2024-04-23T13:35:06.289Z

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Schwabens Schiedsrichterobmann Christoph Kern (links) und der Augsburger Kreisobmann Thomas Färber erklären, warum in zwei B-Klassen keine Unparteiischen mehr geschickt werden.   F.: Walter Brugger
Schwabens Schiedsrichterobmann Christoph Kern (links) und der Augsburger Kreisobmann Thomas Färber erklären, warum in zwei B-Klassen keine Unparteiischen mehr geschickt werden. F.: Walter Brugger

Zu viele Spiele und zu wenig Personal

Bezirksobmann Christoph Kern und Augsburgs Schiedsrichter-Chef Thomas Färber erklären, warum in zwei B-Klassen auf neutrale Referees verzichtet werden muss

Die wichtigste Person in jedem Fußballspiel ist der Mann mit der Pfeife. Ohne den Schiedsrichter läuft nichts. Kein Anstoß, kein Strafstoß, keine Auswechslungen. Die Spielleitung ist ein anspruchsvoller Job, den sich nicht viele Menschen zutrauen. Und der darüber hinaus mit einem großen Zeitaufwand verbunden ist. Deshalb haben die Schiedsrichtervereinigungen bayernweit mittlerweile große Probleme, die zahlreichen Fußballspiele im Amateurbereich zu besetzen. Als Konsequenz müssen die Vereine in zwei Augsburger B-Klassen ab der Frühjahrsrunde komplett auf offizielle Schiedsrichter verzichten.

Woher kommt der Schiedsrichtermangel?

Für den Augsburger Schiedsrichterobmann Thomas Färber (35) liegt der Personalengpass vor allem daran, dass viele ältere Kollegen ihre aktive Laufbahn vorwiegend aus gesundheitlichen Gründen beendet haben. Kollegen, die pro Wochenende schon mal zwei, drei oder noch mehr Spiele gepfiffen hätten. „Das lässt sich mit der jungen Schiedsrichter-Generation aber nicht auffangen“, gibt Färber zu bedenken. Denn die Vielzahl von jüngeren Unparteiischen möchte sich aus persönlichen oder beruflichen Gründen auf nur ein Spiel pro Wochenende beschränken. Besonders schwierig zu besetzen seien die Sonntagsspiele: „Viele wollen selbst spielen. So entstehen unsere Lücken. Zumal der Engpass in der Stadt noch größer ist als auf dem Land.“ Der schwäbische Schiedsrichterobmann, Dr. Christoph Kern (34) gibt ein Beispiel. Allein in Schwaben musste er an einem normalen Oktober-Wochenende 868 Schiedsrichterpositionen (also Schiedsrichter und Assistenten) besetzen. „Die Zahl ist nicht fix und schwankt natürlich von Spieltag zu Spieltag, an manchen Wochenenden sind es sogar noch mehr“, so Kern.

Was sind die Folgen?

Aufgrund des Personalmangels hat die Schiedsrichtervereinigung Augsburg beschlossen, ab dem Start der Frühjahrsrunde ab 24. März die B-Klassen Augsburg-Südost und Augsburg-Mitte nicht mehr zu besetzen. Ab sofort muss der gastgebende Verein aus den eigenen Reihen einen „Schiedsrichter“ stellen. „Vom Grundsatz her kann das jeder machen. Er bekommt die volle Strafgewalt über das Spiel, die kompletten Rechte und Pflichten eines Schiedsrichters“, sagt Thomas Färber. Natürlich sei das eine hohe Verantwortung, die nun auf die Vereine übertragen wird. „Wir haben die Entscheidung lange vor uns hergeschoben, aber jetzt können wir einfach nicht mehr verantwortungsbewusst besetzen.“ Schließlich gehe die Gesundheit der Unparteiischen vor, eine dosierte Einsetzung müsse gewährleistet sein – nicht erst, seit der Kollege Franz Fahrmeier aus der Schiedsrichtervereinigung Augsburg während eines Spiels einem Herz-Kreislauf-Versagen erlag.

Wo liegen die Grenzen?

Die Schiedsrichtervereinigungen orientieren sich an der Prioritätenliste des Bayerischen Fußball-Verbands. Und dort steht die Förderung der Jugend an erster Stelle. „Am liebsten würde ich natürlich alle Spiele besetzen“, sagt Christoph Kern, „aber wenn das nicht geht, besetze ich lieber die Jugendspiele als die der B-Klasse. Die Jugend hat Vorrang, denn das ist unsere Basis, da müssen wir dranbleiben.“

Wo könnten Probleme auftreten?

Sowohl Färber als auch Kern gehen davon aus, dass sich die Situation ohne „neutralen“ Schiedsrichter in den B-Klassen einspielen wird. Dass es für „Vereins-Schiris“ Probleme aufgrund des Vorwurfs der Parteilichkeit geben könnte, räumen sie ein. Sie gehen aber davon aus, dass es sich wohl nur um „Einzelfälle“ handeln dürfte. Es gehe schließlich um die niedrigste Spielklasse. „Und im Großen und Ganzen ist die Kommunikation mit den Vereinen sehr positiv“, betont Kern.

Wie kann der Personalengpass gelöst werden?

Färber und Kern hoffen, dass sich für die Schiedsrichter-Lehrgänge im Frühjahr wieder zahlreiche junge Leute anmelden. Mit 25 Teilnehmern sei der letzte Neulingskurs der Schiedsrichtergruppe Augsburg gut besetzt gewesen. Die beiden Schiedsrichterobmänner halten aber nicht viel davon, wenn Fußballvereine nun wahllos Kandidaten anmelden, um mögliche Strafzahlungen zu umgehen. Denn Vereine, die zu wenige Schiedsrichter stellen, werden vom Verband zur Kasse gebeten. „Für uns gilt trotzdem weiterhin Qualität vor Quantität“, sagt Färber, „es hilft weder dem Verein, noch unserer Jugendarbeit, wenn jemand geschickt wird, der sich gar nicht für das Schiedsrichterwesen interessiert.“

Wie sieht die Ausbildung zum Fußball-Schiedsrichter aus?

Ein Neulingskurs dauert etwa fünf bis sechs Tage. Dabei wird der Schiedsrichter-Anwärter mit theoretischem Wissen ausgestattet. Danach ist er aber nicht mehr wie früher auf sich allein gestellt, sondern es greife ein „umfangreiches Betreuungsprogramm“, wie es Dr. Christoph Kern bezeichnet. Die jungen Schiedsrichter werden beispielsweise in sogenannten „Tandemspielen“ von einem erfahrenen Kollegen angeleitet und unterstützt oder haben als Assistenten Einsätze an der Seitenlinie. Regelabende, Gruppentreffen und Bundesligabesuche runden das Programm ab, „damit sich die Jungs und Mädchen nicht allein und überfordert fühlen“, so Kern.

Welche Motivation gibt es, Schiedsrichter zu werden?

Bei dieser Frage kommt Dr. Christoph Kern ins Schwärmen. Mit 14 Jahren hat er selbst mit dem Pfeifen begonnen, heute ist er Richter. „Ich habe das Hobby quasi zum Beruf gemacht“, sagt er, „für die Persönlichkeitsentwicklung ist das ein Plus, das kein anderes Hobby bietet.“

Aufrufe: 02.3.2017, 12:30 Uhr
Augsburger Allgemeine / Andrea Bogenreuther, alkAutor