2024-05-10T08:19:16.237Z

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Ade WFV, hello America! Nico Engelking geht für ein Jahr in die USA, wird dort für die Charleston Golden Eagles auflaufen und dank Stipendium günstig studieren können. F: Becker
Ade WFV, hello America! Nico Engelking geht für ein Jahr in die USA, wird dort für die Charleston Golden Eagles auflaufen und dank Stipendium günstig studieren können. F: Becker

Phänomen College-Soccer: Warum's so viele in die USA zieht

Nico Engelking (21) sagt dem Würzburger FV zumindest für ein Jahr auf Wiedersehen und wagt wie viele seine Altersgenossen den Sprung in den US-amerikanischen College-Soccer +++ Wieso und weshalb? FuPa hat sich auf Sprurensuche begeben

Der Reiz ist groß, sehr groß: Die USA sind für viele junge Menschen immer noch ein Sehnsuchtsort. Was im Allgemeinen gilt, gilt im Speziellen für Fußballer nicht unbedingt - möchte man meinen. "Soccer" ist auf der anderen Seite des großen Teichs noch immer eine verhältnismäßig kleine Nummer, nicht zu vergleichen mit dem Status, den das runde Leder in Europa genießt. Und doch zieht es immer mehr junge Kicker in die Vereingten Staaten. Warum das so ist? FuPa hat sich auf Spurensuche begeben.

Nico Engelking vom Würzburger FV hat es geschafft. Der 21-Jährige hat eines der heißbegehrten Stipendien an einer US-Universität ergattert, genauer gesagt in Charleston im Bundesstaat West Virginia. Für die Golden Eagles, das Fußballteam der Universität, wird der Mittelfeldmann ein Jahr lang die Schuhe schnüren und Sportmanagement studieren. Am 31. Juli geht das Abenteuer los. "Das wird nicht nur als Sportler eine Riesenerfahrung für mich", ist er sich sicher. Ein Jahr will er zunächst einmal bleiben, dann will er weitersehen. Viel Freizeit wird Nico Engelking demnächst allerdings nicht haben, sein Alltag wird streng durchgetaktet sein. "Da im US-Sport die Jugendarbeit Sache der Unis ist und die Profiklubs dahingehend nicht ausbilden, läuft das alles ziemlich professionell ab. Das ist in etwa vergleichbar mit den NLZs der Profivereine. Ich werde mit meinem Team täglich Training haben, das ist aber optimal abgestimmt mit den Vorlesungen an der Uni", betont der 21-Jährige. Studieren in den USA ist teuer: Im Durchschnitt kostet es pro Jahr 12.000 Euro an Gebühren - Verpflegung und Unterkunft noch gar nicht berücksichtigt. Mit einem Stipendium können die Kosten deutlich reduziert werden. Damit können die jungen Kicker relativ kostengünstig einen Abschluss an einer renommierten US-Uni einheimsen und zugleich auf einem professionellen Niveau Fußball spielen. Diese Konstellation hat auch bei Engelking den Ausschlag gegeben: "An der Uni, an der ich bin, würde die Gebühr rund 50.000 Dollar betragen. Dank meines Stipendiums wird der Großteil davon übernommen, ich muss nur einen marginalen Beitrag dazu leisten."

Plan B, wenn`s zuhause nicht klappt mit der angepeilten Profikarriere.

Darüber hinaus ist der Sprung über den großen Teich für viele Kicker mit Profiambitionen der Plan B. Bestes Beispiel dafür ist Julian Gressel. Der Franke genoss seine fußballerische Ausbildung bei der SpVgg Greuther Fürth. Der Schritt in den heimischen Profibereich blieb ihm allerdings verwehrt. Nach den Stationen FC Eintracht Bamberg und TSV Neustadt/Aisch zog es ihn 2013 im Alter von knapp 20 Jahren ans Providence College in Rhode Island. Gressel startete bei den "Providence Friars" durch und wusste auf Anhieb voll zu überzeugen. 2017 war es dann soweit: Das neugegründete Franchise Atlanta United ging erstmals in der Major League Soccer (MLS) an den Start. Das Team aus Georgia wählte im sogenannten "Draft" - dem Auswahlverfahren der Talente, das nach dem Studienabschluss stattfindet - den jungen Mann aus Deutschland. Gressel war auch in der höchsten Liga Nordamerikas kaum zu stoppen, erreichte mit seinem Team aus dem Stand die Playoffs und wurden in seiner Premierensaison zum "Rookie" des Jahres gewählt. Den Werdegang kennt natürlich auch Nico Engelking. "Ich gehe sicher nicht primär in die Staaten, um Profi zu werden. Aber es schon so, dass es für viele Talente, die es in Europa oder Südamerika nicht schaffen, eine zweite Chance ist. In meiner Mannschaft ist zum Beispiel nur ein einziger US-Amerikaner." Der Fußball im Land des Baseball und American Football ist anders, es wird viel mehr Wert auf Dynamik und Athletik gelegt. Technik und Taktik steht dagegen erst maximal an zweiter Stelle. Das kommt Engelking entgegen: "Ich passe gut zum amerikanischen Fußball, weil ich einfach über die Schnelligkeit und über die Athletik komme. Vor zwei Monaten habe ich schon einen auf mich abgestimmten Trainingsplan erhalten, der viel Krafttraining beinhaltet. Ich will einfach dort meine Grenzen ausloten und den Willen aufbringen, mich durchzusetzen."

»Berufliche Ausbildung und hochklassiger Fußball lässt sich in den USA viel besser verbinden.«

Die Kaderplätze in den College-Teams sind demnach äußerst begehrt. Wie kommt man also da rein? Das Prozedere ist ziemlich aufwendig. "Ich habe mich bei einer Agentur beworben, die dann von mir ein Spielerprofil erstellt hat. Entscheidend ist aber ein Video von sich selbst, das jeder Spieler einreicht. Damit steht und fällt alles. Die Coaches der College-Teams sehen sich die Clips an und entscheiden, ob sie einen brauchen können oder nicht", erzählt Engelking von dem Auswahlverfahren und erklärt weiter: "Mit 30 bis 40 Unis bin ich dann in Kontakt getreten per E-Mail. Mit 20 wurde es dann konkreter und die Trainer haben Gespräche mit mir geführt. Vier bis fünf Universitäten waren in der engeren Auswahl und schließlich habe ich mich für Charleston entschieden. Ich habe mit meinen Eltern darüber geredet, aber um ehrlich zu sein habe ich nicht lange gebraucht, um mich zu entscheiden." Eine tolle Erfahrung steht dem 21-Jährigen in jedem Fall bevor, und wenn fußballerisch nicht alles nach Plan läuft, halb so schlimm. Denn dann hat Nico Engelking zumindest günstig einen akademischen Abschluss in der Tasche. Diese ausgeklügelte Kombination aus hochklassigem Fußball und beruflicher Ausbildung wirkt auf Kicker weltweit anziehend. "Mein Zimmerkollege ist ebenfalls 21 und kommt aus Spanien. Er hat in der zweiten Liga gespielt, aber für ihn ist es einfach zu riskant, alles auf die Karte Profi zusetzen. Verletzt er sich schwer, steht er in Spanien auf der Straße. Berufliche Ausbildung und hochklassiger Fußball lässt sich in den USA viel besser verbinden." Sich die Chance auf den Traum Profifußball erhalten, nebenbei zudem eine hochwertige berufliche Ausbildung zu erhalten. Ein zweites Standbein zu haben, aber zeitgleich nicht all seine Hoffnungen begraben zu müssen. Das ist also der Hauptgrund, warum es viele ambitionierte junge Kicker in die nicht gerade für ihre Fußballkultur bekannten Vereinigten Staaten zieht.



Aufrufe: 011.7.2018, 15:31 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor