2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
– Foto: Thies Meyer

Wenn der Sportplatz an den Ortsrand wandert

VERLORENE PLÄTZE: +++ In Garbenteich schließt sich der Kreis: Wo einst Fußball gespielt wurde, ist längst ein Wohngebiet entstanden +++

GIESSEN. Da ist noch einer. Noch ein verlorener Platz. Das Foto schon zu Beginn der Serien-Idee entstanden. Und es könnte kaum besser passen zum Abschluss, denn am 29. März 2020 wurde die nun 40 Kapitel umfassende Serie mit dem Zitat eines Garbenteichers gestartet – Anton „Toni“ Pliska, Ehrenkreisfußballwart, zudem über Jahrzehne an verantwortlicher Stelle im Hessischen Fußball Verband, Vor-Vorgänger von Henry Mohr, hatte schon Ende der 80er auf den Lippen: „Freunde, wir werden sehen, dass irgendwann auf unseren Fußballplätzen Supermärkte oder Häuser stehen werden.“

Und so kam es auch im Pohlheimer Stadtteil Garbenteich, wie das Foto beweist. Am 22. März 2002 wurde der Fußballplatz in der Ortsmitte des dort angesiedelten SVG „mit einem Lagerfeuer verabschiedet“, wie es in einer Chronik heißt. Schon 20 Jahre zuvor war das Gelände außerhalb des Ortes, in den Keßlerwiesen, für die neue Sportanlage ausgewiesen worden, ein Kunstrasen und Rasenplatz entstanden dort. Doch noch viele Jahre rollte der Ball parallel, also auch im Ort oberhalb der Schule und Sporthalle, in der sich auch umgezogen werden konnte.

Das ist ein immer wiederkehrendes Motiv der Serie: Plätze, die in den Ortschaften lagen, wanderten oft an die Ränder, blieben aber ebenso oft auch noch länger als Ausweich- oder Trainingsplatz erhalten, waren also nicht zur Gänze verloren. Bis eben Bau- oder Gewerbegebiete ausgewiesen wurden. Das war‘s dann. Das Fußballambiente musste weichen – Super- oder Baumärkte platzierten ihre Einkaufswagen dort, wo vorher der Strafraum war. Mancher Hausbesitzer legte seinen Garten an, wo vorher der Linienrichter die Fahne hob. Immerhin: Bei den Fußballplätzen am Rand der Gemeinden muss kein Anwohner mehr um seine Fenster fürchten, wenn die Kreisklassen-Füße, mit einigen Unwuchten ausgestattet, den Befreiungsschlag zu vehement ansetzen. Auch das Blumenbeet des Nachbarn bleibt solchermaßen verschont. Aber irgendwie ist es auch schade um die Plätze, die die Kids auch ohne Spiel und Training im Ortskern vor die Tür und zum Kicken lockten.

Und dann wäre da noch die Anekdote aus einem Ort hinter Laubach, wo besagter Befreiungsschlag mit einem heftigen Krachen auf dem Dach eines benachbarten, ebenso kleinen wie alten Häuschens landete. Als der Spieler das Gartentor öffnete, um den Ball zu suchen, öffnete eine alte Frau mit Kittelschürze und Kartoffeln in der Hand die Tür – und fragte den verdutzten Sportsmann: „Haben Sie geklopft?“ In diesem Sinne – ein Hoch auf all die schönen Sportplatzgeschichten.

Rüdiger Dittrich

Aufrufe: 023.10.2020, 18:10 Uhr
Gießener AnzeigerAutor