Schiedsrichter werden eigentlich nur wahrgenommen, wenn sie schlecht pfeifen. Dann wird geschimpft. Sind sie gut, werden sie ignoriert. Nix g'sogd is g'lobt gnuah - ist oft das Motto. FuPa will das in der Winterpause ändern. Mit der Serie "Alte Pfeifen", in deren Rahmen altgediente Unparteiische auf Kreisebene in den Fokus rücken. Männer (und auch Frauen), die jede Woche dafür sorgen, dass die unzähligen Amateurspiele überhaupt über die Bühne gehen können. Teil 11: Egon Thallinger (68 Jahre/SV Hebertsfelden)
Bitte stelle zunächst einmal die Eckpunkte Deiner Schiedsrichter-Karriere dar.
Ich wollte schon immer die andere Seite des Fußballspiels kennenlernen. Mit 33 Jahren musste ich dann, nach einer langwierigen Verletzung, als aktiver Spieler in der ersten Herrenmannschaft des SV Hebertsfelden aufhören, so dass ich 1990 den Lehrgang zum Schiedsrichter absolvierte. Über die damalige C-, B- und A-Klasse (heutige Kreisliga, damals ohne Assistenten) schaffte ich es noch in die Bezirksliga. Von Beginn an war ich auch als Assistent acht Jahre in der damaligen Bezirksoberliga unterwegs. Bis heute begleite ich unsere jungen Talente auf ihrem Weg nach oben mit Tipps und Ratschlägen in der Kreis- und Bezirksliga. Außerdem bin ich noch aktiv als sogenannter Pate unserer jungen Neulinge bei ihren ersten Einsätzen unterwegs. Bis dato habe ich zirka 1.400 Spiele geleitet und hatte zusätzlich etwa 700 Einsätze als Assistent.
„Nie im Leben“, ist oft zu hören, wenn eigentlich Fußballbegeisterte darauf angesprochen werden, ob sie denn nicht Unparteiischer werden möchten. Warum gilt für Dich „liebend gerne“?
Ein Spiel zu leiten, prägt die Persönlichkeit auf vielschichtige Art und Weise. Der Umgang mit verschiedenen Charakteren, schnelle neutrale Entscheidungen treffen und Kritikfähigkeit lernen, sind Bestandteile eines guten Schiedsrichters. Zusätzlich lernt man das Regelwerk zu verstehen und umzusetzen. Vor allem aber auch sieht man viele tolle Vereine mit ihren Funktionären und Sportanlagen. Nebenbei ist man bis ins hohe Alter noch sportlich unterwegs.
Das wohl gewichtigste Contra-Argument gegen eine Karriere an der Pfeife sind Anfeindungen. Wie oft wirst Du verbal angriffen? Wie gehst Du damit um? Wurdest Du sogar schon einmal körperlich angegangen?
Erfreulicherweise war ich als leitender Schiedsrichter noch nie solchen Anfeindungen ausgesetzt. Außer der übliche Kritik und Beschimpfung, die sich alle im normalen Rahmen bewegten, gab es keine Probleme. Als Assistent erlebte ich allerdings vor vielen Jahren ein Bezirksligaspiel um die Meisterschaft am vorletzten Spieltag, das komplett aus dem Ruder lief. Drei Platzverweise (2 x Heim, 1 x Gast) und drei Elfmeter (1 x Heim, 2 x Gast) führten fast zu einem Spielabbruch. Mit größten Mühen wurde das Spiel zu Ende gebracht und nur unter dem Schutz etlicher Ordnungskräfte konnten wir den Platz verlassen.
Wie würdest Du Dein Auftreten als Schiedsrichter beschreiben? Bist Du eher der autoritäre Typ, der keinen Widerspruch duldet – oder eher der Freund auf dem Feld, der vieles über Zwischenmenschlichkeit regelt?
Weder, noch! Die Art der Spielleitung richtet sich immer nach dem Charakter eines Spieles. Tabellensituation, Derby, aber auch Platzverhältnisse beeinflussen die Herangehensweise, um das Wichtigste, die Spielkontrolle, zu erreichen. Ich versuche stets, auf kameradschaftlicher Basis zu agieren. Andernfalls wende ich aber auch die härtere Gangart an.
Was hat sich im Umgang auf dem Sportplatz im Vergleich zu früheren Tagen verändert?
Insgesamt nicht so Gravierendes. Es gab zu allen Zeiten Beschimpfungen, Beleidigungen und Kritik unter der Gürtellinie. Ein Fußballplatz war und ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Selbstverständlich muss sich auch ein Schiedsrichter auf die Verhältnisse am Fußballplatz einstellen und damit klar kommen. Beim Überschreiten einer gewissen Grenze habe ich ja die Möglichkeit, dies zur Meldung zu bringen.
Wenn Du einen Wunsch frei hättest: Welche Regel würdest Du sofort abschaffen?
Meines Erachtens haben alle Fußballregeln ihren Sinn und Zweck. Einige Regularien sind in der Praxis zwar etwas schwierig umzusetzen, helfen aber dem Schiri insgesamt bei der Spielleitung. Lediglich die ausufernden Bestimmungen über das Spielrecht im Jugend- und Herrenbereich sind meiner Meinung nach schwer zu händeln. Ich würde mir wünschen, im Zeitalter des elektronischen Spielberichts, dass von Verbandsseite die Spielrechtsprüfung dem Schiedsrichter erleichtert wird.
Wann ist ein Handspiel ein Handspiel: Kannst Du das möglichst einfach erklären?
Für ein strafbares Handspiel gibt es drei entscheidende Krirterien: offensichtliche Absicht, unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche und unmittelbarer Zusammenhang mit einem Tor. Zusätzlich ist die Distanz vor dem vermeintlichen Handspiel ebenso entscheidend wie die klare Sicht auf den Ball.
Gibt es das eine Spiel in Deiner Karriere, das hängengeblieben ist?
Bayernliga A-Jugendspiel, 1. FC Passau gegen TSV 1860 München, Mitte der 90er Jahre. In der 2. Halbzeit war das Dreiflüsse-Stadion restlos gefüllt, da danach die gleichlautende Begegnung in der damaligen Herren-Bayernliga (3. Liga) anstand. Der Einsatz als Assistent vor zirka 12.000 Zuschauern bleibt mir unvergesslich.
Die Schiedsrichter werden immer weniger, manche Spiele können nicht mehr besetzt werden. Wie lässt sich diesem Trend entgegenwirken?
Ich denke, die Talsohle bei der Neulingsgewinnung ist mittlerweile durchschritten. Durch vielschichtige Werbeaktionen des Bayerischen Fußballverbandes ist die vergangenen zwei Jahre eine Kehrtwende eingetreten. Die wachsende Anzahl der Teilnehmer bei den Neulingskursen belegen dies. Vielleicht entscheidend war die deutliche Erhöhung der Schiedsrichterspesen. Ich hoffe, dieser Trend ist keine kurzfristige Erscheinung.
Abschließend der Blick in die Zukunft: Wie lange bleibst Du noch am Ball?
Eigentlich möchte ich schon noch einige Jahre als Schiedsrichter tätig sein. Jedoch bin ich derzeit durch eine hartnäckige Verletzung sehr eingeschränkt einsetzbar und nur als Assistent unterwegs. Sollte sich dies mittelfristig nicht wieder bessern, trage ich mich mit dem Gedanken, eventuell nur noch als Beobachter tätig zu werden.
Danke für das Gespräch - und weiter gut Pfiff!