2024-04-19T07:32:36.736Z

Kommentar
Foto: KStA: Fußball verbindet: Sascha Sokolowski (v.l), Kader Keita, Dejen Kidane, Andreas Wiesweg, Rabii Adrar, Stefan Bodenbinder, Johannes Heinen und Aly Badara Toure spielen beim SV Bad Münstereifel-Iversheim.
Foto: KStA: Fußball verbindet: Sascha Sokolowski (v.l), Kader Keita, Dejen Kidane, Andreas Wiesweg, Rabii Adrar, Stefan Bodenbinder, Johannes Heinen und Aly Badara Toure spielen beim SV Bad Münstereifel-Iversheim.

Wo die Integration spielend funktioniert

SV Bad Münstereifel-Iversheim lebt Integration vorbildlich vor

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Beim SV Bad Münstereifel-Iversheim kommen die Pässe an, egal, woher der Mitspieler kommt. Der Verein ist ein Vorzeigebeispiel für gelungene Integration im Kreis Euskirchen
Bad Münstereifel-Iversheim. Mit grünen und orangefarbenen Leibchen haben sich die Spieler auf dem Iversheimer Sportplatz in Teams aufgeteilt. Die Pässe kommen an, das Kombinationsspiel läuft gut. Training beim C-Kreisligisten SV Bad Münstereifel-Iversheim. Die Kommandos werden in Deutsch, Englisch oder Französisch über den Platz gerufen. Es funktioniert.

Aly Badara Toure freut sich auf jedes Training. Beim Fußball schaltet er ab. Seit zwei Jahren lebt der 23-Jährige als Flüchtling im Iversheimer Übergangswohnheim. Freiwillig sei er nicht gekommen, erzählt der gewachsene Mann. Er habe aus seinem Heimatland Guinea fliehen müssen, weil er sich in der Oppositionspartei UFDG für mehr Demokratie in dem Staat an der Westküste Afrikas eingesetzt hat – ein gefährliches Unterfangen in einem Land, in dem nach Ende der Militärherrschaft und der Präsidentenwahl Alpha Condés Unruhen an der Tagesordnung sind. Amnesty International Deutschland prangerte 2013 die Missstände an: „Soldaten und Polizeibeamte folterten und misshandelten Häftlinge, ohne sich dafür strafrechtlich verantworten zu müssen.“ Menschen seien bei Demonstrationen zu Tode gekommen sein.

„Ich bin für einen Monat und 13 Tage im Gefängnis gewesen“, erzählt Toure: „Ich sollte da für immer bleiben, bis ich tot bin. Aber Gott sei Dank habe ich meine Mutter. Die hat gekämpft, bis ich rausgekommen bin.“

Er störe die öffentliche Ordnung

Leute von der Regierung hätten seiner Mutter gesagt, dass er die Heimat verlassen müsse. Er störe die öffentliche Ordnung. Wenn er bleibe, würden sie ihn umbringen. „Meine Mutter hatte Angst, und sie hat entschieden, dass ich meine Heimat verlassen muss. Ich wollte nicht, aber sie hat gesagt, es gehe wegen meiner Sicherheit nicht anders“, so der 23-jährige Fußballer.

Auch in Guinea ist das Spiel mit dem Ball ein beliebter Volkssport. Toure liebt das runde Leder. Eines Abends hatten er und andere Flüchtlinge neugierig dem Training der Iversheimer vom Spielfeldrand aus zugeschaut. Heute ist Toure aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken. In dieser Saison entwickelt er sich beim SV Bad Münstereifel-Iversheim mit aktuell mehr als 20 Treffern zum besten Torschützen.

Aly Toure ist nicht der einzige Flüchtling in der Mannschaft. Insgesamt sieben Spieler aus dem Übergangswohnheim stehen im Kader. Sie kommen aus Ghana, Marokko, Nigeria, Algerien und Guinea. Über ihre Vergangenheit erzählten sie eher wenig, sagt Kapitän Stefan Bodenbinder. Sie wollten vergessen oder verdrängen, sich ablenken. „Sie sitzen oft nachdenklich da, haben Schlimmes erlebt oder in der Heimat Familienmitglieder zurückgelassen“, weiß Bodenbinder. Doch sie alle eint der Spaß am Fußballspielen.

Thorsten Zimmer leitet das Training. Er fühle sich wohl bei der Mannschaft, wolle dem Verein drei Jahre lang die Treue halten: „Das ist eine tolle Mannschaft. Die Integration wird hier gelebt“, freut sich der ehemalige Oberliga-Trainer: „Ob ich Stefan oder Aly anrufe, ist für mich das Gleiche.“

Doch es gibt auch traurige Momente. Gleichzeitig mit Aly habe Abdul zur Mannschaft gefunden. Doch er sei nicht mehr da, so Bodenbinder. Von einem auf den anderen Tag sei er nicht mehr gekommen und nicht erreichbar gewesen. „Wahrscheinlich wurde er abgeschoben“, vermutet Kapitän Bodenbinder: „Wir wissen nie, wer nächste Woche von den Flüchtlingen noch zum Training kommen kann. Dass Abdul nicht mehr da ist, beschäftigt einen schon.“ Da sei nicht nur ein Spieler, sondern auch ein Freund gegangen. Denn auch abseits des Fußballplatzes treffen sich die Spieler. „Fußball verbindet“, sagt Bodenbinder. Es werde gemeinsam gegrillt und gefeiert, Ausflüge würden auch unternommen. Kein Problem, wenn der Grill wegen des Ramadans mal etwas später angezündet werde.

Zur Schule oder zum Arzt begleitet

Gerne begleiten die deutschen Kicker die Flüchtlinge auch zu Schulen oder Ärzten oder geben ihnen Deutsch-Nachhilfe. Aly hat bereits das Zertifikat B 1+ in Deutsch geschafft. „Ich spreche nicht so gut Deutsch, aber man kann mich schon verstehen“, sagt er bescheiden – und erntet sogleich Widerspruch vom Kapitän: „Aly kann es sehr gut.“

Im Übergangswohnheim lebe Aly in einem kleinen Zimmer mit weiteren Flüchtlingen. Das Leben dort sei nicht sehr abwechslungsreich und voller Entbehrungen, sagt Bodenbinder: „Der Fußball hilft, das alles wenigstens ein paar Stunden zu vergessen.“ Und die Iversheimer Fußballer sind dankbar, dass die Flüchtlinge bei ihnen im Verein spielen. Zum Saisonstart hätten die Verantwortlichen Sorgen gehabt, nicht genügend Spieler für die Saison 2014/2015 stellen zu können, berichtet Klaus Radek.

Doch zum Glück seien die Flüchtlinge dazugekommen. Wie lange Aly Toure noch für Iversheim spielen kann, ist jedoch ungewiss. „Ich weiß noch nicht, ob ich in Deutschland bleiben darf“, sagt der Fußballer: „Das muss das Bundesamt für Migration entscheiden.“

Aufrufe: 021.5.2015, 06:43 Uhr
KStA - Kirsten RöderAutor