entwicklung.

Man muss hier ja erst einmal ankommen. Das ist nicht so einfach. Das British-English ist doch was anderes als das Englisch, das wir so kennen. Nicht ganz so einfach, alle zu verstehen.

Und Ihr Spiel....

...hat sich deshalb schon verändert, weil ich jetzt auf dem rechten Flügel unterwegs bin.

Mit einem Tor hat’s bisher noch nicht geklappt.

Es ist nicht ganz so einfach, auf dem rechten Flügel so in die Räume zu gehen, wie ich es auf der linken Seite hätte. Denn da könnte ich nach innen ziehen und mit meinem starken rechten Fuß abziehen. Ich bin noch nicht in klare Abschlusssituationen reingekommen, aber mit sehr vielen Defensivsituationen beschäftigt. Ich muss erst mal schauen, dass wir hinten gut stehen. Irgendwann fällt mir der Ball dann schon vor die Füße, und dann brauche ich ihn nur noch reinzuschieben. Das wird schon kommen. Natürlich stellt mich das nicht zufrieden, dass ich noch kein Tor auf dem Konto habe.

Chancen waren ja da.

Da waren schon ein paar Dinger dabei – vor allem in den ersten beiden Spielen, als ich die Latte getroffen habe. Meine besten Chancen hatte ich aus der Distanz. In die Box bin ich noch nicht reingekommen. Es ist auch nicht so einfach, so wie wir es spielen, dass man als Außenstürmer recht viele Chancen bekommt.

Momentan steht der FC Millwall auf Platz acht. Was sind eure Ziele?

Natürlich hätte ich Bock auf die Premier League. Ich werde alles daran setzen, dass wir oben dran bleiben und in die Playoffs kommen. Ich werde mir den Allerwertesten aufreißen, damit wir das schaffen, was uns von außen eigentlich niemand zutraut.

Die Premier League als Ihr großes persönliches Ziel?

Natürlich. Klar, ich bin nicht mehr der Jüngste. Aber diesen Fußball in der besten Liga der Welt, zumindest was das Spieler angeht, die Masse an Weltklassespielern, das würde ich schon gern erleben. Dafür arbeite ich noch ein paar Jahre hart, damit ich das noch hinkriege.

Bielefeld ist Letzter in der 2. Liga, Union führt die Bundesliga an – extremer geht’s ja kaum bei Ihren beiden Ex-Vereinen?

Das kann man wohl so sagen. Arminia hat eine unfassbar hohe Qualität in der Mannschaft – besser vielleicht als in unserer Aufstiegssaison. Vielleicht passt es aber innerhalb in der Mannschaft nicht. Irgendwas muss da sein. Ich habe noch viel Kontakt. Aber es fehlen eben gerade wichtige Eckpfeiler wie Klosi (Fabian Klos) und Prieti (Manuel Prietl). Und Bastian Oczipka kam auch erst spät. Ich versuche noch immer, jedes Spiel zu schauen, und drücke die Daumen.

Kommen wir zu Union und den tollen Erfolgen.

Das war ja vergangenes Jahr ähnlich. Wie oft haben wir – wie zum Beispiel in Gladbach – aus dem Nichts das 1:0 gemacht. Damals meinte ein Spieler zu mir: Was sind wir nur für eine Truppe? Aber so ist es eben. Jeder hasst es, gegen Union zu spielen, weil es so eklig ist, weil jeder für den anderen läuft. Und anscheinend sind die Jungs heuer noch konstanter. Wir haben uns zu Beginn der Saison – da war ich ja auch noch dabei – das Ziel gesetzt, auch mal gegen die Großen zu punkten. Prompt haben die Jungs gegen Bayern und Dortmund vier Punkte geholt. Mich freut’s. Ich verfolge das auch weiterhin. Ich habe noch viele Freund ein Berlin.

Wann sehen wir Sie in Deutschland wieder?

So oft werde ich nicht heimkommen, weil wir extrem viele Spiele haben. Ich muss mir das einteilen, denn das sind schon gewisse Reisestrapazen. Einmal war ich schon daheim. Im November werde ich wieder da sein, wenn wir unsere Winterpause haben, die eigentlich keine ist.

Warum?

Nun ja, wir haben insgesamt eine Woche frei, während die deutschen Vereine vier oder fünf Wochen pausieren. Anfang Dezember geht’s schon wieder weiter.

Aufrufe: 021.10.2022, 17:59 Uhr
Dieter PriglmeirAutor