2024-05-02T16:12:49.858Z

Turnier
Hans-Peter Briegel (Mitte, li.) im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1982 in Spanien im Finale gegen Italien (Endstand: 1:3) im Zweikampf mit Bruno Coni (rechts). Im Hintergrund: Paolo Rossi, WM-Torschützenkönig
Hans-Peter Briegel (Mitte, li.) im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1982 in Spanien im Finale gegen Italien (Endstand: 1:3) im Zweikampf mit Bruno Coni (rechts). Im Hintergrund: Paolo Rossi, WM-Torschützenkönig
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Wo sind die Erben von "Crazy Horse"?

Die Schwäbische Zeitung stellt die teilnehmenden Vereine des Intern. U17-Juniorenfußballturniers um den Silphienergie-Cup 2019 vor.

Bad Saulgau / - Erstmals seit 2006 (damals war es ausgerechnet Chievo Verona) kann der FC Ostrach wieder Gäste aus Italien beim internationalen Juniorenfußballturnier begrüßen. Mit Hellas Verona und Parma Calcio gastieren gleich zwei Mannschaften von der Apennin-Halbinsel im Buchbühl. Die Schwäbische Zeitung stellt die Vereine hinter den Mannschaften vor, die am Internationalen U17-Juniorenfußabllturnier um den Siliphienergie-Cup teilnehmen. Heute: Hellas Verona, schon einmal, 1989, zu Gast im Buchbühl.

Hellas Verona hat - zugegebenermaßen - schon bessere Zeiten im italienischen Profifußball gesehen. Es war das Jahr 1985, am 1. Januar führte die Schweiz Autobahngebühren ein, Michail Gorbatschow wurde Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und - wenigstens hier nichts Neues: Großbritannien trat aus einer Organisation aus - aus der Unesco, zickte aber nicht rum. Sportlich gab es zwei Premieren: Boris Becker gewann Wimbledon, Golfer Bernhard Langer das US Masters in Augusta. Und: Hellas Verona sicherte sich zum ersten und bislang letzten Mal - den Scudetto, die italienische Fußball-Meisterschaft, vor der versammelten Konkurrenz aus Mailand, Rom, Turin und Neapel, zu dem gerade der wohl beste Fußballer aller Zeiten, Diego Armando Maradona, gewechselt war. Für Hellas Verona spielten damals sprichwörtlich andere Kaliber. Die "Walz von der Pfalz", Hans-Peter Briegel, war im Sommer 1984 nach Verona gewechselt. Der Ex-Zehnkämpfer brachte einen völlig unitalienischen Spielstil mit und hatte auf Anhieb Erfolg. Mit im Team standen das dänische "Enfant terrible" Preben Elkjaer Larssen und der deutsche Youngster Thomas Berthold, gut eine Dekade bevor er als Profi-Golfer über den Umweg AS Rom, zum FC Bayern ging. Hinzu kamen einige italienische Spieler, die Briegel noch heute zur Top 11 seiner ehemaligen Mitspieler zählt, wie Antonio Di Gennaro und Pietro Fanna. Briegel, der in 55 Spielen in zwei Jahren für Hellas zwölf Tore erzielte, erinnerte sich später einmal ans Meisterjahr unter Trainer Osvaldo Bagnoli: "Unseren Meistertitel haben wir mit nur 18 Spielern geholt – inklusive zwei Torhütern und zwei Nachwuchsspielern, die noch nicht mal immer beim Training waren", zog er - wohl eher unbewusst eine Parallele zu manchem Amateurverein. "Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie das möglich war. Wenn man sich das Bild von der Meisterfeier heute anguckt, wirkt es so, als ob da Spieler fehlen würden. Aber nicht nur deswegen war es eine Sensation, dass wir die Meisterschaft gewonnen haben. Hellas Verona war damals eine Provinzmannschaft(...) Normalerweise geht der Titel in Italien immer an die Vereine aus den großen Städten wie Mailand, Turin, Neapel, Genua oder Rom. Wir waren die letzten, die diese Riege durchbrochen haben."

Aktuell Fünfter in der Serie B

Es war gleichzeitig der einzige Titel für den 1903 von Schülern eines Gymnasiums gegründeten Klub, der nur aufgrund der Intervention eines Professors den Beinamen "Hellas", also Griechenland erhielt, der in diesem Zusammenhang aber "Heimat" bedeutet. Die Vereinsfarben sind Gelb und Blau, weshalb Hellas den Spitznamen "Il Gialloblù" (dt.: die Gelbblauen) trägt und die Fans unter dem Beinamen "Brigate Gialloblù" auftreten. Die und der gesamte Verein erlangten zu Beginn der 2000’er-Jahre internationale Berühmtheit. Hellas spielte in der Serie A und der in Verona lebende Tim Parks schrieb ein Buch über seine Zeit mit der "Brigate": "Eine Saison mit Verona. Eine Reise durch Italien auf der Suche nach Träumen, Fußball und dem Herzen des Landes." Parks hatte die Verona-Fans ein Jahr kreuz und quer durch Italien begleitet. Bekannteste Spieler damals waren Mauro Camoranesi, Alberto Gilardino, beide 2006 Weltmeister mit Italien in Deutschland. 2001/2002 begann der sportliche Niedergang von Hellas mit dem Abstieg in die Serie B, nach der Saison 2006/2007, also genau 20 Jahre nach dem Scudetto, folgte der Abstieg in die Serie C. Hellas Verona war nur noch drittklassig. Erst 2011 gelang die Rückkehr in die Zweitklassigkeit, 2013 folgte der Wiederaufstieg in die Serie A, doch Hellas wurde zur Fahrstuhlmannschaft. Nach der Saison 2015/2016 ging es zurück in die Serie B. Daran konnte auch Ex-Bayern-Star Luca Toni, ebenfalls Weltmeister 2006, nichts ändern. Er spielte von 2013 bis 2016 für Hellas, beendete danach seine Karriere und ist heute Hellas-Botschafter.

Es folgte der Wiederaufstieg 2016/2017 und der erneute Abstieg 2018. Aktuell belegt Hellas Verona den fünften Platz in der Serie B, ohne Chance auf sofortige Rückkehr in die Serie A. Trainer ist inzwischen ein anderer italienischer Weltmeister von 2006: Fabio Grosso. Just jener Spieler, der am 4. Juli 2006 das deutsche Sommermärchen mit seinem Tor zum 1:0 in der Verlängerung beendet hatte und den italienischen Titel so erst möglich machte. Konsequenterweise verwandelte Grosso im Elfmeterschießen im Finale gegen Frankreich auch den entscheidenden Strafstoß.

Inzwischen hat Chievo Verona (Kennzeichen: Reiter im Wappen) Hellas in der Stadt sportlich den Rang abgelaufen. Umso bitterer, da ausgerechnet Hellas-Anhänger einst tönten, eher könnten Esel fliegen, als dass Chievo in die Serie A aufsteigt. Als Chievo 2001 tatsächlich erstmals in die Serie A aufstieg, gaben sich die Chievo-Fans den Namen "Die fliegenden Esel" ("Mussi Volanti"). In der kommenden Saison treffen sich beide Vereine in der Serie B wieder, denn der Abstieg Chievos aus der Serie A ist längst besiegelt.

Bei Hellas haben die Helden aus früheren Tagen, Briegel und Larsen, bis heute Kultstatus. Und auch hier spielt ein Unpaarhufer eine Rolle. Denn vor allem Preben Elkjaer Larsen, WM- und EM-Held der Dänen 1982, 1984 und 1986, verschaffte sich durch sein lockeres Auftreten außerhalb des Platzes viele Sympathien. Larsen war notorischer Kettenraucher, Wodka-, Frauen- und Auto-Liebhaber und für seinen Fahrstil berüchtigt. Die Hellas-Fans erzählen sich bis heute eine Anekdote, wonach sich Larsen beim Wechsel Briegels zu Hellas anbot, diesem mit dem Wagen die Stadt zu zeigen. Briegels Kommentar nach der Fahrt: "Ich bin froh, dass ich mit dem Leben davon kam." Nicht von ungefähr hatte Larsen den Spitznamen "Crazy Horse".

Aufrufe: 017.5.2019, 00:05 Uhr
Schwäbische ZeitungAutor